Elbflucht. Klaus E. Spieldenner
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„Irgendwann wird er dich hassen, Sandra!“, grinste MikVit.
„Hauptsache, dich liebt er, und nun raus mit dem, was du recherchiert hast!“
„Gut“, der Kommissar zog einige Blatt Papier aus der Jackentasche. „Also, die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, umgangssprachlich Santa Fu genannt, ist ein Gefängnis, das ursprünglich in Hamburg-Fuhlsbüttel nach früheren Grenzverschiebungen heute in Hamburg-Ohlsdorf gelegen ist. Santa Fu ist eine reine Männeranstalt und beherbergt Häftlinge des geschlossenen Strafvollzugs und der Sicherungsverwahrung. Ich lese dir einfach mal den Ausdruck aus Wikipedia vor:
Das heutige Haus I wurde 1879 als „Zentralgefängnis“ für 800 Gefangene in Betrieb genommen. 1891 kam das heutige Haus IV als Anstalt für 350 weibliche Gefangene und 1892 das heutige Haus III als Anstalt für 115 jugendliche Gefangene hinzu. 1906 wurde das heutige Haus II als Anstalt für 726 männliche Gefangene in Betrieb genommen.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten stoppte das Vorhaben, die Fuhlsbütteler Anstalten abzureißen. Stattdessen wurde im März 1933 in Haus II das KZ Fuhlsbüttel eingerichtet, das bald in Haus IV verlagert, im September 1933 der SS übergeben und zum Kriegsende im April 1945 geräumt wurde. Hinzu kam vom 25. Oktober 1944 bis zum 15. Februar 1945 die Einrichtung eines Außenlagers des KZ Neuengamme in einem weiteren Gebäudeteil.
Ab 1945 diente die JVA Suhrenkamp als Gefängnis, die JVA Am Hasenberge (bis 1975) als Zuchthaus; die Anstalt Nesselstraße war dem Jugendvollzug gewidmet. 1979 wurde der Jugendvollzug in Haus IV geschlossen. 1983 wurde ein Werkhof eingerichtet. 1991 wurde Haus IV nach Renovierung wieder belegt. Im Juni 2003 wurden die bis dahin selbstständigen Teilanstalten Suhrenkamp, Am Hasenberge und Nesselstraße unter dem damaligen Justizsenator Roger Kusch als JVA Fuhlsbüttel unter einem Anstaltsleiter zusammengefasst. 2010 wurden die Häuser II und IV der JVA Fuhlsbüttel wieder zu selbstständigen Anstalten gemacht. Aus dem Haus IV ging die Sozialtherapeutische Anstalt Hamburg mit der Außenstelle Bergedorf hervor. Das Haus II blieb unter der Bezeichnung JVA Fuhlsbüttel. Das Haus I steht leer.“
Der Kollege schaute Sandra erwartungsvoll an.
„Gut abgeschrieben, Mikael!“
„Ausgedruckt!“, grinste Kommissar Mikael Vitthudt verlegen.
„Wie sieht es mit Zwischenfällen in der Haftanstalt aus?“
„1972 gab es eine große Knastmeuterei. Später, im Jahre 1990, eine weitere. Aber ich glaube, der Zeitraum liegt außerhalb unserer Ermittlungen.“ Er schaute die Kommissarin fragend an.
„Weiter!“
„In den Jahren danach wurde der Knast reformiert und so hatten die Insassen wohl nichts mehr zu meckern. Ich sage nur: Fitnesscenter und Swimmingpool!“ Vitthudt grinste.
„Bleib sachlich. Was hast du sonst noch? Wer sind die beiden Leichen?“
„Das kann ich natürlich nicht sagen, Sandra. Heute backt man dort für den Hamburger Bille-Bäcker Brötchen. Santa Fu ist ein kleiner, eigenständiger Backbetrieb geworden. Auch andere Knastprodukte – ,Heiße Ware‘ genannt – veräußert man – mit viel Erfolg.“
„Wie läuft die Bewachung?“
„Du meinst, wie viel Personal dort eingesetzt wird?“
Sandra nickte. Sie hatte den Stuhl etwas nach hinten geschoben und legte den Fuß auf eine ausgezogene Schublade.
„Ich meine, in der heutigen Tageszeitung etwas von zwölf Beamten beim Tagdienst und sechs in der Nacht gelesen zu haben. Aber das sollte sich anhand der Schichtpläne leicht herausfinden lassen.“
„Sonst noch etwas?“
„Das ist vielleicht nicht so interessant, aber man beabsichtigte, auf dem Gelände der Hamburger Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel Wohnungen zu bauen. Doch das konnte man bisher nicht umsetzen, da zwei frühere Hafthäuser aus Denkmalschutzgründen nicht abgerissen werden dürfen.“
„Dürftig!“ Sandra war heute nicht sehr gesprächig.
„Tut mir leid, ich hatte bisher ja noch wenig Zeit. Werde weitersuchen.“
Mit den Worten „Tu das!“ sprang Sandra auf und verließ ihr Büro.
Die Kommissarin war nach St. Georg gefahren und saß bei einem Milchkaffee auf einem Sessel im hinteren Raum ihres Lieblingscafés Gnosa. Sie hatte ihr privates Tablet vor sich, ein großes Blatt Papier, dazu einen Stift auf dem Tisch und ein schlechtes Gewissen. Zum einen befand sie sich noch innerhalb ihrer Arbeitszeit und zum anderen überprüfte sie die von der Anstaltsleiterin zugesandten Mails, die sie von ihrem Dienstrechner auf ihr privates Tablet umgeleitet hatte. In ihrem Büro fiel ihr immer mehr die Decke auf den Kopf. Auch hatte Sandra das Gefühl, dort herrschte ständig Durchgangsverkehr. Vielleicht hatte sie alles etwas schleifen lassen, und das war nun das Ergebnis.
Bei den Dateien handelte es sich um insgesamt zweiundsiebzig Stück an der Zahl. Aus dem Jahr 2007 bis zum heutigen Zeitpunkt. Jeweils der Schichtplan für den Tag und für die Nacht. In der Haftanstalt wurden die Schichten zweimal im Jahr zeitlich umgestellt. Sicher, um einer Routine entgegenzuwirken, vermutete die Kommissarin. Schon als sie vom Jahr 2009 auf 2010 wechseln wollte, bemerkte sie das Fehlen von Dateien. Das Jahr 2010 hatte auch Rechtsmediziner Fischer als vermutliches Todesjahr der beiden aufgefundenen Männer erklärt. Überhaupt spürte Sandra das Fehlen jeglicher Emotionen. Der Tod brachte sie sonst stets zur Raserei und sie ruhte nicht länger, bis der oder die Mörder hinter Schloss und Riegel saßen. Aber bei Leichen, die schon jahrelang in der Erde ruhten, vermisste sie das. So war es auch vor einigen Jahren bei den in Säcken gehüllten Überresten der Seeleute, die ein Taucher unter der Elbphilharmonie aufgefunden hatten. Sie konnte da innerlich nichts aufbauen. Trotzdem war es wichtig, die Schuldigen zu finden. Die Kommissarin wusste, dass sie auch in diesem Fall nicht eher ruhen würde, bis ihr Auftrag erledigt war. Aber völlig ohne Emotionen – und das war eigentlich eine gute Herangehensweise.
Nach dem dritten Milchkaffee und einem Stück Himbeertorte hatte Sandra das Blatt Papier vollgeschrieben mit Zahlen und Statistiken. Ihr war aufgefallen, dass man die Haftanstalt Fuhlsbüttel anfänglich mit einem Stamm von bis zu zwanzig Beamten am Tag und zwölf Beamten in der Nacht bewacht hatte. Diese Zahl hatte sich Jahr für Jahr um fast eine Stelle reduziert. Mik hatte recht, heute befanden sich noch zwölf Männer in der Tag- und sechs in der Nachtschicht von Santa Fu. Sicher waren das nur reine Schließer. Im Tagdienst arbeiteten zusätzliches Küchenpersonal, Ärzte sowie Mitarbeiter der Verwaltung. Aber dennoch fand sie sechs Männer nachts, trotz der eingeschlossenen Häftlinge, als sehr überschaubar. Aber wenn es denn funktionierte. Anhand der Namen der Strafvollzugsbeamten ließ sich auch erkennen, dass um das Jahr 2010 herum eigentlich alle damaligen Beamten ausgetauscht wurden. Von einem Jahr auf das andere fanden sich in den Schichtplänen neue Namen und inzwischen waren auch von diesen zwölf Beamten nur noch sechs im Dienst. Schon eine gewaltige Fluktuation, fand die Kommissarin. Vermutlich waren die anderen versetzt worden oder in den Ruhestand gewechselt. Aber das würde noch zu klären sein. Nur die fehlenden Jahre 2009 und 2010 verursachten bei ihr leichte Magenbeschwerden. Wer waren die beiden Toten? Sie war noch kein Stück weitergekommen.
„Immerhin,