Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7. Inger Gammelgaard Madsen

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Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7 - Inger Gammelgaard Madsen Rolando Benito

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Herz klopfte wie wild, als er vor dem Gebäude stand und die Erinnerungen hochkamen. Mutter hatte ihn hierher mitgenommen, als sie die Familie in Neapel besuchten. Viele Jahre waren vergangen, bis es dazu kam und sie zurückgekehrt war. Er musste ungefähr neun gewesen sein, als er seine Geburtsstadt zum ersten Mal wiedergesehen hatte und meinte, er könnte sich an das Ganze erinnern. Seine Mutter behauptete, das sei nicht möglich, er sei erst vier gewesen und an Erlebnisse in diesem Alter erinnere man sich nicht. Aber genau jetzt vor diesem Gebäude wusste er, dass er es tat. Er erinnerte sich, dass seine Mutter geweint hatte. Das hatte er zum ersten Mal erlebt und es hatte Spuren in seinem Gedächtnis hinterlassen. Er hatte sie das auch nie wieder tun sehen. Was sie hier gemacht hatten, bevor sie, mit ihm im Schlepptau, zu ihrer Schwester nach Dänemark weitergereist war, wusste er jedoch nicht. Es hatte etwas mit irgendwelchen Papieren zu tun und dann hatten ein paar bewaffnete Beamte sie zum Flughafen begleitet. Er erinnerte sich an ihre Waffen, die er hatte anfassen dürfen. Da hatte er auch zum ersten Mal ein Flugzeug gesehen und sollte damit fliegen. Diese Episoden hatten sich fest in sein vierjähriges Gehirn eingebrannt. Ein Teil von ihm gehörte hierher und es war in ihm geblieben, obwohl seine Mutter ihn entwurzelt hatte.

      Am Haupteingang standen zwei Carabinieri. Roland erinnerte sich an das Foto seines Vaters in der schmucken, schweren Uniform mit roten Streifen auf den Hosenbeinen. Damals, als seine Mutter noch gelebt hatte, hatte es immer dagestanden, damit er es angucken konnte, wenn er am Küchentisch aß. Wo war es abgeblieben?

      Einer der Carabinieri hielt ihn Achtung gebietend an. Er sah für einen Carabiniere sehr jung aus, aber das war Rolands Vater, Adriano Benito, auch gewesen. Sicher erinnerten sich nicht mehr viele hier an ihn. Aber einer auf jeden Fall.

      „Ich möchte mit Sergio Minitti sprechen“, erklärte er und hoffte, sein Italienisch hatte keinen zu starken dänischen Akzent. Sofort wurde ihm Platz gemacht, damit er hineingehen konnte. Es wunderte ihn, wie leicht es war.

      Er erinnerte sich an den Weg zu Sergios Büro, und der wartete auf ihn, erhob sich hinter seinem Schreibtisch, umarmte Roland und küsste ihn auf beide Wangen.

      „Rolando! Schön, dich zu sehen! Willkommen daheim, wenn ich das sagen darf. Wie geht’s der Familie?“

      Sergio war Sizilianer und Roland hatte oft Mühe, seinen Dialekt zu verstehen. Es war normal, dass das Korps Leute zwischen den großen Städten austauschte. Sein Vater war auch eine Zeitlang in anderen Kasernen gewesen, auch auf Sizilien, aber immer wieder zurück nach Neapel gekommen, hatte seine Mutter erzählt. Sergio kehrte nie nach Sizilien zurück.

      Roland setzte sich auf den angebotenen Stuhl. Sergios Büro war ganz anders als sein eigenes zu Hause eingerichtet, fast wie ein kleines Wohnzimmer mit kleinen, originalen Landschaftsölgemälden in Goldrahmen an der Wand, Seite an Seite mit diversen Diplomen in Glas und Rahmen. Alles in dem Raum hatte einen Zug, der einen gedanklich in die Fünfziger zurückversetzte. Das Einzige, was diesen Eindruck störte, war ein Computerbildschirm, der moderner als Rolands aussah. Er stand hinter ihm auf einem Tisch neben einem altmodischen Fax. Eine Miniaturausgabe der italienischen Flagge hing schlaff an einer verchromten Fahnenstange auf dem Tisch und ein Messingschild verkündete, dass Sergio Minittis Titel Oberst war. An einem Kleiderbügel am Schrank hing seine elegante schwarze Jacke mit drei Sternen auf jeder Schulter, Flaggen und Abzeichen auf der Brust und Silberstickerei am Kragen. Sie kam bei besonderen Anlässen zum Einsatz.

      Roland erzählte schnell von den Kindern und Enkeln, damit Sergio die Möglichkeit bekam, ebenfalls von seiner Familie zu berichten. Der Stolz leuchtete in den funkelnden, dunklen Augen. Irenes Schicksal ließ Roland unerwähnt; das war ein prekäres Thema.

      „Wie läuft’s mit dem alten Benito? Lebt er noch?“

      „Ja, ja. Pippino geht es gut. Er ist nicht so leicht unterzukriegen.“

      „Wie alt ist er eigentlich mittlerweile?“

      „Er ist gerade 95 geworden, aber immer noch geistig rege.“

      „Nicht schlecht für einen Mann. Sonst sind es ja meist die Frauen, die in diesem Land am ältesten werden.“

      Roland wusste, dass die Statistik dies besagte und nickte.

      „Ach ja. Wie die Zeit vergeht. Ich bin nun auch ein alter Mann, Rolando, und hätte schon längst in Rente gehen sollen. Es gibt neue Regeln; als alternder Carabiniere darf man seinen Posten erst verlassen, wenn man 65 geworden ist.“

      „Aber wie ich sehe, hast du doch einige Jahre länger ausgehalten.“

      Sergio beugte sich über den Schreibtisch vertraulich zu ihm und flüsterte mit hochgezogenen weißen Augenbrauen und einem Funkeln in den Augen.

      „Sie haben mich überredet, aber jetzt ist Schluss damit, ich mache nur noch ein halbes Jahr! Basta!“

      „Verständlich. Das ist ein aufreibender Job.“

      „Mittlerweile gibt es nun auch viel Schreibkram zu erledigen – und Kaffee für die Jungs zu kochen. Das ist ungefährlich.“

      Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und lächelte, dann wurde sein Gesicht sehr ernst.

      „Ich hatte gerade erst als Beamter angefangen, als dein Vater ermordet wurde. Das war ein furchtbares Erlebnis und ich hätte beinahe deswegen meine Ausbildung hingeschmissen … damals hat das Ganze angefangen. In Palermo. Weitere getötete und verletzte Beamte, dein Vater hätte …“ Sergios Stimme klang belegt, er schwieg und schob verlegen die italienische Flagge zurecht.

      Roland hielt die Luft an. Seine Mutter hatte ihm nie erzählt, was eigentlich passiert war. Er hatte auch nie danach gefragt. Er wusste nur, dass die Camorra Adriano Benito getötet hatte und seine Mutter mit ihm hatte fliehen müssen, weil auch sie in Gefahr gewesen waren. Mehr brauchte er nicht zu wissen. Mehr wollte er auch gar nicht wissen. Er wusste, wer der Feind war.

      Sergio lächelte wieder und seine Stimme klang fast normal, als er fortfuhr. „Aber was führt dich zu uns? Seit deine Mutter von uns gegangen ist, habe ich nicht besonders viel von dir gesehen.“

      Roland räusperte sich.

      „Ich habe mich gefragt … wurde Salvatores Mörder schon gefasst?“

      Sergios Lächeln verschwand wieder.

      „Wir haben wirklich getan, was wir konnten. Glaub mir! Adriano Benitos Familie haben wir immer verteidigt. Aber du weißt, wie es ist, Rolando. Wir glauben zu wissen, wer es ist, aber die Beweise …“

      „Was habt ihr aus dem Autoverschrotter herausbekommen?“

      „Er hat steif und fest behauptet, nichts von dem Auto mit Salvatores Leiche gewusst zu haben, das sich auf seinem Grundstück befand, aber … hmm, sicher nicht die Wahrheit gesagt. Dann hat die Familie ihn gefunden. Drei Genickschüsse. Hinrichtung. Die anderen dachten wohl, er hätte geredet.“

      Roland schluckte und trank von dem Wasser, das Sergio ihm eingeschenkt hatte.

      „Aber das ist noch nicht zu Ende. Wir werden ihn schon noch kriegen, wenn nicht wegen Mordes, dann wegen etwas anderem. Mehrere Mafiosi sind ausgestiegen und haben angefangen, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir haben einen Unterboss in Catania, der lustig singt. Der kann sehr nützlich werden.“

      „Ja, aber das ist doch wohl die Cosa Nostra, was haben die mit …“

      „Die meisten Clans kennen

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