Die Akte Hürtgenwald. Lutz Kreutzer

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Die Akte Hürtgenwald - Lutz Kreutzer

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nur durch Metallbauteile. Im Gegensatz zu den heutigen Maschinen aus Plastik. Die hier kann noch richtig guten Filterkaffee machen.«

      Anja kam zurück und brachte drei Steinguttassen.

      Müller schenkte jedem Kaffee ein. Dann stellte er sich vor die Karte. »Sehen Sie sich unsere Heimat gut an, HK Straubinger. Studieren Sie die Karte. Jeder Fall, den Sie hier in dem Chaos finden, hat irgendwo dadrauf seinen Punkt.« Müller trank einen Schluck. »Ahh, ist der gut!«

      Straubinger trat ein Stück näher und trank ebenfalls. »Tatsächlich, nur ein bisschen Staubgeschmack«, sagte er und verzog kurz das Gesicht, »aber nach dem dritten Durchlauf ist der auch weg.«

      »Sehen Sie hier«, erläuterte Müller, »alles, was im Süden von Gressenich liegt, das ist der Gressenicher Wald. Das ist der nördlichste Teil des Forstgebietes, das man Hürtgenwald nennt.«

      »Ich hab mal ein Buch von Ernest Hemingway gelesen, ist das dieser Hürtgenwald, den er in dem Buch beschreibt? Wo diese Riesenschlacht war? Das größte Desaster für die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg?«

      »Ja genau, das ist der Hürtgenwald. Dieser dicht bewaldete Höhenrücken hier«, sagte Müller und zeigte auf die Karte, »zwischen Roetgen, unten im Süden an der belgischen Grenze, Stolberg im Westen, Langerwehe und Düren im Norden. Und dieser obere Teil des Hürtgenwalds, also der Gressenicher Wald, gehört zum Stadtgebiet von Stolberg«, schloss er und fächerte mit der Handfläche über die Karte. »In diesem verfluchten Hürtgenwald, da haben die Amerikaner so viele Soldaten verloren wie sonst nirgendwo. Zehntausende Männer, die genaue Zahl kennt man nicht. Die Deutschen nicht ganz so viele. Und vor Gressenich, da sind die Amis damals hängen geblieben. Aber«, sagte er leise, »das erzähl ich Ihnen ein andermal. Ich muss jetzt weiter.«

      »Und Vandenberg?«, fragte Straubinger.

      Müller sah ihn verdutzt an.

      »Die ›Akte Hürtgenwald‹, Heinrich Vandenberg. Wo ist er gestorben?«

      Müller runzelte die Stirn. »Tja, genau kann ich Ihnen das auch nicht …« Er fixierte noch einmal die Wandkarte und zeigte schließlich auf einen Punkt. »Also das hier ist der Parkplatz ›Buche 19‹«, murmelte er und fuhr mit dem Finger den Bachlauf nach Süden entlang, »hier unten, da etwa. Da muss das gewesen sein. Mitten im Gressenicher Wald.«

      Straubinger nickte und nahm noch einen Schluck.

      »Tun Sie mir einen Gefallen, HK Straubinger. Beißen Sie sich nicht zu sehr fest in die Sache», sagte Müller und schlenderte zur Tür.

      »Danke für den Kaffee!«, rief Straubinger ihm hinterher.

      Anja Schepp setzte sich an ihren Tisch und betrachtete die Karte. »Da lernt man in einer Minute mehr über seine Heimat als in drei Schuljahren Heimatkunde.«

      Straubinger sah sie ein paar Sekunden lang an. »Sagt Ihnen der Kupferhof Blumenthal etwas?«, fragte er schließlich.

      »Blumenthal? Ja sicher. Das ist das Stammhaus der Vandenbergs. Eine alte Villa. Mitten in Stolberg. Schönes Anwesen.«

      »Kupferhof? Was bedeutet das?«

      »Stolberg ist eine alte Kupferstadt. Steht ja auch auf allen Ortsschildern, Kupferstadt Stolberg.«

      »Und die Vandenbergs? Was sind das für Leute?«

      »Kupfermeister, reiche Industrielle.« Anja hob die Schultern. »Ich kenne sie nicht, nie gesehen. Irgendwie abgehoben, glaub ich. Was weiß ich? Hab in Heimatkunde nie so richtig aufgepasst.«

      Straubinger stutzte. Heinrich Vandenberg entstammte also einer reichen Industriellenfamilie. Und so jemand machte Holzarbeiten im Wald? Zu jener Zeit wurden die Klassenunterschiede noch viel deutlicher gelebt als heutzutage. Sehr geheimnisvoll, dachte Straubinger. Er nahm sich die Akte noch einmal vor und las. Dann stutzte er. »Anja, können Sie mal rausfinden, was eine ›Dolmar CP‹ ist?«

      »Wie?«

      »Dolmar CP«, wiederholte Straubinger.

      »Klar«, sagte sie, verdrehte die Augen, tippte etwas auf der Tastatur und starrte angestrengt auf den Bildschirm.

      »Ich hab’s! Die erste Einmann-Benzinmotorsäge weltweit trug den Namen Dolmar CP. Wurde 1952 in Deutschland erfunden.«

      »Hier im Polizeibericht steht, dass sich unmittelbar neben Heinrich Vandenbergs Leiche so eine befand.«

      »Ja, und?«, fragte Anja.

      Straubinger kramte das Bild hervor, auf dem die Leiche zu sehen war, und legte es Anja hin. »Sehen Sie irgendwo eine Kettensäge?«

      Anja sah sich das Bild an, verzog das Gesicht. »Nein, keine Kettensäge. Aber ganz schön heftig«, sagte sie leise und reichte Straubinger das Bild zurück über den Tisch.

      »So was machen Minen mit einem.«

      Heute war Freitag. Am Nachmittag, nach Dienstschluss, würde er diesen Kupferhof Blumenthal besuchen. Und anschließend, wenn noch Zeit blieb, würde er sich dieses Dorf einmal ansehen. Das befahl ihm einfach seine Neugier.

      *

      Kupferhof Blumenthal

      Gesäumt von kniehohen Mauern, endete die gepflasterte Einfahrt an einem prunkvollen Torbogen aus Blaustein. Zwischen den vorgelagerten Betriebsgebäuden und dem Torbogen spannten sich hohe Brüstungsgatter, die oben in Lilienspitzen endeten und das Überklettern unmöglich machten. Dahinter thronte ein mächtiger dreistöckiger Bau mit einer Fassade aus gelbrotem Sandstein, die von Simsen und Faschen aus demselben Blaustein gegliedert wurde, aus dem auch der Torbogen war. Eine Freitreppe mit kunstvoll gestaltetem Schmiedewerk und Zustiegen von rechts und links führte zu dem mächtigen Eingangsrisalit, der oben in einem klassisch dreieckigen Giebel abschloss. Das graue Blechdach und die beiden Schornsteinbauten aus rotem Ziegelmauerwerk verliehen dem Gebäude trotz seiner Pracht den Eindruck unprätentiöser Behaglichkeit.

      Straubinger war beeindruckt. Er sah auf die Uhr. 15.10 Uhr. Auf Viertel nach drei hatte er sich angemeldet. Nun stand er vor dem runden Blumenbeet aus Buchsbäumen und Rosensträuchern, das die Hofeinfahrt wie eine Verkehrsinsel teilte. Dahinter, am Fuß der Freitreppe, befand sich ebenfalls ein Beet mit unterschiedlichen Sträuchern und Pflanzen, flankiert von zwei weißen Puttenstatuen, die die beiden Treppenaufgänge bewachten. Hier schien alles seine klare Ordnung zu haben.

      »Wow, so möchte ich auch mal wohnen«, murmelte Straubinger und blickte an der Fassade empor zu der prachtvoll ornamentierten Schmuckfläche des Giebeldreiecks. Er bemerkte, dass er beobachtet wurde. Im zweiten Stock lugte eine Frau aus einem der weißen Sprossenfenster. Sie zog sofort ihren Kopf zurück und knallte das Fenster zu.

      Zwei Minuten später stand Gerhild Vandenberg in einem schwarzen Morgenmantel aus blumenbesticktem Samt vor ihm, der bis zum Boden reichte. Ihre Haare waren unter einer Samthaube versteckt, ihr Gesicht frisch geschminkt, knallroter Lippenstift, dunkler Lidschatten, leicht nachgezogener Augenbrauenstrich, und ihre Füße steckten in plüschbesetzten roten Pantoffeln. Am auffälligsten jedoch waren ihre wachen Augen. Einen Moment war es Straubinger so, als würde er in dem funkelnden Glühen ihres Blicks versinken.

      »Es ist Freitag, ich hab meine Fitnessübungen gemacht, komme gerade aus der Wanne, und Sie überfallen mich hier wie ein Kater eine Maus. Sie sind also der Hauptkommissar?« Ihre

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