Die Akte Hürtgenwald. Lutz Kreutzer

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Die Akte Hürtgenwald - Lutz Kreutzer

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      »Ja, aber Sie sind fünf Minuten zu früh«, schimpfte sie.

      »So ist es, Gnädigste, und ich habe Fragen an Sie, die sich kaum aufschieben lassen.«

      »Kaum, sagen Sie. Das heißt doch, sie lassen sich aufschieben«, gab sie barsch zurück. »Sehen Sie, es gibt immer eine Möglichkeit, wenn man sich bemüht.« Sie musterte Straubinger von oben bis unten. »Ach was, kommen Sie rein. Was soll’s.« Sie drehte sich um und ging voran ins Haus. »Und schließen Sie die Tür.« Ihr Trippeln auf dem Steinfußboden hallte wider wie in einem Kirchengebäude.

      Straubinger ging drei Schritte hinter ihr her. Plötzlich blieb sie stehen und drehte sich um. »Ich komme mir vor, als hätte ich einen … einen Mord begangen.« Dabei ließ sie ihre Arme in der Luft herumwirbeln.

      »Wer weiß.«

      »Oh, ich werde verdächtigt. Na, so was. Wen hat es denn erwischt?«

      »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen, die Ihre Vergangenheit betreffen.« Straubinger deutete auf einen der Stühle. »Darf ich mich setzen?«

      »Vergangenheit?« Sichtlich irritiert sah sie ihn an. Erst als Straubinger die Stuhllehne anfasste, bot sie ihm einen Platz an dem großen Holztisch vor dem offenen Kamin an. »Ja, natürlich, setzen Sie sich. Oder gehen wir vielleicht in den Garten?«

      Straubinger nickte und folgte ihr durch den nördlichen Gebäudeflügel. An den Wänden hingen Gemälde. Drei Bilder, nur Himmel und Wolken. Straubinger blieb fasziniert stehen.

      »Gefallen sie Ihnen?«, fragte sie mit verschränkten Armen neben ihm. »›Der Morgen‹, ›Der Mittag‹ und ›Der Abend‹.«

      »Ja, sie sind sonderbar. Leicht, verletzlich, und doch haben sie etwas Dräuendes, Eindringliches.«

      »Sehen Sie, Sie haben es verstanden.« Ihr Tonfall wurde sanfter. »Kunst, die nur schön sein will, hat die Bezeichnung Kunst nicht verdient. Kunst muss Sie innen berühren, ganz tief in Ihnen drin. Ansonsten ist sie sinnlos.« Gerhild Vandenberg lächelte. »Dieser Mann hat uns alle berührt. Ganz tief, tief in uns drin.«

      »Wer ist der Maler?«, fragte Straubinger.

      Sie hob den Zeigefinger an die Lippen und sagte leise: »Psst, das wird nicht verraten.« Dann wandte sie sich um und ging weiter. »Kommen Sie, wir gehen raus. Ich habe gerade einen Tee aufgebrüht. Mögen Sie Tee?«

      Straubinger nickte. Nach einer Minute kam sie zurück mit einem Tablett, darauf altenglisches Porzellan, ein kleines Sahnekännchen und eine Keksdose.

      Sie nahmen Platz an einem weißen Tisch und ebensolchen Stühlen, die aus Gusseisen gefertigt waren, der morgendliche Regen war abgetrocknet. Gerhild Vandenberg goss den Tee ein und bot ihm Shortbread dazu an.

      »Ein beeindruckendes Anwesen. Sagen Sie, wohnen Sie alleine hier?«

      »Es gehört der Vandenberg-Stiftung und ich habe das Wohnrecht, lebenslang.«

      Straubinger ließ seinen Blick schweifen. Ihm fielen die Holzskulpturen auf. Große Figuren, die ihn ein wenig an afrikanische Kunst erinnerten. »Wunderbar, Sie sind Liebhaberin afrikanischer Kunst?«

      Sie lachte. »Gefällt es Ihnen?«

      »Ja, sehr. Wunderschön.«

      Sie wirkte ein wenig verlegen. »Ich mach das selbst. Schnitzen, behauen, bemalen. Meine Leidenschaft. Mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen im Alter. Solange man noch kann.«

      Straubingers Blick fiel auf ein Nebengebäude, dessen Steinfassade zwar ebenso gepflegt wirkte wie der Rest der Anlage, dessen direkte Umgebung aber verwahrlost war. Keine gemähten Rasenflächen, keine Blumen, ungeputzte Fenster, und jede Menge Kinderspielzeug aus Plastik lag verstreut umher, ausgeblichen und teilweise kaputt. In einem Sandkasten aus angefaultem Holz spielten zwei unvorstellbar hässliche Bullterrier-Albinos, die an Ketten gelegt waren. Daneben stand ein verrosteter Blechgrill, an dem eine ebenso verrostete Grillzange hing.

      »Und wer wohnt dort?«

      »Das kann man nicht wohnen nennen«, schimpfte sie zischend. »Dort haust der Albtraum. Ich weiß nicht, wieso. Aber mein Onkel hat dieser Familie freies Wohnen eingeräumt, schon seit ewigen Jahren. Der Alte ist lange tot, aber nun wohnen sie in dritter Generation dort und sie werden nicht weniger, wie sie unschwer erkennen können. Ungebildetes und streitsüchtiges Volk!«

      »Wo sind sie denn alle? Sieht ja nach einem ganzen Klan aus.«

      »Sie hatten heute Morgen Streit. Danach setzte es Schläge. Wie so oft. Die Polizei kommt gar nicht mehr her, wenn ich sie anrufe. Jedes Mal haben die zusammengehalten wie Pech und Schwefel und mich der Lüge bezichtigt. Statt die Kinder zu beschützen, hat die Polizei mir Schwierigkeiten gemacht. Sollen sie sich die Köpfe einschlagen, mir ist es egal. Nach einer Stunde sind sie alle ausgelaugt und geben Ruhe.«

      »Und woher wissen Sie, dass sie sich nicht die Köpfe eingeschlagen haben?«

      »Weil der dreckige Kerl nach jedem Streit erst mal die beiden Kampf-Albinos vor die Tür setzt. Die machen mir echt Angst.«

      »Kann ich gut verstehen.«

      »Manchmal bedroht er mich damit und seine beiden Jungs, zehn und zwölf, sind auch nicht besser.«

      In dem Moment ging die Tür des Nachbargebäudes auf. Ein Hüne von einem Mann kam heraus und schnauzte irgendwas in Richtung der Hunde, sodass Gerhild Vandenberg zusammenzuckte. Aus dem Augenwinkel beobachtete Straubinger, dass er den Viechern ihr Fressen in einen Napf füllte.

      »Wie heißt der gute Mann?«, fragte Straubinger leise.

      »Das ist der Herr Dorenbusch.«

      »Dorenbusch?« Straubinger horchte auf. »Haben Sie etwas dagegen, wenn wir doch ins Haus zurückgehen? Wir sitzen ja irgendwie auf dem Präsentierteller.«

      »Wenn Sie das möchten. Ich traue mich ja gar nicht mehr in meinen Garten. Und ich hatte mich gefreut, dass ein Mann neben mir sitzt, damit dieser Unmensch dort sieht, dass ich nicht ganz hilflos bin.«

      Straubinger stellte beide Tassen auf das Tablett, nahm es, ging voran und setzte sich zurück vor den Kamin an den großen Holztisch. »Ich habe gestern eine alte Polizeiakte gelesen. Über den tragischen Tod Ihres Vaters im Jahr 1956. Dorenbusch, Hepp Dorenbusch, so hieß doch der Mann, der Ihren Vater damals gefunden hat.«

      Sie nickte und Straubinger glaubte zu sehen, wie ihr ein Schmerz der Erinnerung durch die Glieder fuhr. Ihre Fassade schien zu bröckeln. »Ja«, antwortete sie leise. Zitternd. »Das ist der Mann, der damals hier eingezogen ist mit seiner Familie. Und das da eben, das war sein Sohn Dieter Dorenbusch.«

      »Und Hepp Dorenbusch, er ist tot?«

      »Tsss«, zischte sie. »Ja. Er war ja ganz nett. Damals ist er spurlos verschwunden, wurde aber für tot erklärt, damit diese elende Sippe das Erbe antreten konnte!«, antwortete sie fast schnippisch und deutete auf das Haus gegenüber.

      »Wann ist er verschwunden?«

      »Warten Sie, ich muss nachdenken. Ich glaube, es war 1968, im Sommer. Ja, er ist nicht mehr aufgetaucht. Einfach weg.«

      »Und

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