Baltrumer Dünensingen. Ulrike Barow
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Читать онлайн книгу Baltrumer Dünensingen - Ulrike Barow страница 9
Sie schaute auf die Uhr. »Meine Mitstreiter beim Heimatverein brauchen dringend Hilfe. Herbert hat versprochen, meine Karten zu verkaufen. Wir waren am gleichen Tisch. Er hat Bernstein angeboten. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, dort wieder aufzutauchen. Es hat sich bestimmt schon rumgesprochen, was passiert ist.«
»Davon kann man ausgehen«, sagte Röder. »Bei der Beantwortung von Fragen seitens Neugieriger solltest du dich zurückhalten. Noch wissen wir nichts.«
»Meinst du, ich gehöre hier zu den Tratschtanten?« Empört schlug sie mit der Faust auf den Tisch. »Da solltest du mich besser kennen!«
»Beruhige dich. Habe ich nicht so gemeint. Aber du weißt, dass es hartnäckige Menschen gibt.«
»Ich weiß«, seufzte sie, »aber darum ist es umso wichtiger, dass ich mich dort blicken lasse, um Änne aus dem Schussfeld zu nehmen. Die wird bestimmt mit Fragen überhäuft und weiß gar nicht, worum es geht.« Wieder schaute sie auf die Uhr. »Wie gut, dass mein Neffe Johannes heute kommt. Der kann uns unterstützen.«
Der Inselpolizist war sich nicht sicher, ob diese Aussage seine Zustimmung fand. Trotzdem nickte er. »Geh und kläre die Lage. Herr Gebert bleibt hier, während ich die Kollegen vom Flugplatz abhole. Komm bitte so schnell wie möglich wieder. Wir brauchen hier deine Anwesenheit.«
Er kannte Ännes Sohn Johannes kaum. Der Mann hatte bereits die Insel verlassen, als er, Röder, seine Arbeit auf der Insel angetreten hatte. Das Einzige, was er kannte, war dessen Akte. Johannes Paulsen war vorbestraft. Er hatte, nach seiner Aussage, jemanden bei einem Einbruch erwischt und aufgehalten. Allerdings konnte dem Opfer der Einbruch nie nachgewiesen werden, und das Aufhalten hatte so ausgesehen, dass Paulsen dem Mann einiges an Schlägen verpasst hatte, bevor er von zwei Kumpels zurückgehalten worden war. Es war das erste Verfahren gegen ihn, daher war die Strafe relativ glimpflich ausgefallen. Dass Paulsen jedoch gerne mal wütend reagierte, besonders, wenn Alkohol im Spiel war, war auf der Insel bekannt. Und auch, dass sowohl Änne, seine Mutter, als auch Meta eisern zu ihm hielten. Wehe, wenn einer was Böses über Johannes sagte, dann war es vorbei mit der Freundschaft.
Er winkte Daniel zu und stieg auf sein Rad. Sein Chef hatte zugesagt, dass die Kollegen in Kürze eintreffen würden. In gut zwei Stunden sollten dann Benedikt und Martens auf dem Revier erscheinen. Er war gespannt, was sie zu sagen hatten. Und dann? Ja, dann war bald schon Abend und es stand Boogie -Woogie auf dem Programm. Bis vor ein paar Tagen hatte er sich nicht einmal darüber Gedanken gemacht, wie weit sich eine Hüfte zum Takt der Musik schwingen ließ. Jetzt wusste er es. Ziemlich weit. Zumindest so weit, dass die Tanzlehrerin ihm am ersten Abend einen bewundernden Blick zugeworfen hatte, als Sandra und er die Tanzfläche dominiert hatten. Er grinste. Vielleicht hatte er den Blick aber auch verkehrt verstanden und es war doch mehr Mitleid gewesen. Mitleid mit Sandra. Sein Muskelkater am nächsten Tag zeugte jedoch davon, dass er sein Bestes gegeben hatte. Und genau das würde er heute Abend wieder machen, weil er einfach nicht drumherum kam. Wenn nicht, ja, wenn nicht dringende Ermittlungen sein Erscheinen erforderten. Außerdem – was war mit seinem Knöchel? Zu seinem Bedauern schmerzte er nicht mehr, also fiel dieser Grund für einen Rückzieher aus. Aber das konnte Sandra schließlich nicht wissen.
Er holte die Wippe, die neben dem Gartenhäuschen links von der Wache auf ihren Einsatz wartete, und fuhr weiter zum Flugplatz. Gerade stieg eine einmotorige Maschine auf. Es war erstaunlich, wie sich die Menge der Starts und Landungen in den letzten Jahren vervielfacht hatte. Im Sommer war es inzwischen völlig normal, dass bis an die 20 Maschinen neben dem Rollfeld standen, während die Piloten sich am Strand oder in einem der Cafés tummelten. Wiederholt hatte es bereits Proteste seitens der Anwohner gegeben, aber bis jetzt gab es keinerlei Einschränkung des Flugbetriebes. Er stellte sein Rad ab und ging zu dem Container, der als Tower diente.
Melanie, die für den reibungslosen Ablauf auf dem Rollfeld verantwortlich war, empfing ihn freundlich. »Zehn Minuten, dann ist er da. Was ist passiert?«
»Ein Todesfall, der näher untersucht werden muss«, sagte er. Mehr musste sie nicht wissen. Sie fragte nicht weiter nach. Er verließ den Tower, setzte sich auf die Bank und ließ sich die Sonne auf die Nase scheinen. So viel Zeit musste sein. Als der Hubschrauber landete, wäre er am liebsten sitzengeblieben. Aber seine Kollegen warteten.
Martin Brinkmann und sein Kollege Lars Haltegrund begrüßten ihn freundlich. »Ist es wieder mal soweit? Was liegt an? Wieder ein Toter auf dem Friedhof?«
»Gemach, liebe Freunde. Nein, diesmal liegt ein toter Künstler in einer Galerie und wartet auf eure Begutachtung. Schön, dass ihr so schnell kommen konntet«, sagte Röder.
»Reiner Glücksfall«, erklärte Brinkmann. »Wir kamen von einem anderen Einsatz auf eurer Nachbarinsel. Wir saßen im Hubschrauber und sind gleich weitergeschickt worden.«
Sie packten ihren Untersuchungskoffer in die Wippe. Auf dem Weg zur Galerie berichtete der Inselpolizist, was es an Erkenntnissen gab. »Wir haben den Fundort so weit wie möglich unberührt gelassen. Wenn ihr fertig seid, veranlasse ich, dass der Leichnam ans Festland kommt.«
»Gut, dann man los.« Martin Brinkmann zog seine Jacke aus. »Ganz schön warm hier. Auf Norderney war es kälter.«
»Übernachtet ihr hier? Dann muss ich ein Zimmer besorgen.« Röder überlegte, ob sie auf dem Weg zum Einsatzort beim Hotel Sonnenstrand anhalten sollten. Henning und Birgit Ahlers machten es immer möglich, für Einsatzkräfte der Polizei einen Raum zur Verfügung zu stellen. Und das seit – er überlegte – seit 14 Jahren. Auch den Klubraum überließen sie der Polizei, wenn er nicht durch Bridgespieler oder andere Vereine belegt war. Dort war einfach mehr Platz als auf der kleinen Wache.
»Wir gehen erst einmal nicht davon aus. Wir haben in Aurich jede Menge zu tun und möchten nach Inaugenscheinnahme gerne wieder ans Festland fliegen«, sagte Martin.
»Schade, sonst könntet ihr meinen Tanzkurs übernehmen.« Michael Röder erzählte den beiden, was es damit auf sich hatte. Dass die ganze Woche unter dem Motto »70er« lief.
Lars lachte. »Nichts lieber als das. Tausche Mord gegen Musik. Kein schlechter Gedanke.«
»Ihr könnt es euch überlegen«, schlug der Inselpolizist vor, »aber erst einmal müsst ihr eure Arbeit erledigen. Wir sind da.« Er öffnete die Haustür, und gleich darauf stand Meta Paulsen vor ihnen. Diesmal ohne Tracht.
»Kommt rein«, sagte sie nur.
»Schlage vor, ihr schaut euch zunächst im Laden und im Büro um, damit wir den Toten wegbringen können. Dann steht das Zimmer des Mannes an.« Röder ging voraus und machte Martin Brinkmann und Lars Haltegrund mit Daniel Gebert bekannt. Die beiden Männer vom Kriminaldauerdienst begannen mit der Arbeit. Die Lage des Toten, jede offene Schublade und alles, was sie auf dem Schreibtisch fanden, wurden peinlich genau abgelichtet und archiviert. Sie tüteten den Böller ein, nahmen Fingerabdrücke und verstauten alles in ihrer großen Kiste. Dann nickte Martin Brinkmann den Baltrumer Kollegen zu. »Hier wären wir soweit. Veranlasst ihr den Abtransport? Wir gehen dann schon einmal nach oben.«
»Alles klar«, sagte Röder. »Daniel, nimmst du Kontakt mit der Ärztin und Axel Meinders, dem Feuerwehrchef, auf? Wenn zeitnah eine Fähre geht, kann der Tote damit ans Festland gebracht werden, ansonsten muss der Hubschrauber her.«
»Wird erledigt.«
Die drei Männer ließen sich von Meta Paulsen das