Schwabens Abgründe. Группа авторов

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drei Wochen. Als Moritz … Als die Sache mit Moritz …« Sie schien den Tränen nahe. »Was ist eigentlich genau passiert? Dort am Berg, meine ich?«

      Ihre Stimme klang so merkwürdig, dass Ted für eine Sekunde alarmiert war. Aber ein weiterer Blick zu seiner Chefin, die zum bestimmt dreißigsten Mal vergeblich versuchte, ihr Auto zu starten, wobei nach dem ersten Mal schon klar gewesen war, dass hier Hopfen und Malz verloren waren, zerstreute seine Bedenken. Von der ging mit Sicherheit keine Gefahr aus. Die bemerkte eine kriminelle Handlung wahrscheinlich erst dann, wenn jemand direkt vor ihren Augen erschossen wurde. Abgesehen davon hätte sie ihn kaum im Auto mitgenommen, wenn sie einen Verdacht gehabt hätte.

      »Ich …«, fuhr Susanne fort, »ich weiß, Sie wollen eigentlich nicht darüber sprechen, weil es Ihnen verständlicherweise zu Herzen geht, aber …« Eine Träne rann nun ihre Wange hinunter. »Ich habe Moritz geliebt, ich muss es wissen. Ob er gelitten hat. Sie waren doch ganz in der Nähe, Ted. Haben … haben Sie ihn abstürzen sehen?«

      Ted sah in den Fußraum. Auf die Aktentasche. Erneut legte Susanne ihm ihre Hand mit den roten Fingernägeln auf den Arm. »Bitte«, flehte sie. »Können Sie mir erzählen, was passiert ist? Und falls die Staatsanwaltschaft mich wirklich beschuldigen sollte, etwas mit Moritz’ Tod zu tun zu haben … Können Sie denen sagen, dass die sich irren? Bitte, Ted.«

      Daher wehte also der Wind. Es hätte ihn auch gewundert, wenn Susannes Liebe zu dem über vierzig Jahre älteren Moritz echt gewesen wäre. Er nickte ernst.

      »Moritz’ Tod war eindeutig ein Unfall. Ich habe es gesehen«, sagte er und sah Susanne direkt in die Augen. »Eine Tragödie.« Es gelang ihm, eine Träne zu verdrücken. Was schwierig war, denn es war so ein herrliches Gefühl gewesen, dort auf dem schmalen Pfad an der Felswand endlich nicht mehr zu buckeln, sondern Moritz mit einem harten Stoß in die ewigen Jagdgründe zu verabschieden. »Ein Fehltritt von Moritz auf dem nassen Untergrund … Er hat das Gleichgewicht verloren … Ich habe noch versucht, zu ihm vorzudringen, ihn zu retten, aber es war bereits zu spät, ich war zu weit weg.« Ted rieb sich mit einer theatralischen Geste über die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen. »Ich habe immer dieses Bild vor Augen, dieses Entsetzen in seinem Gesicht, als er den Halt verloren hat.« Er räusperte sich, legte nun seinerseits die Hand für einen Moment auf Susannes Arm. »Aber es ging schnell, Moritz hat nicht gelitten. Ein kurzer Flug, ein platschendes Geräusch …«

      Susanne stöhnte auf.

      »Er hatte noch so viel vor, trotz seines stattlichen Alters.« Ted senkte den Kopf. »Ein wundervoller Mensch, ein herausragender Anwalt.«

      Ohne die Tricks, die ihm der alte Arsch seinerzeit beigebracht hatte, hätte er nie im Leben so viel Geld unbemerkt beiseiteschaffen können, dachte er gehässig. Und wahrscheinlich hätte er seinen ersten Mord auch nicht durchgezogen. Sein damaliger Vermieter, eine uralte Geschichte, die ihm heute noch peinlich war, unüberlegt, schlecht geplant, riskant. Ein Wunder, dass er nicht im Knast gelandet war. So was würde ihm heute nicht mehr passieren, er hatte gelernt, seine Gefühle zu beherrschen, er hatte nicht mal Eva umgelegt, und da war er die letzten Monate seiner Ehe ganz dicht davor gewesen. Und Susanne auch nicht, obwohl sie ihm vor vier Jahren, mit achtundzwanzig, die Leitung der Strafrechtsabteilung weggeschnappt hatte und trotz ihrer hübschen Fassade nervig war wie die Pest. Er war ja kein verrückter Serienmörder. Er löste nur gelegentlich Probleme, die sich anders nicht lösen ließen. Und Moritz war selbst schuld. Hätte er mal seine Nase nicht in Dinge gesteckt, die ihn nichts angingen, dann wäre er jetzt noch am Leben. Aber Moritz musste ja die falschen Fragen stellen. Abgesehen davon hatte er Ted die saftige Gehaltserhöhung und die Partnerstelle verweigert, die ihm zugestanden hätten. Sich das Geld, das ihm gebührte, selbst zu verschaffen und Moritz zu beseitigen, war der einzige Ausweg gewesen.

      Ted bewegte seine kalten Füße, immer darauf bedacht, ja nicht an die Aktentasche zu stoßen. Der Regen prasselte unvermindert auf die Scheibe. Er holte sein Handy aus seiner Jackentasche, steckte es jedoch wieder zurück, ohne seine WhatsApp-Nachrichten abzufragen. Langsam verspannten sich seine Schultern. Wie lange konnte so ein verdammter Abschleppwagen brauchen?

      »Irgendwas ist mit der Standheizung nicht in Ordnung«, murmelte Susanne in die Stille. Ihre großen Augen sahen aus wie die eines verletzten Rehs. »Es ist wirklich sehr frisch hier drin.«

      Er wusste nicht genau, ob es der Urinstinkt des Beschützers oder einfach ein Moment geistiger Umnachtung war, aber er bot Susanne seinen Mantel an. Sie zog ihn über ihre Jacke, und er blieb in Jackett und Armanihemd zurück. Kurze Zeit später fing er an zu bibbern. Der dreibeinige Edelstahlbrotkorb, den ihm seine Sekretärin zum Abschied geschenkt hatte und der ihm als Vorwand für seinen etwas überstürzten Aufbruch kurz vor der Kanzleidurchsuchung gedient hatte, eine der kreativsten Problemlösungs-Ideen seines Lebens im Übrigen, lag neben der Tasche im Fußraum und fror wie die stachelige Eisskulptur eines außerirdischen Virus fast an seinem Knöchel fest. Wenn der Abschleppdienst nicht bald kam, war es vermutlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der Schnitter an die Scheiben des Oldtimers klopfte. Normalität vorspielen war das eine, aber warum hatte er sich aufführen müssen wie ein Heiliger? Er war ja besser als Sankt Martin! Der hatte nur den halben Mantel abgegeben. Was gar nicht so blöd gewesen war. Aber jetzt den Fehler zu beheben und mit dem Metalleiskratzer einen Teil des Mantels abzuschneiden, war definitiv keine so gute Idee. Außerdem würde die kleinste Bewegung dazu führen, dass sich seine mittlerweile ziemlich volle Blase in Susannes Fußraum ergoss. Wo blieb der verdammte Abschleppdienst?

      »Kennen Sie sich mit Autos aus, Ted?« Susannes Augenaufschlag war kokett.

      »Natürlich«, gab er zurück, in einem Ton, als wäre es absurd, etwas anderes auch nur zu denken.

      »Meinen Sie, Sie könnten mal einen Blick auf den Motor werfen? Ich fürchte, wir müssen uns selbst helfen. Ich erfriere gleich.«

      Erfrieren. Im Auto. Mit zwei Mänteln. Er lachte sich kaputt. Das Bedürfnis, ihr einfach den Hals abzudrücken, flammte für eine Sekunde auf, wurde so stark, dass er sich auf die Wange beißen musste. Er zwang sich, »mit dem größten Vergnügen schaue ich nach dem Motor« zu sagen und stieg in den Eisregen hinaus. Er hatte ein Ziehen im Magen wegen der Aktentasche, die er zurücklassen musste, aber sie mitzunehmen wäre kaum erklärbar gewesen. Und er konnte immer noch über einen Plan B nachdenken, der Halszudrücken mit einschloss, falls Susanne an seine Papiere ging. Das Inferno prasselte auf ihn nieder und durchweichte in wenigen Sekunden sein Jackett und seine Hose, während seine Chefin gemütlich durch die Scheibe zu ihm hinaussah und nebenher mit ihrem Handy herumspielte. Gott, hatte er Lust, sie umzulegen.

      Es dauerte eine Weile, aber schließlich bekam er die Motorhaube auf, und pro forma starrte er kurz auf das Gewirr aus Schläuchen und Kabeln. Er beugte sich sogar weit nach vorne und tat so, als ob er einen Fehler begutachtete, und der gottverdammte Eisregen lief ihm ins Genick. Sein Kopf tat weh. Er spürte seine Hände nicht mehr. Außerdem stand seine Blase kurz vor der Eruption. Und die Blöße, vor seiner Chefin an den Straßenrand zu pinkeln, konnte er sich nicht geben. Vielleicht sollte er sein Wissen aus dem Gleichberechtigungsseminar, das die ganze Kanzlei letztes Jahr hatte besuchen müssen, anwenden und Susanne mit Gewalt aus dem Auto zerren, damit sie ihre Karre mal schön selbst reparierte. Was sein Technikverständnis anging, war er nämlich gleichberechtigt mit Frauen: Dieser Motor war ein Buch mit sieben Siegeln für ihn.

      Er schluckte. Tief durchatmen. Das war nicht der richtige Moment für Emanzipation. Bibbernd, aber entschlossen ging er den kurzen Weg zur Beifahrertür und stieg wieder ein. Hatte die Frau sich gerade ruckartig aufgerichtet? Hatte sie etwa in seine Aktentasche geschaut? Und warum hatte sie ihr Handy so schnell weggesteckt? Der Brotkorb sah schwer genug aus, um ihr damit den Schädel … Er schüttelte den Kopf. Er musste ruhig bleiben. Keine weitere Leiche. Die Papiere in den Kamin werfen hatte oberste Priorität. Und am nächsten Tag den Flieger besteigen. Jahre, bevor der fette Staatsanwalt

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