sucht, wo und wie es ihn am bequemsten bekommen kann. Und der bequemste Weg dazu war im Altertum nicht der Weg der Schöpfung neuer Methoden der Arbeitszerlegung zwecks Schaffung großer disziplinierter und arbeitsteiliger Betriebseinheiten: weder qualifizierte sich die Sklavenarbeit technisch und »ethisch« dazu, noch war, bei der Art der Vermögensverteilung und der Entwicklung des Bedürfnisstandes der Antike, der expansive Markt für industrielle Massengüter zu schaffen. Ob die Zunahme des Austausches gewerblicher Erzeugnisse im Verlauf der kapitalistischen Entwicklung des Altertums irgendwie Schritt gehalten hat mit der unzweifelhaften Zunahme des Austausches landwirtschaftlich (für den privaten, staatlich nicht kontrollierten Verkehr: garten-) und bergbaulicher Produkte, ist bekanntlich äußerst zweifelhaft. Sicher aber ist, daß der Fortschritt der »kapitalistischen« Entwicklung die ökonomische und soziale Lage des Gewerbes, als Ganzen, nicht gehoben, sondern lediglich seine alten Grundlagen zersetzt hat. Der Demiurgos in der Polis der Frühzeit mochte dem adeligen Herrn als völlig unebenbürtig gelten, er war doch, namentlich soweit er Waffen oder Schiffe herstellte, militärisch unentbehrlich und, soweit er Kunsthandwerker war, auch sozial leidlich geschätzt: Der Schmied z.B. spielt bei Hesiod seine Rolle im Dorf; noch Solon nennt sein Gewerbe unter den Mitteln, ökonomisch hochzukommen. Aber die Zeit, wo die Hausgemeinschaft des Demiurgen an der ererbten Geheimkunst so reich wurde, daß er nach den Aemtern der Höchstbesteuerten streben konnte, ist mit der Entwicklung zur Kleinfamilie infolge der Geldwirtschaft vorüber. Das anlagesuchende Kapital schafft unfreie gelernte Handwerker, wie es besitzlose Kolonen schafft. Der Kapitalbesitzer, nicht der Demiurg, ist jetzt der respektable Mann. Im kapitalistischen Zeitalter steht der gelernte Gewerbesklave, – eine bloße Gelegenheitsanlage für den Kapitalisten, – in jeder Hinsicht, außer der des formalen Rechts, neben dem freien Kleinhandwerker, geht aber dabei durch Kauf, Pfand, Leihe von Hand zu Hand, wird bald hier bald da zu einer größeren Werkstatteinheit zusammengeballt. Das formale private und öffentliche Recht der Demokratie konnte den freien »βάναυσος« – Handwerker und Krämer – gegen die Konsequenzen dieses Eindrucks nicht schützen, ebensowenig ein guter Verdienst, solange er nicht in die kapitalistischen Kreise aufzusteigen vermochte, – und das war, bei Konkurrenz der Sklavenarbeit, damals nur recht ausnahmsweise der Fall. – Die Besitzenden ihrerseits zogen ihren Verdienst entweder aus Grundrenten (ländlichen oder städtischen: das Verbot des Grunderwerbs durch Fremde, auch – vorbehaltlich persönlichen Privilegs – Metöken und Freigelassene, machte ja das »Hausagrariertum« zu einem Monopol der Vollbürgerschaft) oder aus Geld- oder endlich aus Sklavenrenten. Sowohl die Entwicklung der Grundrenten aber als diejenige der Geld- und Sklavenrenten hingen, soweit sie ökonomisch bedingt waren, letztlich am Handel. Die bloße Fruchtbarkeit des Bodens allein hat nirgends Grundherren entstehen lassen. Wo nicht politische Vergewaltigung die Gaufürsten in Grundherren umwandelte (oder die Bürger zu Grundherren machte: Sparta), war dies im Altertum durchweg die Verwertung des Gewinns aus dem Handel (s.o.), und zwar in Hellas speziell aus dem Seehandel. Die Entwicklung des privaten Sklavenbesitzes hängt in der klassischen Zeit ebenso am Außenhandel, wie einst in der Frühzeit die Entwicklung der königlichen Fron-Oiken. Die rechtlich privilegierte Stellung der Ex- und Importeure, insbesondere die Aufrechterhaltung der Schuldhaft für ihre, und zwar außer für Forderungen des Staates, im wesentlichen nur ihre Forderungen, und die schleunige Sondergerichtsbarkeit in Handelssachen zeigt genugsam die beherrschende Stellung, die sie einnahmen. Diese beherrschende Bedeutung des Seehandels für die Vermögensbildung ist – wie wiederholt betont sei – keine Instanz gegen das, was von seiner quantitativen Beschränktheit gesagt wurde. Man muß an die Kleinheit der »Kulturzonen« und den Küstencharakter der Kultur, weiter aber auch daran denken, daß diese Geldvermögen und jener kapitalistische Verkehr in der »klassischen« Zeit sozusagen »Lichtungen« in einem traditionalistischen Dickicht waren. Denn fast ganz unvermittelt steht der Kapitalismus mit seinen Verkehrsformen neben den Residuen ferner Vergangenheit. Nicht nur in der nächsten geographischen Nachbarschaft, sondern innerhalb der Stadt selbst. Die ἔρανοι z.B. – durch Subskriptionslisten zusammengebrachte zinslose Darlehen an Mitbürger, die in Not sind, – spielen noch durch die ganze hellenistische Zeit hindurch und bis ans Ende des Altertums (wie das römische »mutuum«) ihre äußerst wichtige Rolle (auch christliche Anschauungen knüpfen daran vielleicht an), ganz wie in der Zeit der Herrschaft der primitiven »Nachbarhilfe« der Bauern. Daß die ἔρανοι ursprünglich keine Gegenseitigkeits gesellschaften waren, ist erwiesen. Die »Gegenseitigkeit« (die das Wort »mutuum« doch klar ausdrückt) liegt nicht in einer rechtlichen Assoziation, sondern in der urwüchsigen Bauern- und Kleinbürger-Ethik, welche »unter Brüdern« unentgeltliches Leihen fordert mit dem Vorbehalt: »wie du mir, so ich dir« und umgekehrt14. Niemals ist im Altertum in diesen Unterschichten vergessen worden, daß, gegenüber dieser ältesten »ökonomischen Moral«, der Zins ebenso Fremden- und Herren-Recht war wie (im Orient) das »Diensthaus des Pharao«: die Bureaukratie. Der russische Bauer steht darin noch heute am reinsten auf antikem Boden.
Ob nun eine ausgedehnte »kapitalistische Invasion« des platten Landes in Attika und in anderen althellenischen Staaten (außer Sparta, wo die Besitzanhäufung zweifellos ist) in der klassischen Zeit stattgefunden hat, sei es im 5. oder – wie dies speziell behauptet worden ist – im 4. Jahrh., wird sich mit Sicherheit nicht entscheiden lassen, ist aber jetzt allgemein, und wohl mit Recht, als nicht allzu wahrscheinlich angesehen. Anders wohl in hellenistischer Zeit. Diese Spätperiode hat private Riesenvermögen entstehen sehen, deren Inhaber zuweilen ganze Städte durch die drückendsten Bedingungen bei der Darlehnsgewährung in einer Art von Schuldknechtschaft hielten (im Kontrast zur klassischen Zeit, wo die Tempel die typischen Staatsgläubiger waren). Und je mehr, noch später, Althellas, speziell Athen, sich zu einer Art von »Pensionopolis« auswuchs, welches die Vorzüge von Weimar und Heidelberg mit der immerhin, gegenüber dem Osten (und später: gegenüber Rom), noch vorhandenen »Freiheit« vereinigte, desto öfter mußte auswärts wohlhabend gewordenen und angesehenen Leuten, die sich dorthin »zurückgezogen« hatten, die Anlage in Grund und Boden (ev. nach Erwerb des Bürgerrechts) wünschenswert erscheinen, deren so viel größere Sicherheit schon in der spätklassischen Zeit in der niedrigeren Zinsrate (etwa 8%) zum Ausdruck kam. Nach Verlust der zeitweise politisch erzwungenen, dann, noch länger, faktischen Stapel- und Zwischenhandelsmonopolisierung im Freihafen des Peiraieus an Rhodos waren für Athen die Chancen der Kapitalanlage im Seehandel und bei den Banken und, ihnen nach, in anderen Arten eigentlich »kapitalistischen« Erwerbes zusammengeschrumpft; die Metoiken, auf deren Finanzkraft Athens Blüte sehr stark mit ruhte, nahmen schon nach dem endgültigen Verlust der Seeherrschaft (Bundesgenossenkrieg) rapide ab. Der Handel bot keine Chancen mehr: der Boden blieb als Anlageobjekt übrig. Dazu trat die gewaltige Auswanderung in die hellenistischen Kolonialgebiete. Es ist daher kein Wunder, wenn die im 4. Jahrh. so beredten attischen Demen vom 3. an zu verstummen beginnen: Niedergang der lokalen Absatzchancen der Landwirtschaft und – wahrscheinlich – Bodenaufsaugung mit Ersatz der Bauern durch Pächter sind wohl der Grund dafür. Dagegen für das 5. und 4. Jahrh. ist eine Entwicklung in der Richtung der Bodenakkumulation nicht sehr wahrscheinlich. Von privaten Kolonen hören wir nichts. Ueberdies war damals die Exploitationsrate für Sklavenarbeit im Gewerbe ziemlich günstig, stand der Sklavenpreis andererseits unter (vermutlich) vielen Schwankungen nicht besonders niedrig. (Allerdings kostete zu Demosthenes Zeit ein Pferd zuweilen das Doppelte eines Sklaven: – verglichen mit den Südstaaten der amerikanischen Union, ein sehr niedriger Sklavenpreis. Aber für das Altertum ist es, da die Kosten der Lehre und das Risiko dazu kamen, nur ein mittlerer Preis. Uebrigens ist ein einfacher Schluß aus der Preishöhe der Sklaven eines Zeitpunktes stets sehr mißlich, da z.B. Niedrigkeit des Preises sowohl Folge geringen Sklavenbedarfs als Ursache starken Sklavenverschleißes sein kann.) Da so kolossale Sklavenzufuhren, wie sie die Kämpfe der Sizilianer, Karthager und dann der Römer brachten, überhaupt aus den Kriegen in Althellas nur ausnahmsweise resultierten, so ist jedenfalls auch eine besonders starke Zunahme der Landwirtschaftssklaven nicht sehr wahrscheinlich. Von den 20000 Sklaven, die während des dekeleischen Krieges entliefen, heißt es ausdrücklich, daß ein großer Teil Handwerker gewesen sei