WIR. Heimat - Land - Jugendkultur. Группа авторов

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Plan von rechts nach links handelt. Ihrer Aussage nach möchte sie zuerst ein teures Auto und ein modernes, großes Haus erlangen. Danach geht sie zum zweiten Schritt ihres Plans über – dem Gründen einer Familie mit Kindern und Tieren. Nachdem dies alles erreicht ist, könne sie in die letzte Phase übergehen und das Leben genießen und beispielsweise Urlaub machen oder andere, den Alltag durchbrechende Dinge unternehmen. Im Folgenden werden aufgrund der Collage und dieser Erzählung die Zukunftssichten der Schülerin analysiert und interpretiert.

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       Bild 2: Collage – Symmetrie

      Auffällig bei dieser Collage ist die Anordnung der Elemente. So kann festgestellt werden, dass die einzelnen Bilder fast symmetrisch angeordnet wurden. Es befinden sich sowohl links als auch rechts jeweils zwei mittelgroße bis große Bilder. Auf der linken Seite sind sie nach links geneigt, auf der rechten nach rechts. Ein ähnliches Muster kann bei den Bildern in der Mitte festgestellt werden. Hier befinden sich mittig-links und mittig-rechts jeweils vier, also insgesamt acht kleine Bilder. Auch hier gibt es bei fast allen Bildern eine Neigung in die jeweilige Richtung. Lediglich ein Element fällt aus diesem Raster.

      Besonders auffällig ist die Trennung der beiden Seiten. Die Mittelachse der Collage besteht aus einer Art Achse, welche in einer Zickzacklinie verläuft. Diese Zickzacklinie trennt die linke Bildhälfte von der rechten. Sie taucht in allen Elementen immer wieder auf.

      Diese Struktur könnte auf die Zerrissenheit der Schülerin hindeuten. Einerseits auf den Konflikt zwischen den Statussymbolen rechts, den abenteuerlichen oder wohltuenden Erlebnissen links und dem traditionellen Familienbild in der Mitte. Andererseits könnte es auch einen Konflikt mit sich selbst und den eigenen Erwartungen an das zukünftige Leben zeigen. Vielleicht wird der Unglaube, all diese Dinge erreichen zu können, bildlich dargestellt. Für diese Interpretation könnte eine andere strukturelle Auffälligkeit sprechen. Bei den Elementen ganz rechts handelt es sich um ein Auto und ein Haus, welche beide sehr teuer sind. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesen Symbolen um Statussymbole handelt, die die Schülerin sich wahrscheinlich nicht leisten können wird. Das Auto ist ein Sportwagen von Audi aus der e-tron-Serie. Das Haus ist ein modernes Einfamilienhaus im Bauhaus-Stil mit großem Garten. Ein Haus im Bauhausstil steht für die Verbindung von Funktionalität und Ästhetik und ist ein Gegenentwurf zum Traditionellen.

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       Bild 3: Collage – Rahmen sprengen

      Bei den Bildern links außen handelt es sich um Bilder, die für den Alltag durchbrechende Erlebnisse stehen. Ein Besuch dieser unwirklichen Gebirgs- oder Vulkanlandschaft scheint ein einmaliges Erlebnis zu sein. Ebenso zählt der Besuch eines Wellness-Spa oder Ähnlichem eher zu den nicht-alltäglichen Erlebnissen. Zu diesen Bildern kommt zudem das Bild des Wintergartens am oberen Bildrand hinzu. Auch hierbei handelt es sich um Symbole, die auf Luxus verweisen.

      Alle fünf Bildelemente sprengen den Rahmen der Collage, indem sie über die Bildränder hinausreichen. Nirgends sind Hinweise auf eine berufliche Perspektive zu sehen.

      Bild 3: Collage – Rahmen sprengen

      Dies könnte lediglich ein künstlerisches Mittel sein oder der Tatsache geschuldet, dass wenig Platz für die Bilder auf dem vorgegebenen Bogen war. Trotzdem wurde es von der Schülerin so komponiert, und es fällt auf, dass alle fünf Objekte teuer, extravagant und materiell sind oder dem außergewöhnlichen Spaß dienen. Hier könnte sich also eine Jugendliche als Angehörige der Generation Z zeigen, für die ein hohes Wohlstandsniveau, eine geringe Loyalität zum Arbeitgeber und Work-Life-Separation im Vordergrund stehen.

      Wären da nicht die Bildelemente, die das Zentrum des Bildes markieren. Im Zentrum steht das Erreichbare, die bürgerliche Familie und ein kleiner, aber feiner Wohlstand und Geborgenheit. Diese Bilder sind auf einer Zick-Zack-Linie angebracht und schlängeln sich quasi durch die rechts und links angebrachten Luxusgüter wie durch ein Spalier. Das wirkliche Leben als ständiges Abwägen zwischen Träumen und Realistischem, der Anforderung, Materielles anzuhäufen und für das Wichtige zu sparen.

      Und wäre da nicht der Affe in der Collage. Im Zentrum des Bildes der bürgerlichen Familie befindet sich der Junge, der die Arme nach links und rechts ausstreckt. Der Affe, der sich links neben dem Jungen befindet, hat eine ähnliche Körperhaltung. Warum sich die Schülerin für das Motiv des Affen entschieden hat, ist relevant. Der Affe erinnert an den Affen von Pippi Langstrumpf – Herr Nielsson –, sowohl von der Größe als auch vom Aussehen her. Einmal auf dieser Interpretationsspur ergeben sich weitere Ähnlichkeiten.

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       Bild 4: Collage – Explikation Pippi Langstrumpf

      Die beiden Kinder erinnern zum Beispiel an Tommy und Annika, es handelt sich um ein kleines Mädchen und einen älteren Jungen. Ebenso auffällig ist das rote Haus, welches im schwedischen Stil erbaut worden ist. In seinen Grundelementen erinnert es an die Villa Kunterbunt.

      Bild 4: Collage – Explikation Pippi Langstrumpf

      Pippi Langstrumpf steht für Fantasie, das Durchbrechen von Regeln und die Möglichkeit, sich die Welt so zu machen, wie sie einem gefällt. Der Affe steht dafür, keine Verantwortung zu übernehmen. Der Affe ist der Platzhalter für Optionen, für das, was noch möglich sein kann. Doch in der Verbindung zu dem Kind, das dieselbe Haltung einnimmt wie der Affe, ist es in der Vorstellungswelt der Schülerin die Familie. Insoweit eine klassische Wertevorstellung der Boomer-Generation.

      3 – Fazit

      Nicht zuletzt spielen Facetten der digitalisierten Welt keine offensichtliche Rolle in der Collage dieser Schülerin im Unterschied zu anderen Collagen, die wir analysiert haben. Die Digitalisierung der jugendlichen Lebenswelten ist in diesem Fall nur implizit. Inwieweit dies Effekt des Aufwachsens in ländlichen Regionen ist, also inwieweit sich hier ein Generationstyp zeigt oder es sich um eine individuelle Vorstellung handelt, können nur tiefergehende Studien zeigen.

      Und hier kommt Herr Nielsson ins Spiel. Der Affe verweist auf andere Erklärungsmuster. Jugendliche auf dem Land erleben in der realen Welt, in den face-to-face-Kontakten eher traditionelle Handlungsmuster und müssen sich mit Werten und Strukturen auseinandersetzen, die eher typisch sind für die Boomer-Generation. Durch die Digitalisierung unserer gesellschaftlichen Erfahrungsräume tauchen Jugendliche auf dem Land aber auch in andere Lebenswelten ein, die von Wertvorstellungen und Einstellungen geprägt sind, die sich in einer globalisierten Welt entwickeln, die multi-optional und generationsübergreifend bzw. generationsunabhängig ist. In dieser digitalisierten Welt erproben sich Jugendliche, entwickeln ihre Vorstellungen wie in einem sozialen Labor. Doch ist die digitalisierte Welt kein Labor, sondern Realität. Die virtuelle Realität bleibt nicht äußerlich und wird von den Jugendlichen nicht als eine andere Welt angesehen, die mit ihrem wirklichen Leben nichts zu tun hat. Die virtuelle Welt wird von Jugendlichen nicht als eine Vielfalt von Angeboten verstanden, aus der man auswählen kann, sondern als unhintergehbare Bedingung ihres Lebens verstanden, eines Lebens in der Mixed Reality.

      Insoweit gehört Herr Nielsson zur Wirklichkeit. Herr Nielsson ist das anarchische Element, das ein Vorrecht der Jugend ist. Das Recht auf die eigene Welt. Wir erklären uns die Aussage der Collage so: Die Jugendliche wertschätzt ein eher traditionelles Familienleben. Doch ist dies nicht allein als eine Anpassungs- oder gar Unterwerfungsgeste zu verstehen, sondern als eine kritische, selbstbewusste Auseinandersetzung mit den Werten

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