Ein neuer Anfang für die Liebe. Susan Anne Mason
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Ein Unheil verkündendes Schaudern erfüllte Quinn. „Warum klingt das, als bedeutet es nichts Gutes?“
Da sah Mrs Chamberlain zu Quinn. „Das Haus an sich ist nicht das Problem. Den Kindern geht es dort gut. Problematisch wird es meist erst da, wo man sie als Nächstes hinvermittelt.“
„Warum?“, hakte Quinn nach und stellte sein nun leeres Glas auf dem Korbtisch neben sich ab.
„Die meisten Kinder werden an Farmen aus der Gegend vermittelt, um dort zu arbeiten. Das ist kein einfaches Leben. Und leider werden viele von ihnen noch schlechter behandelt als das Vieh in den Ställen.“
„Woher wissen Sie das alles?“
Mit starrem Blick sah sie nach vorn und einen Augenblick lang dachte Quinn, sie hätte seine Frage gar nicht wahrgenommen. Aber dann wandte sie sich wieder an ihn. „Vor vielen Jahren sind meine Schwester und ich mit ebenso einem Schiff zusammen mit vielen anderen Kindern nach Kanada gekommen. Uns zwei hat man in das Mädchenheim in Peterborough gebracht.“
Sogleich erstarrte Quinn auf dem Stuhl. „Dort wurde auch meine Schwester hingeschickt.“
Sanft legte Mrs Chamberlain eine Hand auf die von Quinn. „Ich bete, dass Ihre Schwester bessere Erfahrungen macht als Annie und ich“, sagte sie und Tränen traten in ihre Augen. „Ich habe es lebend herausgeschafft. Meine Schwester traurigerweise nicht.“ Dann presste sie die Lippen zusammen und suchte in ihrer Schürzentasche nach einem Taschentuch.
„Das tut mir sehr leid“, bekundete Quinn und sein Hals schnürte sich zu. „Wie alt waren Sie damals, wenn ich fragen darf?“
„Ich war neun. Meine Schwester zwölf. Wir haben gekämpft, um nicht voneinander getrennt zu werden, aber niemand wollte zwei Mädchen auf einmal aufnehmen. Also haben sie uns auf unterschiedliche Farmen vermittelt, Hunderte Meilen voneinander entfernt.“ Sie knüllte das Taschentuch in den schwieligen Händen zusammen. „Es war schrecklich hart. Noch vor der Dämmerung mussten wir aufstehen und alle Morgenarbeit erledigen – Kühe melken, Eier einsammeln, Holz klein hacken, um damit das Feuer für den Herd anzuzünden. Aber immerhin waren die Farmer, die mich aufgenommen haben, einigermaßen anständig. Nicht wie bei Annie.“
„Man hat sie nicht gut behandelt?“ So ungern er nachfragte, so sehr fürchtete er die Antwort.
Mrs Chamberlain schüttelte den Kopf. „Zweimal ist Annie abgehauen, aber jedes Mal hat die Polizei sie wieder zurückgebracht. Es schien sie nicht zu kümmern, woher all die blauen Flecken an ihrem Körper stammten. Der Farmer hat den Polizisten erklärt, sie wäre ungehorsam gewesen und hätte die Strafe verdient. Und sein Wort hat ihnen genügt.“ Die alte Dame tupfte sich die Augen ab. „Wenn das doch bloß der schlimmste Teil gewesen wäre …“
Quinn warf Jonathan einen Blick zu, da er bisher nichts gesagt hatte. Der Ausdruck von Abscheu auf dessen Gesicht spiegelte Quinns eigene Gefühle wider. „Ist sie unter der Hand des Farmers gestorben?“, fragte Quinn leise.
„Nicht direkt, aber es ist dennoch seine Schuld. Er hat sie nicht nur schlecht behandelt, er hat sie auch geschwängert.“ Sie hielt inne. „Und dann hat Annie sich erhängt. Sie war erst fünfzehn – das war einfach alles zu viel für sie“, erklärte Mrs Chamberlain, während eine Träne ihre Wange hinunterlief. „Ich weiß, dass ich nicht viel für sie hätte tun können. Aber ich wünschte, sie hätte sich wenigstens nicht so allein gefühlt. Ohne eine andere Wahl.“
Quinn schüttelte den Kopf und die Limonade begann ihm sauer im Magen zu liegen. „Ihr Verlust tut mir schrecklich leid. Ich hoffe und bete, dass es meiner Schwester besser ergeht.“
„Das tue ich auch“, erwiderte sie und sammelte sich wieder. „Vielleicht haben sich die Bedingungen über die Jahre hinweg zum Besseren gewendet. Nichtsdestotrotz schadet es nicht, auf das Schlimmste gefasst zu sein.“
Mit einem Nicken stand Quinn auf. „Nun, ich habe bereits genug Ihrer Zeit in Anspruch genommen. Am besten mache ich mich jetzt auf die Suche nach dem CVJM, bevor es zu spät wird. Haben Sie vielen Dank für die Limonade – und den Rat.“
„Gern geschehen! Oh, Sie brauchen noch die Adresse“, sagte Mrs Chamberlain, stand ebenfalls auf und holte ein Stück Papier aus der Schürze hervor. „Die habe ich Ihnen eben schon aufgeschrieben. Genau wie die vom Red Triangle Club, der gehört auch zum CVJM, beherbergt aber vermehrt Soldaten. Er ist etwas weiter weg und war in letzter Zeit oft ausgebucht. Ich denke, die Herberge auf der College Street ist die bessere Wahl“, erklärte sie und gab ihm das Papier. „Wenn Sie dort kein Zimmer finden, lassen Sie es mich wissen. Dann werde ich Pastor Burke fragen, einen Freund, ob er nicht ein Gemeindemitglied kennt, das Sie vorübergehend bei sich aufnehmen kann. Und ich lade Sie herzlich zu unserem Gottesdienst am Sonntag in der Holy Trinity Church ein. Sehr viele aus der Gemeinde kommen ursprünglich aus England, Sie werden sich also wie zu Hause fühlen.“
„Vielen Dank, Madam. Ich behalte es im Hinterkopf.“ Mit einem Lächeln steckte er das Papier ein und spürte, wie ein wenig Anspannung von ihm abfiel, zum ersten Mal, seit er England verlassen hatte. Vielleicht war er doch nicht ganz auf sich allein gestellt auf dieser Reise.
Den ganzen Abend über nahmen Quinten und seine Geschwister Harriets Gedanken ein. Während des Abendessens mit ihren Mieterinnen gelang es ihr nur mäßig, die Unterhaltungen am Tisch mitzuverfolgen. Und nun, nachdem in der Küche und im Speisezimmer alles aufgeräumt und erledigt war, saß Harriet in ihrem Lieblingssessel, schlug ihre Bibel auf und versuchte so, die Kontrolle über ihre Gefühle zurückzugewinnen.
Und doch kehrten ihre Gedanken immer wieder zurück zu Quinten und der Suche nach seiner Familie. Umso fester umklammerte sie die Bibel mit Lederumschlag. Die Geschichte dieses jungen Mannes hatte in ihr all die Sorge und Verzweiflung ihrer Kindheit wieder aufgeweckt – Gefühle, die sie längst hinter sich gelassen zu haben glaubte. Die Angst und Einsamkeit, die damit einhergingen, die Eltern verloren zu haben und weggeschickt worden zu sein, die Trauer, von ihrer lieben Schwester getrennt worden zu sein, und schließlich der tragische Verlust von Annie.
Es war offensichtlich, dass sie sich nur vorgemacht hatte, all dies bereits verarbeitet zu haben. Sehr lange hatte sie mit Annies Selbstmord gehadert. Erst die vielen Gespräche mit unterschiedlichen Pastoren hatten über die Jahre hinweg geholfen, Verständnis für Annies Tat zu erlangen und Frieden damit zu schließen. Und obgleich sich eine Kruste über der Wunde gebildet hatte, hatte es nicht viel Kratzen gebraucht, bis sie erneut blutete.
„Ist alles in Ordnung, Harriet?“ Pastor Burkes tiefer Bariton rüttelte sie aus ihren Gedanken auf.
„Geoffrey. Ich habe dich gar nicht Klopfen gehört.“
Mit einem Lächeln betrat er die Stube. „Offensichtlich nicht. Deshalb habe ich mich selbst hereingelassen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.“
„Überhaupt nicht. Du weißt doch, du bist hier immer willkommen“, begrüßte sie ihn, legte die Bibel beiseite und stand auf. „Ich setze uns eine Kanne Tee auf.“
Doch Pastor Burke kam auf sie zu und legte eine Hand auf Harriets Schulter. „Der Tee kann warten. Wieso erzählst du mir nicht zuerst, was dir so schwer auf der Seele liegt?“, fragte er mit einem aufrichtig besorgten Blick.
„Ach, es ist nichts. Wirklich. Ich bin nur gerade eine törichte alte Frau, die sich in Erinnerungen verliert, die