Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7. Inger Gammelgaard Madsen
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Читать онлайн книгу Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7 - Inger Gammelgaard Madsen страница 11
„Wer bringt die ins Land?“, fragte Anne und schauderte, als eine pelzige Vogelspinne aus einer leeren Haferflockenpackung flüchtete, die auf dem Boden lag und umgekippt war. Die Spinne flitzte hinter eine E-Gitarre, die auf einem Ständer in der Ecke stand, wo das Tierchen anscheinend sein Nest hatte. Anne blieb zusammen mit Mikkel, Isabella und den Biologen vorsichtshalber auf der Treppe.
Ein Techniker ging in die Hocke, um sich die Mumie näher anzuschauen. Draußen auf dem Hof knallte eine Autotür zu, und kurz darauf kam Natalie Davidsen mit ihrer Tasche in der Hand und steckte auch bereits einsatzbereit in ihrem Schutzanzug. Sie hielt in der Türöffnung inne, aber ihr Gesicht zeigte eher Erstaunen als Entsetzen. Als Rechtsmedizinerin hatte sie wohl bereits einiges gesehen, auch wenn sie zu der jüngeren Generation in der Branche gehörte. Sie grüßte nur kurz und ging neben dem Techniker in die Hocke. Gedämpft sprachen sie miteinander. Anne spitzte die Ohren, konnte aber nichts von dem hören, was sie sagten. Es geschah nicht jeden Tag, dass sie sich im gleichen Raum wie die Kriminaltechniker und die Rechtsmedizinerin befand. Schon gar nicht, während sie mit einer Leiche arbeiteten, aber keiner der beiden Beamten sagte etwas. Sie waren zu sehr von dem in Anspruch genommen, was vor sich ging. Nicht einmal, als sie diskret die Kamera herausholte, sagten sie etwas, obwohl sie garantiert jedes Mal, wenn sie auf den Auslöser drückte, das Klicken hörten.
„Wie lange ist er schon tot?“, fragte Mikkel.
„Ich vermute ungefähr vierzehn Tage, aber du weißt, dass ich das nicht genau sagen kann, bevor ich ihn auf dem Tisch hatte“, meinte Natalie.
„So lange! Wieso hat ihn niemand entdeckt?“, sagte Isabella.
„Er hatte keinen Kontakt zu den Nachbarn“, erklärte Anne.
„Woher wissen Sie das?“ Isabella schaute sie misstrauisch an.
„Wir müssen ihn wegschaffen“, unterbrach Natalie und stand auf. „Wir können nicht gleichzeitig diese Tiere weghalten und arbeiten.“
„Was machen wir anschließend damit? Das Ganze vergasen?“
„Nein!“ rief Freddy aufgebracht. „Wir nehmen das meiste mit.“
„All das da draußen lassen wir töten“, sagte Mikkel bestimmt und machte eine ausladende Geste über das Gebiet hinter dem Haus in Richtung Wald beim Sägewerk. „Die könnt ihr ja unmöglich alle einsammeln und wir können nicht zulassen, dass sich hier Giftspinnen vermehren.“
„In unserem Klima überleben sie draußen nicht besonders lange, und …“ Freddy ergab sich, als ob er der Wirklichkeit ins Auge sähe. „Wenn wir fertig sind, können Sie mit dem Rest machen, was Sie wollen. Aber nicht vorher!“, insistierte er.
„Okay, okay!“ Mit einem kleinen Lächeln und einem leichten Kopfschütteln folgte Mikkel Isabella nach draußen. Er hatte seine Hand beschützend auf ihren Rücken gelegt. Sie waren ja auch ein Paar.
Der Himmel hatte sich zugezogen und Wind war aufgekommen. Das fühlte sich sehr befreiend an. Anne stand direkt hinter den Beamten und konnte problemlos ihr Gespräch mit der Rechtsmedizinerin mithören; es war, als hätten sie völlig vergessen, wer sie war.
„Untersuchst du ihn näher oder steht die Todesursache fest?“, wollte Mikkel wissen.
„Nichts steht fest“, antwortete Natalie und zog die Handschuhe aus. „Ich muss herausfinden, was die genaue Todesursache ist. Wir wissen ja nicht, ob er bereits tot war, als seine Untermieter angefangen haben, ihn einzuspinnen. Ein Verbrechen kann nicht einfach ausgeschlossen werden.“
„Okay. Hast du einen Leichenwagen gerufen?“
Natalie bestätigte mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln. Mikkel sprach auch mit ihr, als ob sie selbst nichts auf die Reihe kriegen würde. Anne fragte sich, ob er schon für Benito übernommen hatte, so, wie er sich aufführte.
Sie warteten in der Sonne auf dem Hof, von dem der tote Dachs entfernt worden war, aber der Geruch hing noch in der Luft. Freddy meinte, er sei an dem tödlichen Biss von einer der Schwarzen Witwen gestorben.
Kurz darauf bog der Krankenwagen vor dem Haus ein. Anne konnte wieder Fotos machen, als sie den Toten in einem Leichensack hinaustrugen.
„Du kontaktierst mich, sobald du etwas weißt, ja?“, bat Mikkel Jensen, als der Krankenwagen gefahren war.
Natalie nickte und stieg in ihr Auto. Sie fuhr als Erste, kurz darauf parkten Mikkel und Isabella rückwärts aus auf den Feldweg. Das Auto verschwand den Viborgweg hinunter. Die Techniker arbeiteten weiter, während die Biologen ungeduldig warteten.
„Da kannst du’s sehen“, sagte Freddy.
„Was?“
„Dass es zu einem Mord gekommen ist.“
„Ja, und sogar eher, als wir damit gerechnet haben.“
Endlich gaben die Techniker den Biologen die Erlaubnis anzufangen und fuhren mit ihrem eingesammelten Material zurück.
Anne hatte das Gefühl im Weg zu stehen, aber es war schwer, sich loszureißen und zurück in eine leere Redaktion zu fahren. Freddy war dabei, kleine Behälter mit Eiern und Ungeziefer in Kisten in seinem Auto zu arrangieren.
„Wer kann ihn mit all diesen Tieren versorgt haben? Die kann man doch wohl nicht in einer normalen Zoohandlung kaufen?“, fragte sie.
„Einige davon schon. Die ungiftigen. Zum Beispiel die kleinen Echsen, wie diesen Eublepharis macularius hier – ein Leopardgecko.” Er deutete auf eine durchsichtige Plastikkiste, in der eine kleine, ungefähr 15 Zentimeter große Echse mit gelben Flecken saß.
„Sieht aus, als ob die Schlangen einige der anderen Tiere gefressen haben. Da drinnen muss die reinste Anarchie geherrscht haben …“
„Er kann sie doch auch privat gekauft haben. Vielleicht im Internet?“
„Problemlos. Der Schmuggel von giftigen, seltenen oder bedrohten Tierarten ist zu einer großen Industrie geworden. Die Schmuggler können damit Milliarden verdienen und es gibt keine Grenzen für ihren Einfallsreichtum, wenn sie durch den Zoll müssen. Ein Scanner an einem Flughafen in Argentinien hat zum Beispiel einen Koffer mit ungefähr 250 Schlangen und Spinnen gefunden. Sie waren in zusammengerollten Socken versteckt. Klar, dass die Tiere unter einem solchen Transport leiden. Einige der Schlangen waren giftig. Sie hätten nach Spanien geschmuggelt werden sollen. Er hatte einfach das Pech, gestoppt zu werden.“
„Was macht ihr denn jetzt mit denen?“, wollte sie wissen und wich vor einem Karton mit Schlangen zurück, den ein Biologe im Arm hielt und mit einem siegessicheren Lächeln zum Auto trug.
„Wir versuchen jemanden zu finden, der sich um sie kümmert. Zoos wie der Randers Regnskov beispielsweise. Ansonsten müssen wir sie töten, damit ist ihnen am besten gedient.“
6
Italien, Neapel
Als Roland zurückkam, saßen sie in Tante Giovannas Küche mit dem großen, breiten Gasherd und einem antiken Kronleuchter über dem reich gedeckten Tisch. Seine Tante stand sofort auf und stellte einen weiteren Teller auf den Tisch.
„Scusi,