Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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von weiteren zwei Jahren in der nicht operativen Reserve. Diese Wehrpflicht beendete das Privileg der Samurai, Waffen zu tragen, was im größeren Kontext der Meiji-Revolution zu sehen ist, in deren Verlauf die aristokratische Elite, die Japan regierte, ihren Erbstatus weitgehend einbüßte. Japan zog sogar deutsche Militärberater hinzu, um bei der Umstellung zu helfen. Doch die Kriege machten keine Massenarmeen nötig. Die zahlreichen Kolonialkriege des 19. Jahrhunderts in Indien und in Afrika wurden auf eine sehr andere Weise geführt, wobei die kolonialistischen Staaten sich vor allem auf die in den Kolonien selbst aufgestellten Truppen stützten, die von Offizieren aus dem Mutterland befehligt wurden. Britisch-Indien zum Beispiel wurde von einer mächtigen, durch die East India Company rekrutierten regulären Armee verteidigt, die zur Blütezeit des britischen Raj mehr als 150 000 Mann zählte. Nur eine Minderheit von ihnen stammte aus England.

      Bestimmte asiatische Gesellschaften hatten seit Jahrhunderten auf Bürgersoldaten zurückgegriffen, bevor die imperialen Armeen an ihren Küsten auftauchten. Der Fall des chinesischen Kaiserreichs hilft, daran zu erinnern, dass die Wehrpflicht in Kriegszeiten in Wahrheit wenig mit Moderne oder Demokratie zu tun hat. Praktisch zwei Jahrtausende zuvor hatten die Han- und die Tang-Dynastie umfangreich davon Gebrauch gemacht, natürlich ohne dass diese Entscheidung irgendetwas mit einer staatsbürgerlichen Vorstellung zu tun gehabt hätte. Die Bürgersoldaten wurden Söldnern vorgezogen, weil sie die innere Ordnung weniger bedrohten. Im militärischen System der Han-Dynastie wurden alle zwanzigjährigen Männer für den Militärdienst verzeichnet und konnten in einem Alter zwischen 23 und 56 Jahren für den aktiven Waffendienst einberufen werden. Theoretisch musste jeder Mann jährlich einen Monat Training nach der Ernte absolvieren; darüber hinaus musste er einmal in seinem Leben ein Jahr lang in der Hauptstadt und drei Tage in einem Grenzposten dienen. Mit der Zeit wurde das System brüchig: Immer öfter kam es vor, dass sich die Einberufenen mit klingender Münze freikauften. Dieses außer Gebrauch gekommene System wurde dann im 20. Jahrhundert wiederbelebt: Als China 1937 von Japan besetzt wurde, war eine der ersten Reaktionen der nationalistischen Partei, eine neue Bürgerarmee aufzustellen. Alle Männer von sechzehn Jahren an erhielten die Aufforderung, bei der ihrem Wohnort nächstgelegenen Einheit von Bürgersoldaten vorstellig zu werden, um dort ein militärisches Training zu absolvieren, das in kurzen Trainingseinheiten zwischen der Ernte stattfand. Ziel des Programms war den Behörden zufolge, das Nationalbewusstsein zu wecken, kriegerische Einstellungen zu fördern und die Männer auf die Einberufung vorzubereiten. Nach 1949 stützte sich das kommunistische China ebenfalls auf eine Wehrpflichtigenarmee. Seiner Ideologie entsprechend griff das Land selbstverständlich auf das eigene Volk, auf Bürgersoldaten zurück, um die Nation gegen imperialistische Angriffe zu verteidigen.

       Die Weltkriege, ein Goldenes Zeitalter

      Im Verlauf der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts wurden Millionen von Menschen mobilisiert, manchmal binnen kürzester Zeit, was komplizierte Fragen hinsichtlich Gerechtigkeit und Gleichheit aufwarf. Es war das Goldene Zeitalter der Massenbürgerarmeen. 1914 blieben die Nationen noch ihren Traditionen und etablierten Praktiken treu, obwohl sie sich mit einem beispiellosen Rekrutierungsbedarf konfrontiert sahen. In Frankreich wie in Deutschland ließ sich das Modell einer aus Wehrpflichtigen zusammengesetzten Armee durchführen, da die Ideale der Staatsbürgerlichkeit und der Gleichheit hinsichtlich des erbrachten Opfers tief im Nationalbewusstsein verankert waren. Großbritannien hingegen hielt an der Auffassung fest, dass die Wehrpflicht im Wesentlichen eine »kontinentale«, der britischen Militärtradition fremde Praxis sei, die ohne Frage die Kampffähigkeit seiner Armee schwächen werde. Außerdem schien der reine Appell an den Patriotismus zum Erfolg zu führen. Zwischen dem 4. August und dem 12. September 1914, also innerhalb von fünf Monaten, meldeten sich 480 000 Männer, davon allein 33 204 am 3. September, was mehr als dem jährlichen Mittel vor dem Krieg entsprach. Für viele Briten lag der Unterschied zwischen einer Freiwilligenarmee und einer Wehrpflichtigenarmee in der überlegenen Moral der Ersteren. Die zwei großen politischen Parteien des Landes waren sich darüber einig, dass der Freiwilligendienst ein symbolischer staatsbürgerlicher Akt war, den es zu bewahren galt, während der Trades Union Congress, die Dachorganisation der britischen Gewerkschaften, sich gegen jeden Zwang aussprach. Eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten warnte die Regierung, dass Unruhen in Irland ausbrechen würden, wenn London die Wehrpflicht durchsetzte. Zwei Jahre später hatte sich die politische Landschaft radikal verändert: Die ungeheuren Verluste vom Beginn des Konflikts, der Abnutzungskrieg an der Westfront und die monatlich abnehmenden Freiwilligenmeldungen schwächten die Position der Verfechter des freien Willens. 1916 glaubte niemand mehr an den Erfolg dieses Konzepts; die britischen Behörden gaben widerstrebend zu, dass man in einem Krieg solchen Ausmaßes auf eine notgedrungen zwangsweise ausgehobene Massenarmee nicht verzichten und den Militärdienst nicht allein vom guten Willen des individuellen Gewissens abhängig machen konnte. Das sollte übrigens dann für den größten Teil des 20. Jahrhunderts auch nicht der Fall sein.

      Die Verpflichtung, seinen Militärdienst zu leisten, ist fast immer auf männliche Bürger beschränkt gewesen, vor allem in den Gesellschaften, in denen die hergebrachten Geschlechterrollen die Aufgabe der Landesverteidigung allein den Männern zuschreiben. In Frankreich beispielsweise versuchten die Jakobiner ausdrücklich, die Frauen von jeder Rolle als Kombattantinnen auszuschließen. Dieser Ausschluss wurde durch die republikanische Tradition in Frankreich fortgeschrieben und wird erst heute mit der zunehmend bedeutenden Präsenz von Frauen in der Armee infrage gestellt (eine durchschnittliche Rate von 10 Prozent im Jahr 2016). In den Revolutionen des 20. Jahrhunderts erwies sich die Zuweisung der Geschlechterrollen allerdings mitunter als flexibel. In Russland schuf Kriegsminister Alexander Kerenski im März 1917 die erste rein weibliche Kampfeinheit, die er dem Befehl Maria Botschkarewas unterstellte und die an ihrem Höhepunkt 2000 Kombattantinnen zählte. Andere ausschließlich aus Frauen bestehende Gruppierungen wurden nach dem Sieg der Bolschewiken im Oktober 1917 geschaffen, und Frauen kämpften auch an vorderster Front im Zweiten Weltkrieg. Zu dieser Zeit war die Rote Armee eine gigantische Wehrpflichtigenarmee mit zwei Millionen Mitgliedern in Friedenszeiten und sechs Millionen zu Kriegszeiten. Doch nach den Säuberungen, die Stalin unter den Offizieren vornehmen ließ, fehlte ihr die Effizienz, und 1940 waren viele ihrer Einheiten nach der Erniedrigung, die sie im Winterkrieg gegen Finnland erfahren hatten, demoralisiert.

      Daher wurde eine riesige Rekrutierungskampagne gestartet, bei der sich eine große Zahl an Frauen freiwillig meldete. Im Unterschied zu den Männern wurden sie nie zwangsweise eingegliedert; im Gegenteil stießen viele der Frauen, die kämpfen wollten, zu Hause auf Missbilligung und bei den Offizieren in der Armee und den Repräsentanten des Komsomol auf Zurückhaltung, als es darum ging, ihnen zu erlauben, ihr Leben aufs Spiel zu setzen oder Versehrungen im Kampf zu riskieren. Manchen gelang es dennoch, in die Armee einzutreten, und einige wurden für ihre Leistungen als Pilotinnen, Fallschirmspringerinnen oder auch Scharfschützinnen gefeiert. Doch viele wurden als dienstuntauglich angesehen oder gezwungen, Kompromisse einzugehen und als Krankenschwestern oder Sanitäterinnen zu dienen. Dies entsprach mehr den Absichten des Staates, zumal das allgemeine Wehrpflichtgesetz von 1939 den Wehrpflichtigen als einen »jungen Mann« statt mit einem mehrdeutigeren Wort als »Bürger« definierte. Die angeworbenen Frauen wurden weitgehend auf eine Funktion als Nichtkombattantinnen beschränkt: in der medizinischen Betreuung, als Veterinärinnen oder Technikerinnen. Wie zuvor Frankreich während der Revolution versuchte die Sowjetunion, eine Geschlechtertrennung auf dem Schlachtfeld aufrechtzuerhalten. Aus ihrer Sicht hing die Disziplin davon ab.

       Das Ende eines staatsbürgerlichen Modells

      Als Frankreich 1914 ein weiteres Mal für einen großen europäischen Krieg gegen Deutschland mobil machte, zweifelte niemand daran, dass das Land seine Bürger einberufen würde. Das war schlicht die Art und Weise, in der Frankreich die modernen Kriege führte und in der sich die Französische Republik in Augenblicken nationalen Notstands verteidigte. Anders gesagt handelte es sich um eine spezifisch republikanische Form der Verteidigung. In Friedenszeiten sah die Situation anders aus: Die Armee hatte nicht den geringsten Bedarf an all den Soldaten, die die Wehrpflicht ihr verschaffte, noch

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