Feuerwehrbedarfsplanung. Thomas Lindemann

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Feuerwehrbedarfsplanung - Thomas Lindemann

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ist festzustellen, dass sowohl mit als auch gänzlich ohne Feuerwehr das angestrebte Mindest-Sicherheitsniveau in der theoretischen Betrachtung sowohl erreicht als auch nicht erreicht werden kann. Die Vorhaltung einer Feuerwehr ist per se kein Garant für das Erreichen des angestrebten Sicherheitsniveaus.

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      Bild 11: Umfang verschiedener Maßnahmen zum Erreichen des angestrebten Mindest-Sicherheitsniveaus

      Gänzliches Aufgeben der Feuerwehr

      Durch die in den Feuerwehrgesetzen der Länder formulierte Aufstellungsverpflichtung einer Feuerwehr hat die Gemeinde grundsätzlich keine Wahl, ob sie eine Feuerwehr einrichtet oder nicht. Keine Feuerwehr einzurichten, verstößt gegen den Willen des Gesetzgebers. Kommt eine Gemeinde ihren gesetzlich zugewiesenen Pflichtaufgaben nicht nach, können die erforderlichen Maßnahmen rechtsaufsichtlich erzwungen werden.

      Es ist angesichts der Schrumpfungsprozesse jedoch zu befürchten, dass es trotz Ausschöpfung aller bedarfsplanerischen Maßnahmen insbesondere in peripheren ländlichen Regionen, die besonders stark vom Bevölkerungsrückgang betroffen sind, zu unvermeidbaren Extremfälle kommen wird, in denen sich eine Reduzierung des Versorgungsniveaus der Feuerwehr bis zur gänzlichen Aufgabe der Feuerwehr nahezu alternativlos zeigt.

      Die Realität zeigt, dass es bereits heute Gemeinden (z. B. in Mecklenburg-Vorpommern) gibt, in denen keine Feuerwehr mehr existiert, da nicht ausreichend geeignete Bürger für den Dienst in der Freiwilligen oder Pflichtfeuerwehr vorhanden sind und eine hauptamtliche Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes und der Hilfeleistung jenseits jeder Verhältnismäßigkeit liegt. Im Einsatzfall kommt die nächste Hilfe von den nächstgelegenen noch funktionierenden Feuerwehren von Nachbargemeinden.

      Auch von diesem Fall sind andere Bereiche der Daseinsvorsorge längst betroffen, bei denen offensiv die Debatte über den strukturierten Rückzug der Daseinsvorsorge aus ländlichen Räumen ohne erkennbare Entwicklungsperspektive geführt wird, indem Regionen gezielt abgesiedelt und dabei bestehende Strukturen und Angebote der Daseinsvorsorge aufgegeben werden.

      Aring (2011) stößt beispielsweise das (bisher eher akademische) Denkkonzept der »Garantie- und Selbstverantwortungszonen« an. Dabei erfolgt eine räumliche Differenzierung von Siedlungsgebieten unterschiedlicher Versorgungsangebote in zwei Bereiche: In den »Garantiezonen« wird für jeden einzelnen Infrastrukturbereich eine langfristige und suffiziente Versorgung sichergestellt. Dahingegen sind die Bürger in den »Selbstverantwortungszonen«, in denen es zu Abweichungen von den einschlägigen Standards kommt und in denen ortsspezifische Lösungen herhalten müssen, auf sich allein gestellt. Die Bürger können aktiv entscheiden, ob sie in Garantiezonen ziehen und wohnen wollen, in denen sie sich sicher sein können, langfristig auf alle relevanten Angebote der Daseinsvorsorge zurückgreifen zu können, oder ob sie in den Selbstverantwortungszonen (mit vielleicht höher Naturqualität) ziehen und wohnen möchten, in denen sie aber von der öffentlichen Hand keine Infrastruktur garantiert bekommen.

      Der Verzicht auf eine Feuerwehr ist weder wünschenswert noch eine grundsätzlich legitime Planungsoption. Allerdings wird man in den genannten Regionen und Extremfällen nicht umhinkommen, sich mit solchen Situationen beschäftigen zu müssen. An dieser Stelle müssen geeignete Kompensationsmaßnahmen getroffen werden, für die eine outcome-orientierte Betrachtungsweise wirkungsvolle Handlungsalternative aufzeigen kann und auch im Prozess der Feuerwehrbedarfsplanung effektive Lösungen anbietet.

      2.5 Qualität der Feuerwehr

      An mehreren Stellen in diesem Buch wird die Frage nach der Qualität der Feuerwehr aufgeworfen, die eng mit dem bedarfsplanerischen Versorgungsniveau der Feuerwehr verknüpft ist.

      Was genau die Qualität einer Feuerwehr und ihrer Arbeit ausmacht, ist bislang ungeklärt. In einigen Fällen wird die gesetzesmäßig geforderte Leistungsfähigkeit der Feuerwehr mit der Qualität der Feuerwehr gleichgesetzt. Und auch der Titel der AGBF-Empfehlungen für »Qualitätskriterien für die Bedarfsplanung von Feuerwehren in Städten« suggeriert, dass die Einhaltung der drei dort genannten Planungskriterien Hilfsfrist, taktische Einheit und Erreichungsgrad eine hohe und messbare Qualität der Feuerwehr widerspiegelt. Die Definition der Qualität der Feuerwehr ist jedoch komplex und eine Beschreibung über die Einhaltung des kommunalen Planungsziels greift deutlich zu kurz.

      Der Arzt und Gesundheitswissenschaftler Avedis Donabedian unterteilt Qualität in die Dimensionen Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität (Outcome): Die Strukturqualität umfasst die materiellen und personellen Ressourcen (technische Ausrüstung, Räumlichkeiten, Personalausstattung, Ausbildungsstand usw.) sowie die strukturellen und organisatorischen Gegebenheiten (z. B. Organisationsstruktur, Konzepte und Vorplanungen). Die Prozessqualität bezieht sich auf alle Tätigkeiten, die direkt oder indirekt der Leistungserbringung dienen. Sie beschreibt, ob die Komponenten der Struktur richtig zusammenwirken. Schlussendlich wird das Ergebnis anhand sachlicher Kriterien oder auch durch die Zielgruppe direkt bewertet und ergibt die Ergebnisqualität. Donabedian postuliert, dass die drei Dimensionen dabei nicht unabhängig voneinander sind, sondern dass die Strukturen auf die Prozesse wirken und diese letztendlich die Ergebnisqualität beeinflussen.

      Übertragen auf die Feuerwehr beinhaltet die Strukturqualität die wesentlichen bedarfsplanerischen Merkmale einer Feuerwehr gemäß Kapitel 2.2: Standortstruktur, Personalausstattung, Fahrzeugkonzept und auch die organisatorischen Regelungen. Der Feuerwehrbedarfsplan bildet also die Faktoren ab, die später die Strukturqualität beeinflussen, womit auch die im Bedarfsplan festgelegten Planungsziele sowie deren Einhaltung zur Strukturqualität gehören. In der Prozessqualität schlagen sich alle Tätigkeiten im Einsatzdienst nieder, von der Vorbereitung und Überprüfung der Fahrzeuge und Gerätschaften, über die Notrufannahme und die konkrete Abarbeitung der Einsatzstelle bis hin zur Nachbereitung und Dokumentation des Einsatzes. Für die Ergebnisqualität im Bereich des Feuerwehrwesens kommt eine Vielzahl an Kriterien in Frage, wenngleich es keines gibt, das als das allgemeingültige und abschließende angesehen werden kann. Naheliegend wären beispielsweise das Verhältnis von Brandtoten, Brandverletzten und Sachschaden zur Anzahl Feuerwehreinsätzen, aber auch die Anzahl von Unfällen im Feuerwehrdienst, Disziplinarverfahren gegen Einsatzkräfte oder auch die Bewertung der Betroffenen zum Beispiel in Form von Dankes- oder Beschwerdeschreiben sowie Medienberichte (beispielsweise Feyrer, 2005).

      Es wird an dieser Stelle deutlich, dass die Qualität oder Leistungsfähigkeit der Feuerwehr zumindest nicht allein durch die Einhaltung der Planungsziele im Feuerwehrbedarfsplan beschrieben wird. Daher ist angesichts der häufig (auch emotional) geführten Debatte zur Festlegung der kommunalen Planungsziele davor zu warnen, das Sicherheits- sowie Versorgungsniveau der Feuerwehr insbesondere durch die im Fokus stehende Eintreffzeit zu definieren.

      Die Eintreffzeit der Feuerwehr wird maßgeblich durch die Fahrstrecke und -zeit zur Einsatzadresse determiniert. Ein Bürger, der vom nächsten Standort der Feuerwehr weiter entfernt wohnt, unterliegt aber nicht automatisch einem geringeren »Sicherheitsniveau« als ein Bürger, der zwar näher am Standort der Feuerwehr wohnt, dessen Wohnung jedoch im Dachgeschoss eines zum Beispiel in Berlin üblichen dritten Hinterhofs liegt. In beiden Fällen benötigen die Einsatzkräfte der Feuerwehr möglicherweise die gleiche Zeit, bis ein Trupp der Feuerwehr zur Menschenrettung am konkreten Brandort tätig werden kann.

      Das bloße fristgerechte Eintreffen einer bestimmten Anzahl an Einsatzkräften an der Einsatzstelle (und ein dadurch erfülltes Planungsziel) ist noch kein Garant für einen erfolgreichen Einsatz, wenn nach Ankunft an der Einsatzstelle ein über das übliche Maß hinausgehendes Chaos entsteht (schlechte Erkundung, Fehleinschätzungen der Lage, Fehler im einsatztaktischen Vorgehen, Selbstgefährdung der Einsatzkräfte, schlecht ausgebildete

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