Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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Sonn­ta­ge. Selbst Frem­de hielt er an, um ih­nen die Ge­schich­te zu er­zäh­len. Er war jetzt ziem­lich be­ru­higt; nur et­was ge­nier­te ihn, ohne dass er recht wuss­te, was es war. Es schi­en als ob die Leu­te mit ihm scherz­ten, wenn er die Ge­schich­te er­zähl­te. Man schi­en nicht recht über­zeugt zu sein. Es war, als ob man hin­ter sei­nem Rücken al­ler­lei mun­kel­te.

      Am Diens­tag der nächs­ten Wo­che be­gab er sich aber­mals nach Go­der­ville auf den Markt, le­dig­lich von dem Be­dürf­nis ge­trie­ben, sei­ne Ge­schich­te zu er­zäh­len.

      Ma­land­ain stand vor sei­ner Tür. Er lach­te, als er ihn vor­über­ge­hen sah. Wa­rum wohl?

      Er trat auf einen Päch­ter von Cri­que­tot zu, der ihn gar nicht aus­re­den ließ, ihm auf die Schul­ter klopf­te und ihm ins Ge­sicht lach­te: »Geh nur, al­ter Schlau­mei­er.« Dann dreh­te er ihm den Rücken zu.

      Ver­blüfft blieb Meis­ter Hauch­e­cor­ne ste­hen, er wur­de von Mi­nu­te zu Mi­nu­te un­ru­hi­ger. Wa­rum nann­te man ihn einen »al­ten Schlau­mei­er?«

      Als er sich in der Gast­stu­be bei Meis­ter Jour­dain zu Tisch ge­setzt hat­te, be­gann er wie­der mit sei­ner Ge­schich­te.

      »Ach, geh doch, al­ter Pfif­fi­kus!« rief ihm ein Vieh­händ­ler von Mon­ti­vil­liers zu. »Ich ken­ne schon dei­ne Schnur!«

      »Aber man hat die Brief­ta­sche doch wie­der­ge­fun­den!« stam­mel­te Hauch­e­cor­ne.

      »Ach schweig doch lie­ber still;« ent­geg­ne­te je­ner, »der eine fin­det sie, und der an­de­re bringt sie zu­rück. Kei­ner sieht’s, kei­ner hör­t’s, der Teu­fel soll ei­nem was be­wei­sen.«

      Dem Land­mann ging der Atem aus. Jetzt be­griff er end­lich. Man be­schul­dig­te ihn heim­lich, dass er die Brief­ta­sche durch einen Ver­wand­ten einen Kom­pli­zen hät­te zu­rück­brin­gen las­sen.

      Er woll­te Ein­wen­dun­gen ma­chen; aber der gan­ze Tisch fing an zu la­chen.

      Er ver­gass sei­ne Mahl­zeit zu vollen­den und ging fort, ver­folgt von ei­nem Re­gen bis­si­ger Scher­ze.

      Be­schämt und ent­rüs­tet kehr­te er nach Hau­se zu­rück. Er er­stick­te fast vor Zorn; er kann­te sich selbst nicht mehr aus. Er war umso er­bit­ter­ter, als er bei sei­ner nor­man­ni­schen Pfif­fig­keit sich nichts dar­aus ge­macht hät­te, das zu tuen, des­sen man ihn be­schul­dig­te, und sich noch dazu des­sen ganz ru­hig ge­rühmt hät­te. Es schi­en ihm fast un­mög­lich sei­ne Un­schuld zu be­wei­sen, weil er sei­ner Hin­ter­list we­gen be­kannt war. Er war in sei­nem In­ners­ten ver­wun­det durch die­sen un­ge­rech­ten Ver­dacht.

      Nun be­gann er aufs Neue sei­ne Aben­teu­er zu er­zäh­len, und je­des Mal wur­de die Ge­schich­te län­ger. Denn je­des Mal füg­te er neue Grün­de hin­zu, im­mer hef­ti­ger pro­tes­tier­te er, im­mer fei­er­li­cher wur­den die Re­den, die er sich in den Stun­den des Al­lein­seins er­dach­te. Sein Geist war nur noch mit die­ser Ge­schich­te be­schäf­tigt. Aber je län­ger sei­ne Ver­tei­di­gung wur­de, und je ge­schraub­ter die Grün­de wa­ren, die er vor­brach­te, umso we­ni­ger glaub­te man ihm.

      »Das sind ech­te Lü­gen-Ge­schich­ten,« tu­schel­te man hin­ter sei­nem Rücken.

      Er fühl­te das, sein Blut wall­te auf; er er­schöpf­te sich in nutz­lo­sen An­stren­gun­gen.

      Ge­gen Ende De­zem­ber leg­te er sich zu Bett. Er starb in den ers­ten Ta­gen des Ja­nu­ar, und in den Fie­ber­fan­tasi­en der letz­ten Stun­den be­zeug­te er fort­wäh­rend sei­ne Un­schuld.

      »Eine klei­ne Schnur … Ein End­chen Schnur … se­hen Sie, hier ist es Herr Maire.«

      Das wa­ren sei­ne letz­ten Wor­te.

      *

      Du bist wahr­haf­tig, scheint mir’s, nicht bei Trost, mei­ne Lie­be, mich bei sol­chem Wet­ter im frei­en Fel­de spa­zie­ren zu füh­ren. Du hast seit zwei Mo­na­ten son­der­ba­re Ide­en. Du führst mich, ob ich will oder nicht, an die See, wo Du doch in den vier­zig Jah­ren, die wir nun ver­hei­ra­tet sind, nie­mals an so was ge­dacht hast. Du be­stehst mit Ge­walt auf Fe­camp, die­ser trau­ri­gen Stadt; und kaum sind wir hier, so bist Du, die sonst kei­nen Schritt vor die Türe ging, von ei­ner sol­chen Renn­wut er­grif­fen, dass Du am heis­ses­ten Tage des Jah­res quer­feld­ein läufst. Er­su­che doch d’A­gre­val um sei­ne Beglei­tung; der fügt sich bes­ser Dei­nen Lau­nen. Ich für mei­ne Per­son gehe ins Haus und hal­te mei­ne Sies­ta.«

      »Kom­men Sie mit mir?« wand­te sich Ma­da­me de Ca­dour an ih­ren al­ten Freund.

      Er ver­beug­te sich lä­chelnd, mit et­was alt­mo­di­scher Höf­lich­keit, und sag­te:

      »Ich fol­ge Ih­nen, wo­hin Sie ge­hen.«

      »Nun, so ho­len Sie sich einen Son­nen­stich«, sag­te Herr de Ca­dour und ging wie­der ins Ho­tel des Bains hin­ein, um sich ein oder zwei Stünd­chen aufs Ohr zu le­gen.

      So­bald sie al­lein wa­ren, be­ga­ben sich die alte Dame und ihr Freund auf den Weg. Ihm die Hand drückend sag­te sie sehr lei­se:

      »End­lich! … End­lich!«

      »Sie sind tö­richt«, mur­mel­te er, »ich ver­si­che­re Ih­nen, es ist der rei­ne Wahn­sinn. Den­ken Sie, was Sie. ris­kie­ren. Wenn die­ser Mensch …«

      »O Hen­ri«, sag­te sie zu­sam­men­zu­ckend, »sa­gen Sie nicht ›die­ser Men­sch‹, wenn Sie von ihm spre­chen.«

      »Nun ja!« ant­wor­te­te er ziem­lich rück­sichts­los, »wenn un­ser Sohn ir­gend eine Ver­mu­tung fasst, wenn er miss­trau­isch wird, so hat er Sie, hat er uns in der Ge­walt. Sie ha­ben es ganz gut aus­ge­hal­ten, ihn seit vier­zig Jah­ren nicht zu se­hen; warum muss es denn ge­ra­de heu­te sein?«

      Sie wa­ren der lang­ge­dehn­ten Stras­se ge­folgt, wel­che von der Stadt aus an die See führt, und wand­ten sich jetzt rechts, um nach der Küs­te von Etre­tat her­auf­zu­ge­hen. Die wei­ße Stras­se lag vor ih­nen in der ko­chen­den Glut der Son­nen­strah­len.

      Sie gin­gen bei der glü­hen­den Hit­ze lang­sam mit kur­z­en Schrit­ten. Ma­da­me de Ca­dour hat­te den Arm ih­res Freun­des er­grif­fen und sah im­mer ge­ra­de­aus mit ei­nem ir­ren, su­chen­den Blick.

      »So ha­ben Sie ihn nie­mals wie­der ge­se­hen?« frag­te sie ihn.

      »Nein, nie­mals.«

      »Ist es mög­lich?«

      »Lie­be Freun­din, fan­gen wir die­se alte Ge­schich­te nicht wie­der von Neu­em an. Ich habe Frau und Kin­der, wie Sie einen Gat­ten ha­ben; also Grund ge­nug für uns bei­de, die öf­fent­li­che Mei­nung

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