Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Chefarzt Dr. Norden Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 160
Krampfhaft sah Sophie an ihm vorbei.
»Es tut mir leid. Mein Entschluss steht fest.«
Daniel Norden dachte nach.
»Ich weiß, dass es in letzter Zeit ein paar Meinungsverschiedenheiten gab. Dass Sie hier und da bei den Kollegen angeeckt sind.«
»Nicht nur bei den Kollegen«, fiel sie ihm ins Wort.
»Stimmt, auch bei den Patienten. Aber Sie haben Charakter bewiesen und versucht, Ihren Fehler wiedergutzumachen. Dieses Verhalten verdient allerhöchste Anerkennung.«
»Dummerweise nützt das Frau Endress nichts.« Sophie biss sich auf die Unterlippe.
»Und deshalb wollen Sie sich den Rest Ihres Berufslebens hinter einem Schreibtisch verstecken?« Daniel hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl aus. Er stand auf und kam um den Tisch herum.
»Ich habe den Mut verloren«, gestand Sophie Petzold leise. »Ich traue mir die Arbeit am Patienten, diese immense Verantwortung, nicht mehr zu.«
Daniel Norden blieb vor dem Regal stehen und betrachtete das gerahmte Bild seines Vaters, das dort stand. Friedrich Norden war sein Vorbild. Ihm und seinem unerschütterlichen Glauben hatte er alles zu verdanken. Daniel lächelte dem Foto zu, ehe er sich wieder zu der jungen Kollegin umdrehte.
»Ich denke, diese Krisen gehören zum Beruf des Mediziners dazu. Jeder verantwortungsvolle Arzt kennt das Gefühl, wenn ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Die meisten von uns haben das schon ein oder mehrere Male durchgemacht.« Sophie Petzold fuhr sich über die Augen.
»Ich weiß es sehr zu schätzen, wie Sie sich um mich bemühen. Aber mein Entschluss steht fest. Ich kann nicht mehr hierbleiben.«
Mit einem tiefen Seufzen wandte sich Dr. Norden ab und kehrte an den Schreibtisch zurück.
»Was soll ich tun? Sie hier festbinden?« Er schüttelte den Kopf. »Das geht leider nicht.« Er musterte sie eine Weile wortlos. »Dann kann ich Ihnen nur alles Gute wünschen.« Ohne ein weiteres Wort beugte er sich wieder über seine Unterlagen.
Sophie Petzold blieb nichts anderes übrig, als das Zimmer zu verlassen. An der Tür blieb sie noch einmal stehen.
»Übrigens ist Fabian Endress bei seiner Mutter. Ich konnte ihn überreden zu kommen.«
Überrascht sah Daniel Norden hoch. Doch da war sie schon aus dem Zimmer verschwunden.
Während Sophie den Flur hinunterging, spürte sie in sich hinein. Vor dem Gespräch hatte sie gedacht, dass sie sich danach besser fühlen würde. Doch das genaue Gegenteil war der Fall. Alles war trostlos und düster.
*
So empfand auch Fabian Endress. Seit Stunden saß er am Bett seiner Mutter. Er hatte mit Alexandra gesprochen, ihre Hand gehalten, ihr die Lieder seiner Kindheit vorgesungen. Aber was er auch versucht hatte, nicht die kleinste Regung war über ihr Gesicht gehuscht. Als Daniel Norden nach dem Gespräch mit Sophie zu ihm trat, war er der Verzweiflung nahe.
»Herr Dr. Norden …« Er wusste nicht, was er sagen sollte, und verstummte.
»Das mit Ihrer Mutter tut mir so leid. Aber ich finde es großartig, dass Sie gekommen sind.«
»Ehrlich gesagt bin ich mir da gar nicht so sicher.« Fabian machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung. »Ihre Kollegin sagte etwas von Schlüsselreiz. Das hat wohl nicht geklappt.«
Daniel Norden trat ans Bett. Er kontrollierte die Überwachungsgeräte und legte schließlich die Hand auf Alexandras Stirn. Sie war glatt und kühl. Fabian hielt es nicht mehr auf dem Stuhl aus. Er stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und begann, vor dem Bett auf und ab zu laufen.
»Ich dachte, dass es mir nichts ausmachen würde, wenn Alexandra etwas passierte. Aber seit ich hier bin, kommt alles wieder hoch. Der Streit, die unsäglichen Szenen, die sich damals zwischen meiner Mutter und mir abgespielt haben.« Er sah zu Daniel hinüber. Die Bilder der Vergangenheit vermischten sich mit der Wirklichkeit. »Früher dachte ich, dass sich meine Mutter nur für das Geschäft interessiert, dass sie mich dabei völlig vergessen hat. Aber heute, hier, an ihrem Krankenbett, kam mir ein völlig neuer Gedanke.« Das Staunen stand Fabian ins Gesicht geschrieben. »Alexandra hat all das auch für mich getan. Sie wollte, dass ich eine Zukunft habe, wenn ihr auch etwas zustoßen sollte. Warum nur konnte ich das früher nicht erkennen?«, fragte er kopfschüttelnd.
»Damals waren Sie noch ein Kind. Kinder, noch dazu in der Pubertät, haben so einen Weitblick noch nicht«, erwiderte Dr. Norden sanft.
Fabian schüttelte unwillig den Kopf.
»Nachdem mein Entschluss feststand, Maler zu werden, habe ich den Kontakt zu Alexandra abgebrochen. Ich bin nicht ans Telefon gegangen, habe ihre Briefe nicht beantwortet und mich an der Tür verleugnen lassen.« Er presste die Lippen aufeinander. »Es tut mir so unendlich leid«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. »Und jetzt ist es zu spät.«
Daniel Norden suchte noch nach tröstenden Worten, als ein durchdringendes Piepen des Überwachungsgeräts eine Veränderung signalisierte. Schnell trat er ans Bett und beugte sich über Alexandra. Tatsächlich: Ihre Augenlider flatterten. Das Wunder, an das niemand mehr geglaubt hatte, war geschehen.
»Frau Endress, da sind Sie ja wieder«, begrüßte er sie freudig. »Ich habe eine Überraschung für Sie.
Der Ausdruck in Alexas Augen verriet, dass sie Daniels Worte verstand.
»Ihr Sohn ist hier.« Dr. Norden machte einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf Fabian frei.
»Mama!« Der junge Mann fiel vor dem Bett auf die Knie, griff nach ihren Händen und bedeckte sie mit Küssen. »Ich bin hier. Jetzt wird alles gut. Das verspreche ich dir.«
Ein Lächeln huschte über Alexandras Gesicht.
»Fabi?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein tonloses Flüstern. Trotzdem klang sie wie Musik in seinen Ohren.
»Ja, Mama, ich bin es. Fabian, dein Sohn.«
»Ja … Fabi …«
»Pssst, nicht sprechen.« Tränen rannen ihm über das Gesicht. Gleichzeitig strahlte er von einem Ohr zum anderen. »Du musst dich ausruhen. Mach die Augen zu und schlaf dich gesund. Ich bleibe bei dir und passe auf dich auf.«
»Hmmm.« Alexa blinzelte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Sie schenkte ihrem Sohn ein vages Lächeln, ehe sie die Augen schloss und in einen tiefen Genesungsschlaf fiel. Einen Moment lang ließ Dr. Daniel Norden diese Szene noch auf sich wirken. Solche Bilder waren der Lohn für all die Mühen. Endlich verließ er das Zimmer. Im Hinausgehen zückte er das Telefon und piepte Sophie Petzold an. Sie sollte als Erste erfahren, dass sich ihr Einsatz gelohnt hatte.
*
Daniel Norden stand im Flur am Fenster und blickte hinaus auf die Dächer der Stadt, die die untergehende Sonne in ein unwirkliches Licht tauchte. Auf einem der Giebel saß eine Amsel. Während er ihrem melancholischen Lied lauschte, dachte er daran, was für ein glücklicher Mann er doch war. Die beste Frau von allen hatte ihm fünf wunderbare Kinder geschenkt. Er hatte einen Beruf, der ihn erfüllte, und die