und sitzt dafür im Rat der Aeltesten.) Der Vorzug der Söhne im Erbrecht besteht, dem kriegerischen Charakter der Polis entsprechend, fort. Das Erbrecht ist Parentelerbrecht mit Vorzug des Mannesstammes; ein Subsidiarerbrecht der Sippe existiert nicht, auch keines der Phratrie (Rachepflicht und Erbrecht stehen also außer Beziehung zueinander). Ausgeschlossen vom Bodenbesitz ist jeder Nicht-Vollbürger, seit Perikles also jeder, der nicht beiderseits aus Vollbürgerfamilien (also nicht von Freigelassenen oder Metöken) stammt. Eine ökonomisch bedeutsame Konsequenz ist, daß auch von der Beteiligung an dem so grundlegend wichtigen Hypothekengeschäft (welches ja teils Kauf auf Wiederkauf war, teils die eventuelle Eigentumseinweisung des Gläubigers involvierte) alle Fremden und Metöken ausgeschlossen waren, diese Art der Kapitalanlage also den besitzenden Vollbürgern vorbehalten blieb. Das erste Privileg für Fremde, auf Hypotheken im Inlande auszuleihen, ist für Athen in der Zeit des dekeleischen Krieges nachweisbar, also Produkt der Not, und die Tragweite des Ausschlusses oder der Zulassung fremder Gläubiger geht daraus hervor, daß die Athener in ihrem sogenannten »zweiten Seebund« den Bundesgenossen speziell zusichern mußten, daß kein Athener in einer Bundesgenossenstadt Boden kaufen oder auf Hypothek leihen dürfe. Der Bodenwucher war eben neben der Staatspacht nach wie vor das kapitalistische Geschäft par excellence, und der erste attische Seebund hatte zweifellos eine Art von Hypotheken-Grundherrlichkeit der vermögenden Athener in den Bundesgenossenstädten bedeutet. Dies wird auch durch die Form des Grundkredits illustriert. Die Form des Pfandrechts war entweder die πρᾶσις ἐπὶ λύσει: der Verkauf des Grundstücks an den Gläubiger unter Vorbehalt des Wiederkaufs (juristisch dem entsprechenden deutschrechtlichen Institut ähnlicher gestaltet als der römischen »fiducia«), – oder die Hypothek in unserem Sinne. Noch in klassischer Zeit funktionieren beide nebeneinander und existieren außerdem die (wohl nur noch terminologisch von der Hypothek geschiedenen) ἀποτιμήματα (Dotal- und Vormünderschafts-Pfandrechte). Erst später gewinnt die eigentliche Hypothek gänzlich die Oberhand. Es wäre wohl möglich, daß ursprünglich nur öffentliche oder quasiöffentliche Verpflichtungen durch ein Pfandrecht ohne Besitzeinweisung gesichert werden konnten (Ursprung: in der Leiturgiekonstruktion). Noch im 4. Jahrh. zeigen die attischen Hypothekensteine bei Darlehen die πρᾶσις ἐπὶ λύσει als das Normale, nicht die Hypothek. Daß die Hypothek aus der persönlichen Schuldverknechtung (nach Ausscheidung der Person des Schuldners durch die Anti-Schuldhaftsgesetze) entstanden sei, möchte Szanto auch aus einer bekannten Inschrift von Halikarnassos (Bull. IV p. 295) folgern, während er die πρᾶσις ἐπὶ λύσει (ebenso wie die römische »fiducia«) aus einem einfachen definitiven Verkauf mit kreditiertem Kaufpreis entstehen läßt. Allein angesichts der Rolle, welche die mit Beschränkungen und sub causa erfolgenden Uebertragungen, die befristete Schuldverknechtung, die antichretischen Verträge usw. in anderen und zwar den untereinander verschiedensten und gerade auch den ältesten uns bekannten antiken Rechten spielen, vor allem angesichts der Rolle, welche gerade die Bodenverschuldung in sonst noch ziemlich »primitiven« Zuständen spielt, endlich auch angesichts des Fortbestandes der persönlichen Schuldverknechtung neben der Hypothek in vielen hellenischen Staaten, erscheint die (geistreich ausgeführte) Theorie nicht überzeugend, und dürfte auch keine Nötigung bestehen, sie in der Umgestaltung, die Swoboda in übrigens lehrreichen Ausführungen ihr gegeben hat, zu akzeptieren. Vielmehr ist das Wahrscheinliche, daß auch hier die πρᾶσις ἐκὶ λύσει sehr altes Recht, ebenso alt wie die Verpfändung von Weibern und Kindern des Schuldners ist, daß sie, wie im Mittelalter, das älteste Bodenpfandrecht ist, daß der Schuldner, der üblicherweise (hier wie sonst so oft) das Grundstück als Prekarist oder in Pacht (insbesondere als ἑκτημόριος) behielt, das (einlösliche) Eigentum des Gläubigers durch den ὅρος (Hypothekenstein) anerkannte. Inschriftlich erhalten sind ὅροι freilich (aber begreiflicherweise) erst aus dem 4. Jahrh., allein Solon erwähnt sie ausdrücklich. Die persönliche Versklavung des Schuldners wurde durch Solon verboten und zwar sowohl die Exekutionsversklavung, als das Borgen auf den eigenen Leib. Anderwärts blieb sie zulässig. Die Entwicklung der Hypothek war nur die natürliche Fortsetzung dieses Milderungsprozesses, hier wie anderwärts: die eigenmächtige ἐμβάτευσις des Gläubigers im Fall der Nichtzahlung und die Anwendung der δικη ἐξούλης gegen den Schuldner, der das dem Gläubiger verfallene Grundstück nicht räumt, wären dann Reste der alten Prekaristenstellung des Pfandschuldners. Durch die Entwicklung der Hypothek aus der πρᾶσις ἐτὶ λύσει erklärt sich auch die ursprüngliche Notwendigkeit des Konsenses des Gläubigers bei Veräußerungen. Allmählich entwickelte sich dann auch die Verpfändung der Hyperocha, die ursprünglich natürlich ebenfalls an den Konsens des Vorhypothekars gebunden war, und damit die Nachhypothek. – Der Boden- und Hypothekenverkehr war formell sehr erleichtert. Grundbücher existierten (trotz Aristoteles und Theophrast) wohl nur vereinzelt: in Tenos, wo auch, wie anscheinend in Chios, Hypothekenregister bestanden. Im übrigen genügte meist – so im attischen Recht – der einfache Kontrakt zur Uebereignung. Da in Athen (im Gegensatz zu Aegypten und Spätrom) keine Legalhypotheken existierten und die Steuerlisten und Grundkataster der Demarchen – namentlich seit der Neuordnung der Nausinikos (377) – über die Umsätze des Bodens Auskunft gaben, außerdem öffentliche Affichen vor der Veräußerung mit der Aufforderung an Prätendenten, Einspruch zu erheben, hier (wie öfter) vorgeschrieben war (anderwärts kommt die Pflicht öffentlichen Ausrufens oder eines öffentlichen Opfers vor), so war der Spezialität und Publizität für die Verhältnisse der räumlich beschränkten Polis Genüge getan. Fraglich ist nun: welchen Einfluß diese Verkehrsfreiheit und Verkehrssicherheit, in Verbindung mit der Demen-Verfassung, auf die soziale Gliederung des platten Landes, speziell in Attika, gehabt hat.
Die Freiheit des Bodenverkehrs ist keineswegs erstmalig das Werk von Solon. Neu ist von ihm nachweislich die Freiheit des Testaments. Im übrigen hat er vielleicht ebensoviele Schranken neu geschaffen (Kommassationsverbot) wie beseitigt. Die neuerdings mehrfach (Fustel de Coulanges, Wilbrandt) vertretene Hypothese, daß Solon ein bis dahin bestehendes allgemeines Geschlechter- Eigentum am Grund und Boden Attikas, welches jeden Bodenverkehr und jedes individuelle Privateigentum ausschloß, beseitigt habe, ist in keiner Weise beglaubigt, steht mit der Ueberlieferung über Drakons Hoplitenzensus und den solonischen Klassen – welche ja zweifellos schon vor ihm für Steuer- und Wehrpflicht-Abstufung bestanden und eine individuelle ökonomische Differenzierung als bestehend voraussetzen – und mit allen Analogien im Widerspruch. Die »Geschlechter« sind im Altertum überall weit jünger als das (natürlich normalerweise familienhaft durch Retraktrechte gebundene) Privateigentum an Boden, Produkt der Differenzierung durch den Handels- und Beutegewinnst. Keine sichere Nachricht über derartige Zustände, wie jene Theorie sie voraussetzt, liegt vor. Die Ausführungen von Wilbrandt über die Beschränkungen des Grundbesitzverkehrs projizieren gesetzgeberische Schranken, welche im Interesse der Wehrhaftigkeit getroffen wurden, in die ferne Vergangenheit, und was er über die πρᾶσις ἐπὶ λύσει sagt, übersieht, daß ja der »kaufende« Gläubiger nicht Eigentum, sondern einlösliches Recht erwarb, aber eben ein Recht am Boden, nicht nur an den Einkünften (was nirgends vorkommt). Ebenso kann ich freilich der Ansicht Swobodas nicht beitreten, daß die Klasse der »Hektemorier« ein Stand von »Hörigen« nach Art der spartanischen Heloten gewesen sei. (Daß sie andererseits nicht »Akkordarbeiter« gewesen sein können, wurde schon bemerkt.) Was Swoboda über ihre Stellung im Erbrecht, ferner ihre glebae adscriptio, ihren Anspruch auf Rechtsvertretung, ihre Fronden usw. ausführt, sind Hypothesen, und zwar, soweit das Entstehen von Großbetrieben in Frage kommt, m.E. ganz unwahrscheinliche, veranlaßt (wie für Rom bei K.J. Neumann) dadurch, daß der Verfasser, durch die Arbeiten unseres Meisters G.F. Knapp fasziniert, einen von diesem glänzend geschilderten modernen Prozeß ins Altertum projizierte. Die »Abschaffung« eines Hörigeninstitutes durch Solon ist nirgends überliefert, was doch wohl sicher der Fall wäre, hätte er es getan. Daß er die Notwendigkeit der Prozeß klientel beseitigt habe, wird aus der Tradition wohl mit Recht erschlossen (setzt aber das Bestehen plebejischer Freiheit vor ihm natürlich voraus). Die »πελάται«, die besitzlosen und deshalb in Klientel befindlichen Arbeiter, gewinnen nun volle Prozeß standschaft.