Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 275
»Nein … nein … aber sie … sie hat unterwegs ihre Uhr verloren, eine wunderhübsche Uhr, und das macht sie ganz traurig. Wenn jemand sie finden sollte, so könnt Ihr uns Bescheid schicken.«
Mutter Benedikt schwieg, sie fand alles so sonderbar.
»Da ist mein Mann!« rief sie plötzlich.
Sie allein hatte ihn kommen sehen, weil sie dem Schlagbaum gegenüber stand.
d’Agreval fuhr auf und Madame de Cadour wäre, als sie sich umwandte, vor Schreck beinahe vom Stuhl gesunken.
*
Ein Mann näherte sich, noch zehn Schritt entfernt, der eine Kuh an dem um beide Hörner gewundenen Stricke keuchend hinter sich her zog.
»Teufel, so ein Schindluder«, rief er, ohne die Fremden zu bemerken, und ging vorüber nach dem Stall zu, in dem er verschwand.
Die Tränen der alten Dame waren plötzlich versiegt und sie blieb starr, unfähig zu denken oder zu sprechen. – Ihr Sohn! das da war also ihr Sohn!
»Das ist sicher Herr Benedikt«, sagte d’Agreval mit zitternder Stimme, von der gleichen Idee beseelt.
»Woher wisst Ihr denn seinen Namen?« fragte die Bauersfrau misstrauisch.
»Der Schmied an der Ecke der großen Strasse hat ihn uns gesagt«, antwortete er.
Dann schwiegen alle, die Augen auf die Stalltüre geheftet. Dieselbe sah aus wie ein schwarzes Loch in der weißen Mauer des Gebäudes. Man sah von dem Innern nichts; man hörte nur verschiedenen Lärm, Bewegungen, Schritte, die auf dem strohbedeckten Boden widerhallten.
Er erschien wieder am Eingang, wischte sich die Stirn mit der Hand und ging langsam auf das Haus zu, sich bei jedem seiner großen Schritte in den Hüften wiegend.
Ohne die Fremden zu bemerken rief er im Vorbeigehen seiner Frau zu:
»Hol mir einen Krug Apfelwein, ich bin durstig.« Dann trat er ins Haus. Die Bäuerin lief zum Keller und ließ die Pariser allein.
»Gehen wir, Henry, gehen wir!« rief Madame de Cadour ganz entsetzt.
Sie richtete sich an d’Agreval’s Arme auf, und sie sorgfältig stützend, denn sie drohte jeden Augenblick umzufallen, führte dieser sie fort, nachdem er zuvor fünf Francs auf einen der Stühle gelegt hatte.
Als sie zum Tore hinaus waren, fing sie ganz ausser sich vor Schmerz wieder bitterlich zu weinen an und jammerte:
»Was haben Sie aus ihm gemacht, o mein Gott!« Er war sehr bleich geworden und antwortete abwehrend:
»Ich habe getan was ich nur konnte. Seine Farm ist zwanzigtausend Francs wert. Das ist eine Mitgift, wie sie nicht alle Bürgerskinder haben.«
Sie gingen ganz langsam nach Hause, ohne ein Wort weiter darüber zu verlieren. Die Tränen rannen ihr unausgesetzt über die Wangen.
So kamen sie endlich nach Fecamp, wo Herr de Cadour bereits mit dem Diner auf sie wartete. Als er sie sah, rief er laut lachend:
»Ausgezeichnet, meine Frau hat ihren Sonnenstich weg, das macht mir Spaß. Ich glaube seit einiger Zeit wirklich, dass sie den Kopf verliert.«
Beide vermochten nichts zu sagen, und als der Gatte fragte:
»Habt Ihr denn wenigstens einen hübschen Spaziergang gemacht?« da antwortete d’Agreval schnell:
»Einen sehr hübschen, lieber Freund, wirklich einen ausserordentlich hübschen.«
*
Die Rückkehr
Das Meer peitschte die Küste mit seinem kurzen gleichmässigen Wellenschlage. Kleine weiße Wölkchen zogen hastig am blauem Himmel vorüber, von dem scharfblasenden Winde wie Sturmvögel getrieben; das Dorf in dem Talgrunde, der sich nach der See hinzog, briet in der Sonnenglut.
Gleich am Eingange desselben, unmittelbar an der Strasse lag, etwas entfernt vor den andren, das Haus der Martin-Levesque. Es war dies eine kleine Fischerwohnung mit Lehmwänden und einem Strohdach, das ein Büschel blauer Schwertlilien zierte. Vor der Tür befand sich ein Gärtchen, nicht viel grösser wie ein Taschentuch, in welchem Zwiebeln, einige Kohlköpfe, Petersilie und Kerbel wuchsen, und welches längs der Strasse von einer Hecke umzäunt wurde.
Der Mann weilt auf dem Fischfang, die Frau sitzt vor der Tür und flickt die Maschen eines großen braunen Netzes, welches an der Mauer wie ein riesiges Spinnengewebe aufgehängt ist. Ein Mädchen von vierzehn Jahren sitzt am Eingang des Gartens hintenüber gelehnt auf einem Rohrstuhl und flickt Leinenzeug, zerrissen und verschlissen, wie man es eben bei armen Leuten findet. Ein anderes, etwa um ein Jahr jüngeres Mädchen wiegt auf seinen Armen ein ganz kleines Kind, dem noch Sprache und Bewegung fehlen, während zwei Würmer von drei und zwei Jahren auf dem Boden kauernd mit ihren schmutzigen Händchen im Sande wühlen und sich zum Zeitvertreib mit kleinen Erdklümpchen bewerfen.
Niemand spricht; nur das Jüngste spottet der Versuche, es einzuschläfern und weint fortgesetzt mit seinem dünnen, mageren Stimmchen. Auf dem Fensterbrett schlummert eine Katze; blühende Levkoyen bilden am Fusse der Mauer eine weiße Kette, über der zahllose Bienen schwärmen.
Plötzlich ruft das Mädchen am Eingange:
»Mama!«
»Was hast Du?« fragt die Mutter.
»Er kommt wieder her.«
Sie sind nämlich schon den ganzen Morgen beunruhigt, weil ein Mann um das Haus herumstreicht: ein alter, ärmlich aussehender Mann. Sie sahen ihn zuerst, als sie den Vater zu seinem Boote begleiteten; er sass am Grabenrande der Tür gegenüber. Als sie vom Strande zurückkehrten, fanden sie ihn noch dort, unverwandt