Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Richard schwieg und sah, ein wenig betroffen von dieser Sprache und nicht wenig ob der Zurückweisung gekränkt, den Fremden an. Er betrachtete die letztere als einen Akt der Feindseligkeit, steckte seine Hände wieder in die Taschen und ging auf Herrn Grant zu, dem er leise ins Ohr flüsterte:
»Denken Sie an mich, man wird sich jetzt unter den Ansiedlern erzählen, daß wir alle ohne diesen Burschen da den Hals gebrochen hätten. Als ob ich nicht zu fahren verstünde! Sie selbst hätten die Pferde herumbringen können, Sir; denn nichts war leichter, da es nur eines Rucks an dem Zügel der Deichselpferde und eines Peitschenhiebs in die Seite eines der Grauschimmel bedurfte. Ich hoffe, mein lieber Herr, Sie haben doch bei dem Sturz, den dieser Mensch herbeiführte, keinen Schaden genommen.«
Die Antwort des Geistlichen wurde durch den Eintritt des Dorfwundarztes verhindert.
VI
– – – und auf den Gesimsen
Die bettelhafte Reihe leerer Büchsen,
Die grünen Töpfchen, Blasen, taube Samen,
Bindfaden-Endchen, alte Rosenkuchen,
Das alles dünn verteilt, zur Schau zu dienen.
Shakespeare
Doktor Elnathan Todd, denn dies war der Name des Heilkünstlers, galt unter den Ansiedlern als ein Herr von hohen Geistesgaben, wie er denn auch, was die Körperhöhe anbelangte, von der Natur nicht spärlich bedacht war. Er maß genau sechs Fuß vier Zoll, und seine Hände, Füße und Knie entsprachen in jeder Hinsicht dieser seltenen Größe, obgleich die übrigen Teile seines Körpers für einen Mann von kleinerem Umfang berechnet zu sein schienen. Seine Schultern waren viereckig, aber so nahe beieinander, daß die langen schlotterigen Arme aus dem Rückgrat herauszuwachsen schienen. Sein Hals besaß in ausgezeichnetem Maße die der gemeldeten Höhe entsprechende Länge und stützte einen kleinen kugelrunden Kopf, dessen Hinterseite mit einem Busch borstiger, brauner Haare bedeckt war, während sich vorn ein kurzes bewegliches Gesicht zeigte, das sich alle Mühe zu geben schien, recht gelehrt auszusehen. Der Doktor war der jüngste Sohn eines Landwirts im westlichen Teil von Massachusetts, welcher sich in ziemlich wohlhabenden Verhältnissen befand und daher in der Lage war, diesen Spätling seiner Ehe zu der vorerwähnten Höhe aufschießen zu lassen, ohne dessen Wuchs durch Feldarbeit, Holzhacken und sonstige derartige Arbeiten, die seinen Brüdern zuteil wurden, zu hemmen. Er verdankte diese Befreiung von der Arbeit einigermaßen seinem außerordentlichen Wachstum, welches, indem es ihn blaß, leblos und träge machte, seine zärtliche Mutter zu der Erklärung veranlaßte, er sei ein kränklicher Junge, der zu keiner Arbeit tauge und sich einen leidlichen Unterhalt als Advokat, Geistlicher, Doktor oder durch ein sonstiges leichtes Gewerbe verdienen könne. Nun war aber die große Frage, für welchen dieser Berufe sich der Junge wohl am besten eigne. Da er unterdessen nichts zu tun hatte, so schlingelte er in der Nachbarschaft herum, aß unreife Äpfel und suchte Sauerampfer – ein Umstand, in welchem dasselbe scharfblickende Auge, das bereits seine verborgenen Talente ausgespürt hatte, einen Fingerzeig für seinen künftigen Pfad durch die Mühen des Erdenlebens erkannte. »Elnathan ist zu einem Doktor gemacht«, räsonierte die Mutter, »denn er sucht immer nach Kräutern und kostet alles, was in der Nachbarschaft wächst.« Dann hatte er auch eine natürliche Vorliebe für Arzneistoffe; denn als sie einmal abführende Pillen für ihren Mann zugerichtet und mit Ahornzucker bestreut hatte, kam Elnathan herein und verschluckte sie, als ob sie gar nichts wären, während Ichabod, ihr Gatte, »auch nicht eine einzige hinunterbringen konnte, ohne so verzweifelte Gesichter zu schneiden, daß man es nicht ohne Entsetzen mitansehen konnte«.
Diese Entdeckung gab den Ausschlag. Elnathan wurde, als er ungefähr fünfzehn Jahre alt war, ziemlich wie ein wildes Füllen eingefangen, herausgestriegelt und seine buschigen Haare geschnitten; dann erhielt er einen neuen, selbstgewirkten Anzug, der mit der Rinde der Butternuß gefärbt war, wurde mit einem Neuen Testament und Websters A-B-C-Buch ausgestattet und nach einer Schule geschickt. Da der Knabe nicht ohne natürliche Anlagen und schon in früherer Zeit bei ihm mit Lesen, Schreiben und Rechnen ein Grund gelegt worden war, so zeichnete er sich bald durch seine Fortschritte aus. Die glückliche Mutter hatte die Freude, aus dem Mund des Lehrers selbst zu hören, daß ihr Sohn »ein wahrer Wunderknabe sei und die übrigen Knaben seiner Klasse weit übertreffe«. Auch meinte der Pädagog, der Junge habe eine natürliche Anlage für die Arzneikunst; denn es sei ihm nicht entgangen, daß er die kleineren Kinder öfter vor zu reichlichem Essen warne, wie er denn auch einige Male bemerkt habe, daß Elnathan, wenn die unwissenden Rangen seinem Rat hartnäckigen Widerstand entgegensetzten, eigenmündig die Schulkörbe leerte, um sie vor den verderblichen Folgen einer Magenüberladung zu bewahren.
Bald nach dieser tröstlichen Erklärung von Seiten des Schulmonarchen wurde der Junge in das Haus eines Dorfchirurgen verpflanzt, der so ziemlich mit unserem Helden die gleiche Schule durchgemacht hatte. Hier sah man ihn bisweilen ein Pferd zur Tränke führen oder andere Tränke, blaue, gelbe und rote anfertigen; dann saß er auch hin und wieder mit Ruddimans lateinischer Grammatik in der Hand oder einem Teil von Denmans Hebammenkunst in der Tasche unter einem Apfelbaum; denn sein Lehrer hielt es für abgeschmackt, seinen Zögling die Patienten regelrecht aus der Welt befördern zu lehren, ehe er wußte, wie der Mensch in die Welt gebracht werde.
So verlebte er ungefähr ein Jahr, als er plötzlich in einem sehr langen schwarzen Rock, dessen Stoff in der Heimat gewebt war, und in kleinen Schnürstiefeln, die in Ermangelung von rotem Maroquin ungefärbte kalbslederne Riemen hatten, vor den Leuten erschien.
Bald nachher wurde er mit einem stumpfen Rasiermesser aufs Rasieren ausgeschickt, und ehe noch weitere drei oder vier Monate verflossen, sahen ihn mehrere ältliche Damen nach dem Hause einer armen Frau im Dorf eilen, während andere Personen augenscheinlich in großer Bestürzung ab und zu gingen. Einige Knaben wurden auf sattellose Pferde gesetzt und in aller Hast nach verschiedenen Richtungen ausgeschickt. Man stellte verschiedene indirekte Fragen, wo der Wundarzt zuletzt gesehen worden sei, aber alles war umsonst, und endlich sah man Elnathan mit einer ungemein gravitätischen Miene aus der Türe treten, während ein kleiner flachsköpfiger Knabe atemlos vor ihm hertrabte. Des anderen Tages zeigte er sich im Dorf, und sämtliche Bewohner waren höchlich erbaut von seiner nun so würdevollen Miene. Dieselbe Woche kaufte er ein neues Rasiermesser, und am darauf folgenden Sonntag betrat er mit einem rotseidenen Taschentuch in der Hand und einem ungemein gesetzten Gesicht die Kirche. Am Abend machte er bei einem jungen Frauenzimmer aus der niederen Volksklasse, denn andere waren keine vorhanden, einen Besuch, und nachdem er sich eine Weile allein mit der Schönen unterhalten hatte, nannte ihn die kluge Mutter derselben zum erstenmal Doktor Todd. Jetzt war das Eis mit einem Male gebrochen, und von nun an wurde Elnathan aus jedem Munde nur noch mit diesem Titel begrüßt.
Er brachte noch ein Jahr unter der Leitung desselben Lehrherrn zu, während welcher Zeit der junge Heilkünstler in dem Rufe stand, daß er immer »mit dem alten Doktor die Kranken besuchen müsse«, obgleich man beide stets verschiedene Wege einschlagen sah. Nach Ablauf dieser Periode hatte Doktor Todd das Alter der Mündigkeit erreicht. Er machte nun einen Ausflug nach Boston, um Arzneien einzukaufen und, wie einige wissen wollten, das Spital zu besuchen. Wir wissen nicht, wie es sich mit dem letzteren verhielt, da uns nur soviel bekannt ist, daß dieser Besuch ein sehr kurzer gewesen sein muß; denn er kam schon nach vierzehn Tagen wieder zurück und brachte eine verdächtig aussehende Büchse mit, die gewaltig nach Schwefel roch.
Sonntags darauf ließ er sich trauen, und am folgenden Morgen bestieg er mit seiner jungen Gattin einen einspännigen Schlitten, der zugleich mit der vorerwähnten Büchse, einer Kiste voll selbstgefertigter Leinwand,