Elbflucht. Klaus E. Spieldenner
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„Gibt es Wachhunde hier in der JVA?“, überraschte sie Frau Lönderer mit der Frage.
Die Frau war abrupt stehen geblieben und schaute ihr Gegenüber fragend an: „Wachhunde? Nein, wie kommen Sie auf die Idee? Das fehlte mir noch!“
Die Kommissarin nickte und zückte ihr Handy. Dann drehte sie sich um und begann einige Fotos der Umgebung zu machen.
„Hallo, Frau Holz, es ist Ihnen nicht gestattet, hier ohne meine Genehmigung zu fotografieren!“, meinte die Leiterin der Haftanstalt schnippisch.
Sandra ließ sich nicht beirren und machte schnell noch ein Panoramafoto der Gefängnisanlage. Dann drehte sie sich zu der erstaunt blickenden Frau um.
„Hören Sie, Frau Lönderer, wenn ich hier fotografiere, um herauszubekommen, welches die Umstände waren, die zum Tod der beiden Menschen geführt haben, tue ich das. Aber ich sende Ihnen gerne einen Abzug der Fotos. Denn hätten Sie Ihren Job richtig gemacht, müsste ich nicht mitten in der Nacht hier auf schlechtem Untergrund meine hellen Sneakers verschmutzen!“
Frau Dr. Lönderer war erneut stehen geblieben, und Sandra war klar, sie rang nach Atem.
„Aber nichts für ungut. Ich komme morgen vorbei, dann sparen Sie sich die Vernehmung im Landeskriminalamt. Sagen wir vierzehn Uhr?“
Die Kommissarin wartete nicht ab, sondern schloss schnell zu Kriminalrat Jensen auf, der schon das Vollzugsgebäude erreicht hatte.
Draußen vor dem Tor der JVA Fuhlsbüttel hatte der Aufzeichnungswagen eines Privatsenders die Zufahrt versperrt. Sandra saß im Wagen ihres Chefs, und obwohl Jensen hupte, was das Zeug hielt, war zunächst kein Durchkommen. Menschen mit großen Kameras und Mikrofonen standen umher und witterten ihre Chance auf eine Sensation.
„Würdest du das bitte übernehmen?“, bat Jensen die Kollegin, und Sandra öffnete die Wagentür etwas. Sofort streckte sich der haarige Windschutz eines Mikrofons direkt vor das Gesicht und es ekelte sie. Sandra schlug danach und das Mikrofon polterte zu Boden.
„Sind Sie noch ganz bei Trost?“, rief eine Frauenstimme und Sandra schaute in die wachen Augen einer Frau, die aus der Hocke kam, das Mikro in der Hand. Sie besaß einen selbstbewussten Blick und dazu einen Schopf voller rötlicher Locken.
„Glauben Sie, ich habe am frühen Morgen Lust auf ein Fellfrühstück?“
Sandra musste lachen und auch die Journalistin fiel ein.
„Entschuldigen Sie, man hat mich etwas geschubst. Ich bin Marlies von Hagen, Moderatorin des Hamburger SzeneMagazin!“
„Alles gut!“, entgegnete Sandra. Der Name von Hagen kam ihr bekannt vor. Das war doch diese Journalistin, die überall rumschnüffelte und in ihrer Hamburger Sensationsgazette nur Mist berichtete! Am liebsten schrieb sie wohl – so Sandras Informationen – Klatsch und Tratsch und Unwahrheiten über die Hamburger Promi-Szene.
„Ich bin todmüde, Frau von Hagen. Ich besitze wenig Informationen, beantworte keinerlei Fragen, kann Ihnen aber Folgendes mitteilen: Es handelt sich um einen Leichenfund. Zwei Personen, wie alt, wie groß, wie lange: Keine Ahnung! Sie wurden bei Bauarbeiten auf dem Sportplatz der Haftanstalt aufgefunden. Wir klären heute ihre Identität und so schnell wie möglich die Umstände, die sie in diese Grube gebracht haben. Und nun machen Sie bitte alle die Straße frei, bevor ich einen Abschleppwagen rufe.“
Sandra hatte nach ihrer Rückkehr noch zwei Stunden tief und fest geschlafen, dann eine kalte Dusche genommen und anschließend zwei Espresso ex getrunken. Ein Croissant, das Caro übrig gelassen hatte, in der Hand, war sie zum Hauptbahnhof spaziert. Ihre Gedanken waren bei dem morgendlichen Leichenfund. Das war doch unglaublich: Zwei Leichen, vergraben auf dem Sportgelände einer Haftanstalt. Und nicht vor hundert Jahren, sondern noch in diesem frischen Jahrhundert. Sie hatte schon vieles erlebt und noch mehr erfahren dürfen, aber das war sicher das Seltsamste, was sie je bearbeiten musste.
In ihrem Büro angekommen, warteten schon die Kollegen Emma Meyfeld und Mikael Vitthudt in Sandras Büro auf die Kommissarin. Emma hatte die Füße auf deren Schreibtisch abgelegt und machte beim Eintreten ihrer Vorgesetzten keinerlei Anstalten, dies zu ändern. Erst wollte Sandra ihre Kollegin zurechtweisen, ließ es dann aber und setzte sich auf einen Sessel an den kleinen Tisch.
„Sandra, erzähle, wir kommen um vor Neugierde. Der NDR überschlägt sich mit Meldungen aus Santa Fu.“
Sandra stand auf und schenkte sich aus der Thermoskanne auf der Fensterbank einen Kaffee ein.
„Oh komm, bitte lass uns nicht hängen!“
„Ihr werdet schon noch früh genug Arbeit bekommen!“, erklärte die Kommissarin zwischen zwei Schluck heißen Kaffees.
„Also, es gab diesen Fund auf dem Sportplatz gestern. Arbeiter sind auf die beiden Leichen gestoßen, als sie die Sprunggrube ausbaggerten. Es scheint, dass die Tagschicht der JVA Fuhlsbüttel den Vorgang verschleiern wollte. Ein Baggerfahrer hat es aber dann angezeigt. Ich war am frühen Morgen da!“ Als Zeichen ihrer anhaltenden Müdigkeit gähnte Sandra in eine Handfläche.
„Rechtsmediziner Fischer war auch da, konnte aber noch wenig zur Aufklärung beitragen. Die Leiterin der Anstalt – eine Frau Lönderer – wusste nichts bis gar nichts. Kriminalrat Jensen war schon vor mir eingetroffen. Ach ja, auch die Presse war früh auf den Beinen. Was soll ich sonst noch erzählen?“
„Gibt es keine Vermutung vonseiten der Anstalt?“, wollte Kommissar MikVit wissen.
„Nein, das müssen wir alles heute klären. Um vierzehn Uhr findet die Vernehmung der Beamten statt. In Santa Fu. Wo ist Soko?“ Sofort fiel Sandra ein, Oberkommissar Sokolowski war ja noch bis zum Ende der Woche in Urlaub. Das war schade, Soko war – was die Recherche anging – ihr erfahrenster Kollege.
„Also hier eure Aufträge: Mik, du beschaffst jegliche Infos über die JVA. Wann erbaut, besondere Vorfälle dort, die Namen und Zeiten aller Anstaltsleiter, vermisste Häftlinge, Ausbrüche, das ganze Programm. Alles klar?“
MikVit hatte alles auf einen Zettel geschrieben und nickte.
„Emma, du bist die einzige Hamburgerin im Team, fange mir bitte die Stimmung in der Haftanstalt Fuhlsbüttel ein. Frage bei den Kollegen der Schutzpolizei Fuhlsbüttel nach irgendwelchen Ungereimtheiten in Santa Fu. Du machst das schon.“
„Du fährst wohl in die Rechtsmedizin, Sandra?“
„Nein, Emma. Die werden wohl heute wenig ausrichten. Ich fahre nochmals nach Fuhlsbüttel. Habe ein Date mit dieser Frau Lönderer und ihren Beamten.“
Der Beamte im allgemeinen Vollzugsdienst an der Pforte der JVA hatte gute Laune. Er war sogar zu Scherzen aufgelegt, während er Sandras Waffe entgegennahm. Doch kein Wort fiel über die beiden Leichen, die wenige Hundert Meter von ihnen aufgefunden worden waren. Sicher lagen sie inzwischen in der Rechtsmedizin im Butenfeld und Dr. Fischer war voll bei der Untersuchung der Knochen. Aber war Fischer nicht heute in Stuttgart? Sandra fielen die Worte des Rechtsmediziners vom frühen Morgen ein. Gut,