Ein Junge liebt ein Mädel: Annemarie Land. Robert Heymann

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Ein Junge liebt ein Mädel: Annemarie Land - Robert Heymann

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hätten schlechte Nerven! Mut! Mut und Ruhe, alter Freund!“

      Der Pastor kniff ein wenig die Lippen zusammen bei dieser vertraulichen Anrede. Er räusperte sich:

      „Hm! Also kein Kurssturz? Kein Papier zurückgegangen?“

      „Nee! Einhundertvierzig!“

      „Für neunzig haben Sie gekauft?“

      „Für neunzig. Aber ich sage Ihnen, sie steigen noch auf zweihundert!“

      „Vielleicht sollte man doch jetzt verkaufen, Herr Hillmann! Der Betrag ist gross genug!“

      „Verkaufen? Pastor, sind Sie von Sinnen? Wenn die Papiere zweihundertzwanzig stehen, verkaufen wir. Keinen Tag früher!

      Pastor Winkelmann wischte mit dem Taschentuch über die Brille. Zweihundertzwanzig!

      Er berechnete den Gewinn. Zehntausend Mark betrug sein Vermögen. Das war ein eisernes Kapital, das für Lieselotte reserviert war, wovon er nichts verlieren wollte. Es war auch nicht nötig, dass sie mehr bekam — aber was darüber ging, das gehörte seiner Gemeinde. Seit sieben Jahren wurde gesammelt und gespart — eine Lotterie zugunsten des neuen Kirchenbaues hatte ein kleines Stammkapital ergeben — um an Stelle der schon hundertfünfzig Jahre alten Kirche eine neue zu errichten.

      Schon als Pastor Winkelmann sein Amt angetreten, hatte ihm sein Vorgänger sozusagen als heiliges Vermächtnis den Plan einer neuen Kirche hinterlassen. Der junge Pastor hatte die Idee mit Feuereifer aufgenommen, war aber über zehn Jahre lang nicht in der Lage gewesen, Tatkräftiges dafür zu tun.

      Seit sieben Jahren nun sollte der Kirchenbau begonnen werden, aber die Gemeinde war arm, Missernten, Schädlinge in den Weingeländen hatten ihr mehrere Jahre nacheinander grossen Schaden zugefügt. Und doch musste ein neues Gotteshaus gebaut werden.

      Winkelmann träumte davon Jahr um Jahr. Er besass einiges Talent zum Zeichnen — in früher Jugend war er zum Architekten bestimmt gewesen — und hatte in seinen Mussestunden daher schon die Pläne entworfen. Er sah den Turm vor sich, den neuen Turm mit der alten Glocke, deren Klänge seiner Gemeinde vertraut waren seit Generationen. Er sah die weissen Wände der Kirche mit den grossen, langen Fenstern, den neuen Altar, den Chor und die neue Orgel — denn eine neue Orgel war nötig, das stand fest. Pastor Winkelmann war kein zugreifender Mensch. Woran er aber einmal festhielt, davon brachte ihn niemand mehr ab. Er war auch zurückhaltend, doch für zweierlei scheute er keinen Gang, keine Anstrengung, selbst dann und wann eine kleine Demütigung nicht: wenn es seinen Armen oder seiner Kirche galt.

      Vor zwei Jahren hatte Harry Hillmann in dem nahegelegenen Flecken mit seiner Familie den Sommer verbracht. Bei dieser Gelegenheit hatte Pastor Winkelmann den Berliner Bankier, der fast täglich mit seinem 100 PS-Wagen durch das Dorf gerast war, kennengelernt. Da hatte er sich einmal ein Herz gefasst und ihm von dem Projekt der neuen Kirche gesprochen. Harry Hillmann hatte zweitausend Mark gespendet und dann dem dankbar aufhorchenden Pastor gesagt:

      „So kommen Sie Ihr Lebtag nicht ans Ziel, Herr Pastor! Sie mühen sich ab und mühen sich ab, die Gemeinde ist arm, die Zuschüsse reichen nicht — Sie müssen das Geld für den guten Zweck arbeiten lassen!“

      „Wie das, Herr Bankier?“

      „Legen Sie das Kapital, das bisher für die Kirche gesammelt wurde und das Sie verwalten, in meinem Bankhause an, lassen Sie das Geld zu sieben Prozent — was sage ich! Sie können es auf zehn, fünfzehn, zwanzig Prozent bringen — in meinem Hause arbeiten, und Sie sollen sehen — in fünf Jahren können Sie mit dem Kirchenbau beginnen!“

      Pastor Winkelmann verstand von Geldgeschäften und Spekulationen ungefähr ebensoviel wie Bankier Hillmann von dem Beruf des Pastors.

      Ein Unterschied war da freilich: Bankier Hillmann war sich über die Pflichten Winkelmanns wohl klar, aber auch über einen Fehler, den er besass: er wollte nie die schlechten Seiten der Menschen sehen. Erkannte er sie, so täuschte er sich geflissentlich darüber, und so kam er auch gar nicht auf den Gedanken, der Berliner Bankier könnte mit seinen Vorschlägen persönliche Vorteile verfolgen.

      Seit zwanzig Jahren war Winkelmann kaum über die Gemarkung seiner Gemeinde hinausgekommen. Die Zeitungen, die er las, brachten wenig oder nichts von dem gewaltigen Wettkampf, der dort draussen im Reich, in dem grossen Berlin unter ungeheurer Anstrengung aller Kräfte tobte. Er wusste nichts von waghalsigen Spekulationen. Er sah nur die Erfüllung seines zwanzigjährigen Traumes: die neue Kirche!

      Er sagte damals:

      „Herr Hillmann, über das Geld, das meine Gemeinde mir anvertraut hat, darf ich, so gut und schön der Zweck auch ist, nicht nach Belieben verfügen. Aber ich selbst besitze zehntausend Mark. Das Geld ist teils ererbt, teils haben ich und meine verstorbene Frau es in mancherlei Entbehrungen für unsere Tochter Lieselotte erspart. Diese zehntausend Mark müssen dem Kinde erhalten bleiben. Was Sie aber damit verdienen können — wenn Sie wirklich so schön an unserer Gemeinde handeln wollen — das möchte ich zu dem Kapital legen, das für den Kirchenbau bestimmt ist.“

      Herr Hillmann hatte die Unterlippe vorgeschoben und den Kopf gewiegt. Dann hatte er mit seinen kleinen, scharfen Augen, die die Menschen zu durchdringen schienen, den Pfarrer angesehen und schliesslich gesagt:

      ,,Gut, Herr Pastor. Wir sprechen später noch darüber!“

      Das war vor zwei Jahren gewesen. Harry Hillmann hatte mit diesem Gelde, wie mit allen Einlagen seiner Kunden, waghalsig spekuliert. Mit Glück spekuliert, denn er zahlte fünfzehn, manchmal siebzehn Prozent, ja, er stellte mehr in Aussicht: Dass er nebenbei verlor, dass manche seiner Unternehmungen missglückten und dass die Kapitalien, aus denen er teilweise diese hohen Zinsen bezahlte, langsam dahinschwanden, darum wusste natürlich niemand.

      Pastor Winkelmann hatte nicht einmal die Zinsen genommen. Er begnügte sich mit den Abrechnungen und schrieb jedes Jahr nach Berlin:

      „Legen Sie die Zinsen zum Kapital.“

      In ein paar Jahren würde sich das Geld verdoppelt haben. Dann konnte Hillmann schon mit Zwanzigtausend operieren. In Pastor Winkelmanns Phantasien wuchsen die Zahlen schneller noch als der gewagteste Zinsfuss sie vermehren konnte, und immer näher rückte die Erfüllung seines heissen Wunsches: die neue Kirche.

      Da kam nun Harry Hillmann plötzlich ganz unangemeldet angereist. Gott sei Dank, es war also nichts zu befürchten! Denn heimlich fürchtete Pastor Winkelmann manchmal doch, es könnte mit den Abrechnungen Harry Hillmanns nicht ganz seine Richtigkeit haben. Nicht, dass er auf den Gedanken gekommen wäre, der Bankier könnte ihn absichtlich betrügen.

      Aber er konnte sich doch täuschen! Es konnten Ereignisse eintreten, die stärker waren als er.

      Harry Hillmann aber war in bester Laune. Er goss sich schon von der zweiten Flasche Wein ein.

      Seit Gesicht war gerötet. Dass seine unruhigen Augen noch einen ruheloseren Ausdruck hatten als früher, entging Winkelmann.

      „Wissen Sie, Pastor, dass wir über Nacht reich werden können?“

      Seine Augen hatten einen fieberhaften Glanz.

      Der Pfarrer lächelte.

      „Wirklich?“

      „Wirklich — — das sagen Sie, Pastor Winkelmann, als ob es sich rein um nichts handelte!“

      „Was

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