Das Erbe sind wir. Michael Meyen

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Man habe sich nicht getraut. Punkt 2 und vermutlich der Grund für diesen »Skandal«: »Abriss« und »Verwestlichung«. Von wegen. Er persönlich habe die drei Kollegen für die Evaluierung ausgesucht, und zwar »nach Charakter«. Kurt Koszyk, Manfred Rühl, Dieter Roß. »Abwägende Köpfe, die mir am ehesten geeignet schienen, DDR-Leistungen im Gespräch einzuschätzen«. Reimers hätte auch sagen können: niemand aus der ›Mainzer Schule‹ von Elisabeth Noelle-Neumann. Er dreht das aber lieber positiv: Was er sich für Leipzig ausgedacht hatte, Kommunikations- und Medienwissenschaft, das habe es im Westen seinerzeit überhaupt nicht gegeben. Von Verwestlichung also keine Spur.57

      WIE EIN PROLETENKIND ZU EINEM ›HOFFNUNGDTRÄGER‹ DER DDR-JOURNALISTIK WURDE

      Nicht einmal ein Jahr später, zum 30. April 1991, hat Wulf Skaun an der Universität einen Aufhebungsvertrag unterschrieben. Es ist nicht so, dass er danach in ein Loch gefallen wäre. Es gab Arbeit bei der Leipziger Volkszeitung, zunächst in Leipzig und dann ab Februar 1992 in der Lokalredaktion Wurzen, fast zwei Jahrzehnte lang, bis zur Rente. Es ist auch nicht so, dass Wulf Skaun dort keinen Spaß gehabt hätte. Als wir vor ein paar Jahren über sein Leben gesprochen haben, hat er mir zwei Fotos aus dieser Zeit gegeben. Eins zeigt ihn in den frühen 1990er-Jahren, schlank und dunkelhaarig, auf dem Marktplatz in Wurzen, mit Block und Stift. Ein Interview mit zwei Passanten. Auf dem anderen Bild steht Skaun neben Radsportlegende Täve Schur, jetzt grauhaarig und etwas voller. Das ist das, was den Journalismus in einer kleinen Stadt ausmacht. Wulf Skaun wäre trotzdem lieber an der Universität geblieben. Viermal, sagt er, sei er von Wurzen aus noch in ein Seminar eingeladen worden, von Elisabeth Fiedler, eine Kollegin, die weitermachen durfte. »Für mich waren die Begegnungen mit Studenten noch mal Sternstunden«. Man muss gar nicht zwischen den Zeilen lesen, um zu ahnen: Der Job in der Lokalredaktion hat die Wunde nicht schließen können, die der Auszug aus dem Hochhaus am Karl-Marx-Platz geschlagen hat.

      Wulfs Vater war ein »richtiger Prolet«, ein Arbeiterkind, »auf dem Weg zum Chemielaborant, als der Krieg kam«, der ihm ein Bein nahm und mehrere Finger. Die Odyssee endete 1947 in Hohen Viecheln, in einem 1000-Seelen-Nest

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