Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7. Inger Gammelgaard Madsen

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Schlangengift - Roland Benito-Krimi 7 - Inger Gammelgaard Madsen Rolando Benito

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zu lösen, aber es war zu früh. Ein Aufstieg wie dieser erforderte einen Sicherheitsstopp. Es war fast unmöglich, aus dem Wrack zu entkommen, ohne dass der fremde Taucher sie entdeckte. Aber es war höchste Zeit. Langsam begann sie den Aufstieg. Das eine Fenster im Ruderhaus war ganz oben rechts von ihr, das Glas war zerbrochen; es kam auf sie zu. Es würde schwer werden, sich um das Steuer herum und durch das Fenster zu zwängen. War überhaupt genug Platz? Sie reduzierte die Atmung so weit wie möglich, um nicht zu viele verräterische Luftblasen auszusenden, aber der Schwindel hatte bereits angefangen, sie zu schwächen. Mit den Armen über dem Kopf erreichte sie das Fenster. Den Ausgang in die Freiheit. Sie hörte, wie die Sauerstoffflasche gegen das kaputte Glas schrammte. Der Schmerz in ihrem Arm und ein roter Blutstrom sagten ihr, dass die Flasche nicht das Einzige war, was die scharfe Kante gestreift hatte. Jetzt war sie draußen. Das Wasser war trüb, aber sie wusste, was die dunklen Schatten vor ihr waren. Das Blut zog die Haie an. Langsam und suchend näherten sie sich, als schnupperten sie sich vorwärts und nahmen Kurs auf den Eingang zum Laderaum. Aber einer der Schatten war kein Hai. Ein neuer Taucher war auf dem Weg in das Wrack. Anhand seiner Bewegungen merkte sie, dass auch er nach etwas suchte. Wie die Haie. Nach ihr? Sie kämpfte sich nach oben. Die Kräfte waren dabei, sie zu verlassen, und sie hatte den Drang, sich zu übergeben, hielt es aber glücklicherweise zurück. Sie hatte gelernt, dass es am besten durch den Atemregler hinaus sollte, und darauf hatte sie bestimmt keine Lust. Bei der Klippe und dem Wrack, zu dem Oscar sie gerufen hatte, hielt sie an und versteckte sich, um vor dem endgültigen Aufstieg eine Ruhepause einzulegen. Irgendwo da oben lag ihr Boot. Einige Meter weiter westlich. Weitere Haie näherten sich. Die Aufmerksamkeit des Tauchers richtete sich auf die Raubfische, aber nun schwamm der eine von ihnen zu ihrer Verwunderung wieder ins Wrack. Nach ein paar Minuten kam er heraus und sie steuerten beide sehr schnell auf die Meeresoberfläche und den Schatten des Schiffsrumpfes zu. Oscar war da drin, im Laderaum. Er konnte unmöglich überlebt haben, aber sie konnte ihn nicht einfach dort liegen lassen. Hier unten bei den Haien. Vorsichtig näherte sie sich dem Wrack. Das Adrenalin pochte in ihren Ohren, aber sie kam nicht weit. Ein großer Lichtblitz blendete sie und eine Druckwelle warf sie zurück und ließ das Wrack, hinter dem sie sich versteckt hatte, halb aus dem Meeresgrund aufsteigen. Zersplitterte Bretter und andere Wrackteile flogen wie Projektile um sie herum, trotzdem schienen sie sich in Zeitlupe zu bewegen. Es war schwer, etwas zu sehen, bevor die Fragmente anfingen sich zu legen. Sie hatte die Orientierung verloren. Ein neuer Schmerz entstand in einem ihrer Oberschenkel, in den sich ein spitzes Holzstück gebohrt hatte. Ohne zu zögern zog sie es heraus. Der Schmerz ließ sie fast ohnmächtig werden. Mehr Blut. Aber nun waren die Haie weg. Der Kutter auch. Wasser lief ihr die Wangen hinunter und in die Nase, sodass sie auspusten musste, um nicht zu ersticken. Aber nicht, weil die Tauchermaske leckte; das Wasser strömte aus ihren Augen. Oscar! Hilflos starrte sie auf das Loch auf dem Meeresboden, wo der Kutter gelegen hatte. Es war kein Leben mehr darin und sie hatte das Gefühl, es wäre auch aus ihr gewichen. Der Sauerstoff war fast aufgebraucht. Sie riss sich zusammen und löste den Bleigürtel, ließ ihn auf den Grund sinken und begann den Aufstieg, hoffte, das Boot wäre da, wenn sie hochkam.

      Die Sonne traf ihr Gesicht. Sie schnappte laut keuchend nach Luft, als sie die Oberfläche erreichte, und riss den Atemregler aus dem Mund. Rang nach Atem. Es gab immer noch Nachwirkungen der Explosion. Aber das Boot war nicht da. Sie sah bloß die wogende Meeresoberfläche, so weit das Auge reichte. Vielleicht war es nicht hier. Die Erschütterung hatte alles vom Kurs abgebracht. Die Panik durchkroch sie, während sie automatisch Wasser trat und heftig zu zittern begann. Das verletzte Bein krampfte. Sie weinte und wusste, dass sie es hier nicht länger ohne Hilfe aushielt. Die Taucherkrankheit würde zu der Erschöpfung hinzukommen. Sie würde ganz sicher ertrinken. Vielleicht schnappten die Haie sie vorher. Das Blut würde sie anziehen, auch wenn es wohl ein bisschen dauerte, bis neue sich heranwagen würden. Aber sie würde sterben. Sie würde ganz sicher sterben. Jetzt vermisste sie die Stimme ihres Vaters. Bereute es zutiefst, all seine Anrufe nicht beantwortet zu haben. Natürlich war er unruhig. Und jetzt würde sie diese Stimme nie wieder hören oder ihn sehen. Ihre Absicht, sich zu Boden sinken zu lassen und es hinter sich zu bringen, wurde von einem Schiff verhindert, das sie weiter draußen auf dem Meer wie eine Fata Morgana entdeckte; ein schimmernder Punkt, von der Sonne erhellt auf der unendlichen blauen Tiefe. Mit letzter Kraft hob sie die Arme und winkte.

      „Hilfe! Help me!“, rief sie, so laut es ihre Lunge zuließ. Es war ein großes, weißes Schiff und einen Augenblick lang glaubte sie, es sei die Küstenwache. An der Seite stand etwas auf Italienisch in roten Buchstaben. Die würden sicher die Explosion untersuchen.

      „Help! Help!“, rief sie erneut zwei Männern zu, die an der Reling standen. Hatten sie sie nicht gehört? Sie blinzelte gegen die blendenden Sonnenstrahlen. Doch, und sie hatten sie auch gesehen. Sie konnte ein gleichzeitig tränenersticktes, panisches und erleichtertes Lachen nicht zurückhalten. Das Salzwasser spülte in ihren Mund. Merkwürdigerweise schmeckte es gut. Der Geschmack bedeutete, sie war am Leben. Nun würde sie nicht sterben. Aber dann entdeckte sie, was sie in den Händen hielten. Das war kein Rettungsring. Litt sie doch unter Sauerstoffmangel und halluzinierte? Die Maschinenpistolensalve durchlöcherte das Wasser um sie herum. Kaltes Wasser spritzte ihr ins Gesicht und das Geräusch war so ohrenbetäubend, dass es weh tat. Sie schrie lauter. Der Schmerz war erst wie das Brennen von Wunden in Salzwasser, wie die am Arm und dem Oberschenkel. Das Wasser um sie herum färbte sich langsam rot. Wie verwundert schaute sie es an und die tanzenden Projektile auf der Wasseroberfläche, bis etwas Brennendes ihren Kopf traf und das kalte Wasser ihren Körper wieder umschloss. Sie sank. Hinab, wo die Geräusche nur die des Meeres und ihres eigenen, ruhigen Atems waren, der stoppte. Hinab ins Paradies.

      8

      Dänemark, Aarhus

      Anne schaltete den Computer in der Redaktion an und setzte sich dran, um den Namen zu suchen, den sie auf dem Briefkasten vor dem Haus am Weg gesehen hatte. Sie hatte ihn als SMS an sich selbst geschickt. Das Schild war handgeschrieben mit Kugelschreiber auf einem Stück liniertem Papier und primitiv mit Tape an den Briefkasten geklebt. Aufgrund von Wind und Wetter war der Name schwer zu entziffern gewesen. Die Post musste sich beschwert haben. Aber es sah auch nicht aus, als ob dieser junge Mann sonderlich viel Post bekommen hätte. Es ragte nichts aus dem Briefkasten, und wenn er seit zwei Wochen tot war … Außerdem war ein großes, selbst gemachtes Werbung, nein danke!-Schild darangeklebt, also kamen vielleicht nicht viele Boten vorbei.

      Sein Name war Alvin Weidemann Stürmer. Der klang deutsch und tauchte auf mehreren Webseiten auf, die sich mit Reptilien befassten. Aber er hatte auch bei Diskussionen über Musik mitgemacht. Rock. Heavy Rock. Sie zog die Beine auf dem Stuhl an. Obwohl sie, sobald sie zurückgekommen war, die Sandalen ausgezogen und die Füße auf der Toilette im Waschbecken mit Seife gewaschen hatte, kribbelte es immer noch unbehaglich in ihnen und sie musste die ganze Zeit nachsehen, ob sie etwas mit nach Hause geschleppt hatte. Aber zum Glück war es nur ein Gefühl. Das Spinnennetz in der Ecke über Nicolajs Tisch hatte sie bisher noch nie bemerkt, oder vielleicht doch, ihm nur keine Beachtung geschenkt. Dänische Spinnen sind für Menschen ungefährlich. Sie sind überall. Freddy sagte, dass sich immer eine Spinne weniger als einen halben Meter von einem entfernt befände.

      Ein Profilbild tauchte auf, als sie nach Bildern suchte. Mit diesem speziellen Namen gab es keinen Zweifel, dass er es war. Die Haare des Toten waren wegen der Spinnweben kaum zu erkennen gewesen, aber jetzt konnte sie sehen, dass sie schulterlang und kohlschwarz gewesen waren. Auf dem Foto trug er einen schwarzen Hut. Sie ging zu dem Forum über Kriechtiere zurück, in dem er sich beteiligt hatte. Er schien eine ganze Menge über sie zu wissen, falls es nicht bloß Fakten waren, die er aus dem Internet ausgegraben hatte, wie es die anderen genauso gut selbst hätten tun können. Viele hatten auf seinen Eintrag, dass giftige Reptilien nicht gefährlich seien, wenn man es bloß verstand, mit ihnen zusammen zu leben, geantwortet. Man sollte selbst etwas von einem Reptil an sich haben, hatte er geschrieben. Aber warum gab es einen solchen Blog, wenn es in Dänemark illegal war, giftige Reptilien in Gefangenschaft zu halten? Aus dem gleichen Grund, aus dem man hier auch problemlos Drogen und anderes illegal kaufen konnte, ohne dass eingegriffen wurde.

      Wenn

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