Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Dann entfernte sich der Mann. Noch einmal hörte man von weitem das dumpfe Rasseln seiner Trommel und schwachen Laut seiner Stimme.
Hierauf begann eine lebhafte Unterhaltung über diesen Zwischenfall. Man erwog die Aussichten, die Meister Houlbrèque hatte, sein Eigentum wieder zu erhalten oder für immer zu verlieren.
Die Mahlzeit ging zu Ende.
Man war gerade beim Kaffee, als der Gendarmerie-Brigadier auf der Schwelle erschien.
»Ist Herr Hauchecorne von Béauté hier?« fragte er.
»Hier bin ich,« antwortete Meister Hauchecorne, der am anderen Ende des Zimmers gesessen hatte.
»Ich ersuche Sie, Herr Hauchecorne,« nahm der Brigadier wieder das Wort, »mich gefälligst zur Mairie zu begleiten. Der Herr Maire hätte ein Wort mit Ihnen zu reden.«
Der überraschte Landmann stiess bestürzt sein Glas von sich und folgte dem Brigadier in noch gebückterer Haltung als am Vormittag; denn nach jeder Ruhe machten sich seine Gichtschmerzen doppelt fühlbar. »Ich komme schon, ich komme schon,« murmelte er dabei fortwährend.
Der Maire erwartete ihn in seinem Sessel sitzend. Es war der Notar des Ortes, ein dicker ernster Mann, der sich stets in schwunghaften Phrasen bewegte.
»Meister Hauchecorne; begann er, »man hat Sie heute Morgen beobachtet, wie Sie auf der Strasse von Beuzeville die Brieftasche aufhoben, die Herr Houlbrèque von Manneville verloren hat.«
Schon der Verdacht der auf ihn lastete, ohne dass er den Grund dafür begriff, versetzte den Landmann in Furcht. Fassungslos starrte er den Maire an.
»Ich? Ich soll die Brieftasche aufgehoben haben?«
»Ja, Sie.«
»Auf mein Wort, ich habe keine Ahnung davon gehabt.«
»Man hat Sie beobachtet.«
»Mich beobachtet? Wer will mich, gesehen haben?«
»Herr Malandain, der Sattler.«
Da erinnerte sich der Alte; er verstand, und wurde rot vor Zorn.
»Ach ja, er hat mich gesehen dieser Lümmel; er hat gesehen, wie ich dieses Endchen Schnur da, schauen Sie, Herr Maire, aufhob.«
Und in seine Tasche greifend zog er das kleine Stückchen Schnur hervor.
Aber der Maire schüttelte ungläubig den Kopf.
»Sie werden mir das nicht einreden, Meister Hauchecorne, dass Herr Malandain, ein glaubwürdiger Mann, diesen Bindfaden für eine Brieftasche angesehen habe.«
Wütend erhob der Landwirt seine Hände, spuckte zur Seite, um seinen Respekt auszudrücken und wiederholte:
»Das ist die Wahrheit, bei Gott! Die reine Wahrheit, Herr Maire. Wahrhaftig, ich beschwöre es bei meiner Ehre und Seligkeit.«
»Nachdem Sie den Gegenstand aufgehoben hatten,« nahm der Maire wieder das Wort, »haben Sie sogar noch lange in der Gosse gesucht, ob Ihnen nicht etwa noch ein Geldstück entgangen wäre.«
Der Biedermann keuchte schwer vor Zorn und Furcht.
»Wer sollte es glauben! … Wer sollte das für möglich halten! … Solche Lügen um einen ehrenwerten Mann bloszustellen! Wie ist es möglich!«
Aber er hatte gut protestieren; man glaubte ihm nicht.
Man konfrontierte ihn mit Meister Malandain, der seine Behauptung absolut aufrecht hielt. Eine Stunde lang stritten sie sich herum. Man durchsuchte Meister Hauchecorne auf sein Verlangen, aber man fand nichts bei ihm.
Der Maire wurde schliesslich zweifelhaft. Er entliess ihn mit der Bemerkung, dass er die Sache anzeigen und sich weitere Befehle einholen werde.
Die Geschichte hatte sich bald herumerzählt. Als Meister Hauchecorne die Mairie verliess, wurde er von allen Seiten umringt und mit lebhafter spöttischer Neugier, aber ohne jede äussere Entrüstung, befragt. Er erzählte die Geschichte von der Schnur. Aber man glaubte ihm nicht und lachte.
Er erzählte immer aufs Neue jedem, der sie hören wollte, seine Geschichte, schilderte seinen Protest auf der Mairie, zeigte seine umgewendeten Taschen, um zu beweisen, dass nichts darin sei.
»Alter Schlaukopf!« sagte man zu ihm.
Er wurde wütend, ganz ausser sich und schliesslich traurig, weil man ihm nicht glaubte; er wusste nicht, was er machen sollte und erzählte immer wieder seine Geschichte.
Der Abend brach heran. Es wurde Zeit zur Heimkehr. Er machte sich auf den Weg mit drei Nachbarn, denen er die Stelle zeigte, wo er das Endchen Schnur aufgelesen hatte. Und den ganzen Weg über sprach er von seinem Abenteuer.
Den ganzen Abend ging er im Dorfe Béauté herum, um aller Welt seine Geschichte zu erzählen. Er begegnete nur ungläubigen Gesichtern.
Nachts wurde er vor Aufregung krank.
Am anderen Tage, gegen ein Uhr Nachmittags, brachte Marius Paumelle, Dienstknecht bei Meister Breton, Bauer in Ymauville, die Brieftasche samt Inhalt dem Meister Houlbrèque von Manneville zurück.
Dieser Mann behauptete, die Brieftasche tatsächlich auf der Strasse gefunden zu haben. Aber da er des Lesens unkundig war, so hatte er das Ding mit nach Hause genommen und seinem Herrn übergeben.
Die Nachricht verbreitete sich bald in der Nachbarschaft. Auch Meister Hauchecorne erfuhr sie und triumphierte.