Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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      *

      So­bald sich die bei­den Freun­de wie­der­er­kannt hat­ten, schüt­tel­ten sie sich hef­tig die Hän­de; bei­de wa­ren tief be­wegt, sich un­ter so ganz an­de­ren Um­stän­den wie­der­zu­fin­den. »Ein trau­ri­ges Wie­der­se­hen,« mur­mel­te Herr Sau­va­ge mit ei­nem tie­fen Seuf­zer. »Und welch ein Wet­ter!« ent­geg­ne­te Herr Mo­ris­sot ge­drückt. Es ist heu­te der ers­te schö­ne Tag im neu­en Jah­re.«

      Der Him­mel war in der Tat ganz blau und strahl­te im schöns­ten Son­nen­lich­te.

      Trau­rig und träu­me­risch gin­gen sie ne­ben­ein­an­der.

      »Und der Fisch­fang, wie?« nahm Mo­ris­sot das Ge­spräch wie­der auf. »Welch schö­ne Erin­ne­rung!«

      »Wann wer­den wir wie­der da­mit be­gin­nen?« frag­te Herr Sau­va­ge.

      Sie tra­ten zu­sam­men in ein Café ein und tran­ken einen Ab­synth; dann nah­men sie ih­ren Spa­zier­gang auf dem Trot­toir wie­der auf.

      Mo­ris­sot blieb plötz­lich ste­hen. »Noch ein Gläs­chen, wie?« Herr Sau­va­ge war ein­ver­stan­den. »Wie Sie den­ken.« Und sie tra­ten in ein an­de­res Wein-Lo­kal.

      Sie wa­ren sehr an­ge­regt, als sie das Lo­kal ver­lies­sen, wie Leu­te, die noch nicht ge­früh­stückt ha­ben, aber schon voll Al­ko­hol sind. Die Luft war ver­hält­nis­mäs­sig mild und ein schmei­cheln­des Lüft­chen um­kos­te ihre Stirn.

      »Wie wär’s wenn wir hin­gin­gen?« sag­te plötz­lich Herr Sau­va­ge, der in der frei­en Luft sich erst recht be­ne­belt fühl­te.

      »Wo­hin?«

      »Zum An­geln, mei­ne ich.«

      »Aber wo?«

      »Auf un­se­rer In­sel na­tür­lich. Die fran­zö­si­schen Vor­pos­ten ste­hen nahe bei Co­lom­bes. Ich ken­ne den Oberst Du­mou­lin; man wird uns ohne Schwie­rig­kei­ten durch­las­sen.«

      Mo­ris­sot zit­ter­te vor Be­gier­de.

      »Ab­ge­macht,« sag­te er »ich bin da­bei.« Und sie trenn­ten sich um ihr An­gel­zeug zu ho­len.

      Eine Stun­de spä­ter be­fan­den sich bei­de be­reits un­ter­wegs. Sie er­reich­ten als­bald die Vil­la, die der Co­lo­nel be­wohn­te. Er lä­chel­te über ihre Pas­si­on und wil­lig­te in ihr Be­geh­ren. Mit ei­nem Durch­lass-Schein ver­se­hen gin­gen sie wei­ter.

      Bald hat­ten sie die Vor­pos­ten hin­ter sich, durch­schrit­ten das ver­las­se­ne Co­lom­bes und be­fan­den sich schliess­lich am Ran­de der klei­nen Wein­ber­ge, wel­che sich am Han­ge der Sei­ne zu, be­fin­den. Es war un­ge­fähr elf Uhr. Das Dorf Or­gen­teuil ge­gen­über schi­en wie aus­ge­stor­ben. Die Hö­hen von Ar­ge­mont und San­nois be­herrsch­ten die gan­ze Um­ge­gend. Die große Ebe­ne, die sich mit ih­ren kah­len Kirsch­bäu­men und ih­ren grau­en Fel­dern bis Nan­terre er­streckt, war leer, ganz leer.

      »Da oben sind die Preus­sen« sag­te Herr Sau­va­ge mit dem Fin­ger auf die Hü­gel wei­send. Die­se men­schen­lee­re Ge­gend er­füll­te die bei­den Freun­de mit ei­nem un­will­kür­li­chen Grau­en.

      »Die Preus­sen!« Sie hat­ten noch nie­mals wel­che ge­se­hen. Aber sie spür­ten ge­nug von ih­nen seit Mo­na­ten, wie sie raub­ten, mor­de­ten und plün­der­ten, sie aus­hun­ger­ten und sich un­sicht­bar wie sie wa­ren, den­noch als all­mäch­ti­ge Her­ren be­wie­sen. Und eine Art aber­gläu­bi­scher Furcht ge­sell­te sich zu dem Has­se, den sie ge­gen die­ses un­be­kann­te sieg­rei­che Volk emp­fan­den.

      »Wenn uns ei­ni­ge be­geg­nen, was dann?« stam­mel­te Mo­ris­sot.

      »So bie­ten wir ih­nen ein Ge­richt Fi­sche an.« ant­wor­te­te Herr Sau­va­ge mit je­nem ech­ten Pa­ri­ser Hu­mor, der selbst in den schwie­rigs­ten La­gen die Ober­hand be­hält.

      Aber es war Ih­nen doch nicht so recht wohl zu Mute, sich ins freie Feld zu be­ge­ben; die­ses weit und breit las­ten­de Schwei­gen flöss­te ih­nen Be­sorg­nis ein.

      »Ge­hen wir, vor­wärts!« ent­schied end­lich Herr Sau­va­ge, »aber vor­sich­tig!« Und sie klet­ter­ten einen Wein­berg hin­ab, mit vor­ge­beug­tem Ober­kör­per, schlei­chend, je­des Ge­sträuch als De­ckung be­nut­zend, un­ru­hig um­her­schau­end und ängst­lich auf je­des Geräusch lau­schend.

      Noch hat­ten sie einen Erd­hau­fen zu über­klet­tern, um an das Ufer des Flus­ses zu ge­lan­gen. Sie be­gan­nen zu lau­fen und so­bald sie am Ufer an­ge­kom­men wa­ren, ver­steck­ten sie sich in dem ab­ge­stan­de­nen Röh­richt.

      Mo­ris­sot leg­te das Ge­sicht an die Erde, um zu lau­schen, ob man Marsch­trit­te in der Um­ge­gend ver­neh­men könn­te. Nichts rühr­te sich in­des­sen. Sie wa­ren al­lein, ganz al­lein.

      So be­ru­higt ver­leg­ten sie sich nun eif­rig aufs Fi­schen.

      Die In­sel Ma­ran­te ih­nen ge­gen­über, wel­che eben­falls wie ab­ge­stor­ben dalag, ver­barg sie vor dem jen­sei­ti­gen Ufer. Das klei­ne Re­stau­ra­ti­ons­ge­bäu­de auf der­sel­ben war ge­schlos­sen, als wenn es seit Jah­ren nicht mehr be­nutzt ge­we­sen wäre.

      Herr Sau­va­ge fing den ers­ten Gründ­ling und gleich dar­auf Herr Mo­ris­sot den zwei­ten. Alle Au­gen­bli­cke zog ei­ner von ih­nen die An­gel­schnur her­aus, an der ein sil­ber­glän­zen­der Fisch zap­pel­te. Sie mach­ten in der Tat einen glän­zen­den Fang.

      Vor­sich­tig leg­ten sie ihre Beu­te in einen eng­ma­schi­gen Netz­beu­tel zu ih­ren Füs­sen. Eine leb­haf­te Freu­de er­füll­te sie; jene Freu­de, die man emp­fin­det, wenn man sich ei­nem lan­gent­behr­ten Ver­gnü­gen zum ers­ten Male wie­der hin­gibt.

      Die Son­ne schi­en warm auf ihre Schul­tern. Sie hör­ten nichts und dach­ten an nichts mehr. Die Welt rings­um war für sie ver­ges­sen. Sie wid­me­ten sich ganz ih­rem Fisch­fang.

      Plötz­lich er­zit­ter­te der Bo­den, wie von ei­nem un­ter­ir­di­schen Geräusche. Es war der Don­ner von Ge­schüt­zen.

      Mo­ris­sot wand­te den Kopf und ge­wahr­te jen­seits des Ufers un­ten links die ge­wal­ti­gen Um­ris­se des Mont-Va­le­ri­en, vor des­sen Front eine wei­ße Wol­ke schweb­te: Der Pul­ver­dampf, den er aus­pie.

      Als­bald folg­te vom Gip­fel der Fes­te ein zwei­ter Rauch­aus­bruch, und nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken hör­te man aber­mals Ge­schütz­don­ner.

      Dann folg­ten wei­te­re Schlä­ge und in re­gel­mäs­si­gen Zwi­schen­räu­men stiess der Berg sei­nen töt­li­chen Atem aus, und

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