WIR. Heimat - Land - Jugendkultur. Группа авторов

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Kamera medial vermittelt begegnen, kann man von der Bildkompetenz Jugendlicher ausgehen. Jugendliche können Bilder lesen und herstellen. Sie wissen, dass Bilder mehr als tausend Worte sagen. Und so entstehen auch Collagen nicht zufällig, sondern sind bewusst komponierte Arrangements von Bildern. Diese visuellen Erzeugnisse werden einem hermeneutischen Verfahren, also einem Prozess des Verstehens kultureller Produkte, unterzogen, was über eine alltägliche Bildbesprechung hinausgeht und die Collage in ihrer Bedeutung in einen historischen, räumlichen und kulturellen Zusammenhang einordnet.

      Mollenhauer fokussiert auf eine phänomenologische Perspektive und meint damit, dass das Verstehen und Erfassen des Sinngehalts von Bildern im Vorgang des Lesens von Bildern und des Decodierens von Bildelementen möglich wird. Dazu muss auf der einen Seite die generationsabhängige Bild-Sprache verstanden werden, also die für die Zeit gültigen Symbole und Regeln, und andererseits die individuelle Bedeutsamkeit der Bilder für die Produzent*innen herausgearbeitet werden, also die möglichen Deutungen derjenigen, die die Collage erstellt haben.

      Für unsere Forschungsprojekte und speziell für die Interpretation von Collagen haben wir uns an den Interpretationsverfahren von Pilarczyk/Mietzner (2015) und Panofski (1955) orientiert. Mit Hilfe der ikonologischen Methode nach Panofski sollen Bilder erkannt, verstanden und erfasst werden. Die Methode umfasst drei Stufen: die vorikonografische Beschreibung, die ikonografische Analyse und die ikonologische Interpretation.

      Bei der vorikonografischen Beschreibung oder dem primären Sujet geht es darum, das Bild, welches betrachtet wird, lediglich zu beschreiben. Es soll zunächst der reine Bestand eines Bildes erfasst werden. Eine reine, nicht-interpretative Beschreibung ist nicht möglich, weil die Bildbetrachter*innen nur das beschreiben können, was sie kennen und damit auch sprachlich formulieren können. Trotzdem sollen sie sich einen möglichst „fremden, naiven Blick“ bewahren. Es geht darum, das Bild in allen Einzelheiten zur Kenntnis zu nehmen; das ist ein systematisch verlangsamtes Sehen mit Aufmerksamkeit für das Nebensächliche.

      Die ikonografische Analyse rückt den Bildaufbau und das Motiv in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Vorder-, Mittel-, Hintergrund, die Perspektive des zu analysierenden Motivs sowie markante Linien und Formen werden beschrieben und interpretiert. Die genaue Bedeutung eines Motivs erschließt sich durch die verwendete Symbolik. Hier wird Wissen außerhalb des Bildes einbezogen und ein externer Bezugsrahmen gebildet.

      In der ikonologischen Interpretation geht es um den wahrhaften Gehalt oder die eigentliche Bedeutung eines Bildes. Spuren absichtsvoller Gestaltung werden ebenso herausgearbeitet wie die Art und Weise des Präsentierens des Abgebildeten. Die Befunde aus den vorangegangenen Schritten werden aufeinander bezogen, in ein Verhältnis gesetzt, um so einen eigentlichen Bildsinn zu interpretieren, gleich ob er von den Produzent*innen der Bilder beabsichtigt war oder nicht.

      Im Folgenden wird eine ausgewählte Collage interpretiert und damit ein Einblick in die Forschungswerkstatt gegeben. Diese Collage versinnbildlicht unsere Sicht auf Jugendliche in ländlichen Räumen, die wir als Generation „Boomer 4.0“ bezeichnen würden.

      Bildbeschreibung

      Entwickelt wurde die hier abgebildete Collage (Bild 1, S. 51) am 13.11.2019 von einer 15-jährigen Schülerin, die im Rahmen ihres Nachmittagsunterrichts an der Zukunftswerkstatt teilnahm. Die Collage ist mit insgesamt zwölf Elementen beklebt worden, die aus unterschiedlichen Zeitschriften stammen.

      Eine große Fläche in der linken oberen Ecke wird von einem Zeitschriftenausschnitt eingenommen, auf dem eine Art Gebirgslandschaft zu sehen ist. Zu erkennen sind mehrere kahle Berge in hellen und dunklen Grautönen. Im Hintergrund des Bildes befindet sich ein großer Berg, der aus dunklem Felsen besteht. Der Gipfel des Berges ist durch eine weiße Wolke verdeckt. Hinter und über der Wolke steigt schwarzer Rauch auf. Dieses Bildelement ist das größte auf der Collage.

      Unter diesem Bild befindet sich in der linken unteren Ecke eine kleine Abbildung von einer Halle oder einem Saal. In der Mitte dieses Saals befindet sich ein Becken, welches in den Boden eingelassen ist. Bei der Form des Beckens handelt es sich um ein Hexagon. Das Becken ist gefüllt mit Wasser, welches leicht bläulich schimmert. Statt eines Beckenrandes verfügt dieses Becken über eine Treppe, die es komplett umgibt. In dem Becken befinden sich sechs Menschen, zusätzlich befindet sich eine weiblich aussehende Person auf der Treppe. Im Hintergrund sind vier Säulen zu sehen und dahinter die Wand der Halle. Säulen und Wand sind in Erdtönen gehalten.

      Rechts neben diesem Bild sind zwei kleinere Bilder. Es handelt sich um die Abbildungen eines Hundes und eines Affen. Anders als bei den bisherigen Bildern wurden hier die Konturen exakt ausgeschnitten. Der Affe hat grau-gelbes Fell. Er streckt beide Arme aus, schaut in die Kamera und lächelt. Auch der Hund wurde exakt ausgeschnitten, dieser hat ein helles Fell. Er ist im Profil dargestellt und schaut nach rechts.

      Über dem Hund ist ein quadratisch ausgeschnittenes Bild platziert worden. Zu sehen sind zwei Menschen vor einem roten Gebäude. Bei der einen Person handelt es sich um eine männlich aussehende Person, bei der anderen um eine weiblich aussehende. Die männliche Person schaut die weibliche an und legt den Arm um sie. Beide sehen glücklich aus und tragen sommerliche, kurze Kleidung. Sie stehen auf einer grünen Wiese. Im Hintergrund erkennt man ein rotes Haus mit weißen Fenster- und Türrahmen.

      Direkt darüber und rechts schräg über diesem Bild befinden sich drei kleine Bilder, auf welchen ebenfalls Häuser zu sehen sind. Bei diesen handelt es sich jedoch um kleinere Häuser. Im Vordergrund dieser Bilder stehen Glasanbauten. So sind auf zwei Bildern Anbauten von außen zu sehen. Sie bestehen fast gänzlich aus Glas, lediglich die Rahmen scheinen aus Stahl zu sein. Auf dem dritten Bild sieht man einen der Glaskästen von innen. Dort stehen einige Möbel, welche in hellen Grautönen gehalten sind.

      Direkt unter den rechten beiden dieser Bilder ist die Abbildung eines Kleinkindes zu sehen. Es liegt auf einer Decke und wird von zwei Bögen umgeben, die wie Zeltstangen zusammengestellt wurden. An den Bögen befinden sich einige Spielsachen. Das Kleinkind trägt ein rosa Oberteil und eine weiße Hose. Es lächelt und schaut in die Kamera.

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       Bild 1: Collage einer 15-jährigen Schülerin

      Unter diesem Bild befindet sich ein weiteres Bild von einem Kind. Dieses Kind wirkt jedoch etwas älter als das erste Kind und sieht eher männlich aus. Es sitzt auf einer Art Heuballen und streckt, ähnlich wie der zuvor beschriebene Affe, beide Arme aus. Es trägt dunkelblau-weiße Turnschuhe, eine blaue Jeans, bei der die Hosenbeine umgekrempelt sind, ein weißes T-Shirt, schwarz-weiße Hosenträger und einen Strohhut, welcher farblich dem Heuballen ähnelt. Das Kind hat den Mund weit geöffnet und die Augen geschlossen, seine Körperhaltung ist nicht gerade.

      Rechts neben diesem Kind wurde ein weiteres Bild von einem Haus aufgeklebt. Vor dem Haus befindet sich eine grüne Wiese mit getrimmtem Gras. Im Hintergrund ist blauer Himmel zu sehen. Das Haus selbst ist in grau gehalten. Es ist aus mehreren quadratischen Formen konzipiert, welche mit und ohne Überhänge übereinandergestapelt sind. Es gibt mehrere große Fenster und eine Art asphaltierte Terrasse. Darauf stehen zwei große Blumenkübel mit jeweils einem Strauch.

      Das letzte Element wurde über diesem Haus platziert. Es handelt sich um einen roten Wagen. Das Auto scheint sehr flach und schnittig konstruiert zu sein. Zu sehen ist lediglich die Front des Autos, also Windschutzscheibe, Motorhaube, Kühlergrill, Scheinwerfer und Stoßstange. Auf dem Kühlergrill befinden sich vier verschlungene Kreise, außerdem ein Nummernschild mit den Buchstaben I, N und A und den Ziffern 3, 0 und 1. Das Auto und das graue Haus nehmen zusammen die gesamte rechte Seite der Collage ein.

      Bildinterpretation

      Die

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