Feuerwehrbedarfsplanung. Thomas Lindemann

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Feuerwehrbedarfsplanung - Thomas Lindemann

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dem Hintergrund der begrenzten Ressourcen der Kommunen sowie der Vielzahl an gesellschaftlichen Herausforderungen, die nicht nur wie in Kapitel 1.3 skizziert das Feuerwehrwesen betreffen, darf nicht vergessen werden, dass die Feuerwehr nur eine von vielen Aufgaben und Einrichtung der Kommunen ist. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden und so obliegt es den politischen Gremien zu entscheiden, ob dies für die Verkehrsinfrastruktur, Kindergärten, Schulen, Kultureinrichtungen oder eben die Feuerwehr geschieht.

      Wenn alle öffentlichen Einrichtungen »den Gürtel enger schnallen« müssen und von Kürzungen ihres Leistungsangebotes betroffen sind, ist dann nicht folgerichtig auch in gleichem Maße die Feuerwehr als öffentlichen Einrichtung betroffen? Wenn insbesondere in den peripheren ländlichen Regionen die kulturellen Angebote eingestellt werden, der öffentlichen Personennahverkehr auf ein Minimum reduziert wird und sich selbst der Wasserversorger zurückzieht, ist es dann ethisch vertretbar, mit großem finanziellen Aufwand die Feuerwehr auf einem hohen Versorgungsniveau zu betreiben? Wenn im Extremfall in Regionen, die besonders stark vom Bevölkerungsrückgang betroffen sind und in denen die Versorgungsschwelle für eine zweckmäßige Leistungserbringung unterschritten wird, sogar über Siedlungsaufgabe und -rückbau diskutiert wird, muss sich dann nicht auch die Feuerwehr diesen Schrumpfungsprozessen geschlagen geben und sich in den gezwungenen systematischen Rückzug der öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge einfügen?

      Oder nimmt die Feuerwehr aufgrund ihrer Kritikalität eine Sonderstellung unter den Einrichtungen der Daseinsvorsorge ein? Die Schließung von Bibliotheken oder Schwimmbädern ist schon tragisch genug für das öffentliche Leben. Und auch das Aufgeben von Schulen oder Kindergärten stellt einen nahezu nicht hinnehmbaren Nachteil für die betroffene Bevölkerung dar. Während beide Beispiele jedoch keine potenziell tödlichen Folgen haben, bedroht die Schließung der Feuerwehr das verfassungsrelevante Schutzgut der »körperlichen Unversehrtheit«.

ImagesInfo:Kritikalität ist gemäß Definition des BBK das »relative Maß für die Bedeutsamkeit einer Infrastruktur in Bezug auf die Konsequenzen, die eine Störung oder ein Funktionsausfall für die Versorgungssicherheit der Gesellschaft mit wichtigen Gütern und Dienstleistungen hat.«

      Wenn es um Leib und Leben geht, ist in den Sicherheitsdiskursen und den damit in Zusammenhang stehenden Notwendigkeiten meist »Schluss mit lustig«, indem das »Grundgut Leben« zur Trumpfkarte wird und alle anderen Abwägungsprozesse nachrangig erscheinen und »ausgestochen« werden. Schließlich zählt Sicherheit zu den grundlegenden menschlichen Bedürfnissen. Wie in der vielfach zitierten Bedürfnispyramide des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow aufgeführt (dargestellt in Bild 97 im Kapitel 9.5.2), rangiert das Bedürfnis nach Sicherheit direkt in der zweiten Ebene nach den körperlichen Grundbedürfnissen wie Essen, Trinken und Schlafen und ist Grundvoraussetzung dafür, dass sich der Mensch selbstverwirklichen kann.

      Bei der Sicherheitsdebatte stellt sich aber auch die Frage, wie wahrscheinlich es ist, die Dienstleistung der Feuerwehr überhaupt in Anspruch nehmen zu müssen. Die Abwesenheit der Feuerwehr per se ist nämlich kein kritischer und lebensbedrohlicher Zustand, solange kein Brand oder andere Zwangslage eintritt. Dieser Betrachtungsweise entgegnet das Oberverwaltungsgericht Münster am 11.12.1987 (Az.: 19 A 363/86):

      »Es entspricht der Lebenserfahrung, dass mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muss. Der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehn telang kein Brand ausbricht, beweist nicht, dass keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muss.«

      Vorrang der Selbsthilfe- und Selbstschutzpflicht

      Ganz im Gegenteil: In der Diskussion um Sicherheitsleistungen durch die öffentliche Hand wird häufig vernachlässigt, dass zunächst der Bürger selbst für seine Sicherheit verantwortlich ist. So steht die Selbsthilfefähigkeit und -pflicht der Bevölkerung noch vor Aufstellung und Unterhaltung einer Feuerwehr im Vordergrund. Denn die Bevölkerung ist nach den Feuerwehrgesetzen der Länder, wie auch nach dem Gesetz zur Neuordnung des Zivilschutzes (§ 5 ZSNeuOG), ausdrücklich zur Selbsthilfe bzw. -schutz verpflichtet.

      Die Formulierungen in den Feuerwehrgesetzen sind dabei unterschiedlich scharf und eindeutig: In einigen Feuerwehrgesetzen wird »nur« die bürgerliche Pflicht zur Selbsthilfe gefordert oder den Gemeinden als Pflichtaufgabe auferlegt, die Selbsthilfe der Bevölkerung zu fördern. Dahingegen wird beispielsweise in Hessen (§ 1 Abs. 3 HBKG), Nordrhein-Westfalen (§ 1 Abs. 4 BHKG) und Rheinland-Pfalz (§ 1 Abs. 4 LBKG) deutlich herausgestellt, dass der Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und der Katastrophenschutz den Selbstschutz bzw. die Selbsthilfe der Bevölkerung durch im öffentlichen Interesse gebotene behördliche Maßnahmen ergänzen sollen. Die Gesetzgeber drücken damit unmissverständlich aus, dass die Selbsthilfe der Bevölkerung als Grundbaustein anzusehen ist und die öffentliche Feuerwehr nur als Ergänzung in den Bereichen dient, wo die Selbsthilfe nicht möglich ist oder ein öffentliches Interesse besteht. Soweit sich die Bürger selbst schützen können, sind sie auch dazu verpflichtet, dies zu tun.

      2.4 Outcome-orientierte Planung

      Wie alle Brandschutz- und Sicherheitsmaßnahmen ist auch die Feuerwehr und deren Bedarfsplanung kein Selbstzweck. Im folgenden Abschnitt wird mit einer outcome-orientierten Betrachtungsweise und einem Exkurs zu anderen Bereichen der Daseinsvorsorge dargestellt, zu welchem Ziel das Aufstellen, Ausrüsten und Unterhalten einer Feuerwehr eigentlich beitragen soll und wie dieses in den Kontext der Bedarfsplanung zu setzen ist.

      Ansätze in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge

      Ein Quervergleich zu anderen Bereichen der Daseinsvorsorge offenbart, dass sich nahezu alle für das öffentliche Leben relevante Einrichtungen und Angebote ähnlichen Herausforderungen hinsichtlich ihres Sicherstellungsauftrages konfrontiert sehen und die Feuerwehr keine Ausnahme darstellt.

      Unter »Daseinsvorsorge« werden Einrichtungen und Dienstleistungen verstanden, die als lebensnotwendig angesehen werden und/oder an denen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, zum Beispiel Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Rettungsdienst, Feuerwehr, Lebensmittel- und Nahversorgung, Tankstellen.

      Die Versorgung der Bevölkerung in urbanen Räumen ist in der Regel einfacher zu gewährleisten als in ländlichen Räumen, da eine ausreichende Auslastung der jeweiligen Einrichtungen und Leistungsangebote eine wirtschaftliche Sicherstellung der Daseinsvorsorge ermöglicht. Dahingegen stehen Räume, die besonders stark vom Bevölkerungsrückgang betroffen sind, vor kaum bewältigbaren Herausforderungen. Dort stoßen sowohl öffentliche als auch private Einrichtungen an die Grenzen ihrer wirtschaftlichen Rentabilität und Funktionsfähigkeit, da durch die Schrumpfungsprozesse die kritischen Versorgungsschwellen von Schulen, Ärzten, der Lebensmittelversorgung usw. unterschritten werden, sodass sich die Einrichtungen bis hin zur kompletten Aufgabe der Leistung gezwungen sehen.

      Um diesen Herausforderungen entgegenzutreten und die Lebensgrundlage der betroffenen Bevölkerung weiterhin zu sichern, bedarf es effektiver Handlungsansätze. Ein universeller Lösungsansatz konnte – ebenso wenig wie im Feuerwehrwesen – trotz vielschichtiger Dialoge, intensiver Forschung und zahlreicher Modellvorhaben bisher nicht gefunden werden. Dieser Umstand findet seine Begründung darin, dass mögliche

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