Feuerwehrbedarfsplanung. Thomas Lindemann
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Feuerwehrbedarfsplanung - Thomas Lindemann страница 9
Bild 7: Chancengleichheit nach Hans Traxler
Wert der Sicherheit
Zu den örtlichen Verhältnissen zählt auch die Finanz- und Verwaltungskraft der Gemeinde, die bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen ist, wie viel Sicherheit sich die Gesellschaft oder eine Kommune leisten will und kann.
Sicherheit kostet Geld. Je mehr Sicherheit gewünscht ist, desto höher ist der Aufwand (zum Beispiel in Form von Kosten): Dem Diagramm (Bild 8) lässt sich qualitativ entnehmen, dass analog zum Pareto-Prinzip10 bereits mit wenig Aufwand ein vergleichsweise hoher Wert an Sicherheit erzielt werden kann (gestrichelte Linie). Einfache Basismaßnahmen haben demnach bereits einen signifikanten Mehrwert und große Auswirkungen auf das Sicherheitsniveau. Dahingegen bedarf es ungleich größeren Aufwandes, ein bereits hohes Sicherheitsniveau noch weiter zu erhöhen. Ein hundertprozentiges Sicherheitsniveau ist reell ohnehin nicht erreichbar. Die absolute Sicherheit gibt es nicht und ist auch nicht finanzierbar, da sie in der asymptotisch dargestellten Sicherheit-Kosten-Funktion unendlich hohen Kosten entspräche.
Bild 8: Relation von Sicherheit und Aufwand
Die Erwartungshaltung und das Anspruchsdenken der Bürger sind gegenüber dem Staat im Allgemeinen und der Feuerwehr im Speziellen hoch, jedoch scheint die Bereitschaft der Bürger für diese Sicherheit den entsprechenden Preis11 zu zahlen oder eine eigene Vorsorge12 zu treffen gering. Wie viel Geld die Feuerwehr dem Bürger konkret wert ist, lässt sich schwer beziffern. In Relation zu anderen Ausgaben würde vielleicht überraschen, wozu der Bürger wohl gewillt ist mehr Geld auszugeben: für die Feuerwehr oder beispielsweise für die Bundeswehr? Der jährliche Aufwand für den Wehretat beträgt rund 520,00 Euro je Bürger13 , während sich der jährliche Aufwand für die Feuerwehr schätzungsweise auf rund 34,00 Euro je Bürger14 beziffert. Ein Betrag, der für Sicherheit und Schutz von Leben zu hoch ist?
Und so ist es eine politische Aufgabe des Rates als kommunales Entscheidungsgremium, den Umfang der Feuerwehr mit der ihr zugewiesenen Finanzausstattung festzulegen. Bei der Erstellung eines Bedarfsplans geht es daher auch immer um den verantwortungsvollen Umgang mit Haushaltsmitteln. Der Rat, die Verwaltung und die Feuerwehr sind in ihrem Verwaltungshandeln dabei an den Grundsatz zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden (vgl. Planungsgrundsätze in Kapitel 4.2).
Finanzsituation in den Kommunen
Es steht dabei immer wieder die Frage im Raum, ob die finanzielle Leistungskraft der jeweiligen Kommune überhaupt Einfluss auf die Dimensionierung der Feuerwehr haben darf. So unterscheide ein Notfall nicht, ob er in einer klammen oder in einer finanzkräftigen Kommune stattfindet: Personenschädigungen oder Schadensausbreitungen bei Unglücksfällen verlaufen in jeder Kommune unabhängig von ihrer Kassenlage gleich. Daher dürfe nur das örtliche Risikoprofil der Kommune, nicht aber ihre Haushaltssituation entscheidend sein.
Das VG Köln urteilt hierzu am 27.01.2009 (Az.: 2 K 245/08):
»Zu den örtlichen Verhältnissen, die für die Ausstattung der Feuerwehren zu berücksichtigen sind, gehört – sobald es über die Mindest- und Standardausstattung jeder Feuerwehr hinausgeht – auch die Finanzkraft der Gemeinde.«
Im Bayerischen Feuerwehrgesetz ist die Formulierung zur Leistungsfähigkeit sogar so gewählt, dass sie sich nicht etwa auf die Feuerwehr, sondern auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde bezieht (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayFwG). Die Pflichten der Gemeinde (zur Unterhaltung einer Feuerwehr) sind demnach explizit durch die verwaltungsmäßige und finanzielle Leistungsfähigkeit begrenzt (Schober, 2014, S. 9 f). Eine »klamme« Finanzlage darf jedoch nicht als bedingungslose Entbindung von den Pflichten des Feuerwehrgesetzes verstanden werden. Die Gemeinden haben ihren Haushalt grundsätzlich so zu strukturieren, dass die notwendigen finanziellen Mittel vorhanden sind, um ihrer gesetzlichen Aufgabe zur Aufstellung, Ausrüstung und Unterhaltung einer den örtlichen Verhältnissen leistungsfähigen Feuerwehr gerecht werden zu können. Ein mangelnder oder unzureichender Ansatz im Haushalt befreit die Gemeinden nicht von dieser gesetzlichen Verpflichtung. Nach Schober kann eine Gemeinde erst auf das Erreichen der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit verweisen, wenn sie alle Möglichkeiten zur Kostenreduzierung bzw. Mittelbeschaffung ausgeschöpft hat (z. B. Aufnahme von Krediten, Akquise von Förderungen, Konzentration auf Pflichtaufgaben, interkommunale Zusammenarbeit u. v. m.).
Die Finanzsituation der Kommunen in Deutschland ist sehr unterschiedlich. Noch bis vor wenigen Jahren befanden sich »die Gemeinden, Städte und Landkreise in der schwierigsten Finanzsituation seit Beginn der 50er-Jahre.« (Albers & Rohloff, 2007) Zwar hat sich die Haushaltslage in den letzten Jahren stabilisiert, jedoch haben die finanziellen Einschnitte bleibende Schäden hinterlassen, von denen sich die Kommunen erst noch erholen müssen.
In Bild 9 ist der Haushaltsstatus der Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2017 dargestellt, um exemplarisch zu verdeutlichen, wie ernst es um die kommunalen Haushalte bestellt ist und wie gering die finanziellen Spielräume sind. Rund drei Viertel der knapp 400 Kommunen in Nordrhein-Westfalen weisen seit 2012 keinen ausgeglichenen Haushalt15 auf. Im Jahr 2017 befanden sich sogar insgesamt noch 167 Kommunen im Nothaushaltsrecht oder in der Haushaltssicherung.
Bild 9: Haushaltsstatus der Kommunen in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2017 (Quelle: Innenministerium NRW)
Bedingt durch die schlechten Haushaltssituationen haben sich auch die Ausgaben für kommunale Sachinvestitionen in Nordrhein-Westfalen in den letzten anderthalb Dekaden um die Hälfte verringert. Das stetig gesunkene Investitionsbudget hat natürlich auch bei der Feuerwehr bleibende Schäden in Form eines teilweise erheblichen Investitionsstaus hinterlassen. Damit wird deutlich, dass die angespannte Haushaltslage der Kommunen diese immer häufiger dazu zwingt, rationalisierend mit den öffentlichen Haushaltsmitteln umzugehen, bestehende Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und nach Einsparpotenzialen zu suchen. Davon sind auch die Feuerwehren als kommunale Einrichtungen nicht ausgenommen. Feuerwehrstrukturen dürfen jedoch nicht »kaputtgespart« werden. Gleichermaßen dürfen natürlich auch keine Prestigebeschaffungen für die Feuerwehr getätigt werden oder gar ein Beschaffungswetteifer mit benachbarten Feuerwehren entstehen.
Zu bedenken ist, dass die Ausstattung der Feuerwehr eng mit der Motivation der Einsatzkräfte verknüpft ist. Wird von den Feuerwehrangehörigen einer Kommune verlangt, sich ständig für den Einsatz bereitzuhalten, sich fortlaufend in der Freizeit aus- und fortzubilden, und alle Fertigkeiten zu besitzen, um die bestmögliche Brandbekämpfung und Technische Hilfe nach aktuellen Standards leisten zu können, dann sollte es als Selbstverständlichkeit angesehen werden, den Feuerwehrangehörigen auch die hierfür notwendige (zeitgemäße) Ausstattung zur Verfügung zu stellen.
Feuerwehr