Nebelrache. Nancy Farmer

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Nebelrache - Nancy  Farmer

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der Luft verbunden. Als wir nach Mittelerde zurückkamen, musste ich mich anfangs sehr konzentrieren, um die Vögel zu verstehen, aber im Laufe der Zeit sind ihre Stimmen immer deutlicher geworden.“

      „Das ist eine wundervolle Gabe“, stellte Jack voller Neid fest und fügte hinzu: „Ich wünschte, ich würde sie ebenfalls besitzen.“

      „Nein, ist es nicht.“ Thorgil ließ sich ins Gras fallen. Ein paar Drosseln zwitscherten sich in den Bäumen etwas zu und Jack fragte sich, was sie wohl sagten. Plötzlich bekam er ein Gefühl für das miteinander verwobene Leben im Haselwald – für die Maulwürfe, die blind die Erde vor sich herschoben, die Fische auf ihrer Wanderung den Bach hinauf, die Libellen, die in den Sonnenflecken herumsurrten, die durch die Baumkronen fielen. Der ganze Wald war wie ein großes Lebewesen, das nach etwas strebte – aber nach was?

      Thorgil unterbrach seine Gedanken. „Anfangs war es lustig, etwas zu können, was kein anderer konnte. Aber dann wurde ein Fluch daraus. Du musst wissen, dass Vögel nie den Schnabel halten. Du kannst dir nicht vorstellen, wie grässlich es ist, jeden Morgen nach dem Aufwachen als Erstes Gejammer über Regenwürmer und juckende Federn hören zu müssen.“

      Sie ließ den Kopf hängen. Dabei sah sie so verzagt aus, dass Jack nicht mehr daran dachte, wie sehr sie Mitgefühl verabscheute, und ihr aus einem Impuls heraus den Arm um die Schultern legte.

      „Bemitleide mich gefälligst nicht!“, fauchte Thorgil ihn an und schubste ihn grob zur Seite.

      „Was ist los mit dir? Ich wollte doch nur nett sein!“, fuhr Jack sie an.

      „Du behandelst mich wie ein dummes Mädchen.“

      „Du bist ein Mädchen“, erwiderte Jack.

      „Ich bin eine Schildmaid, keine rotznäsige angelsächsische Kuh!“

      „Wann hörst du endlich auf, meine Leute zu beleidigen, und siehst dich mal selbst an?“, rief Jack empört aus. „Du zeigst weniger Dankbarkeit als eine Sumpfratte. Musst du jeden beleidigen, der dir über den Weg läuft?“

      „Ich werde meine Ansprüche bestimmt nicht herunterschrauben, nur weil ich in einem Schweinestall leben muss“, konterte Thorgil hochnäsig.

      „Schweinestall? Wie kannst du es wagen, so etwas zum Haus meiner Eltern zu sagen? Ich weiß noch gut, dass du im Nordland bei den Hunden geschlafen hast, weil das die Einzigen waren, die dich geduldet haben.“

      „Selbst ein Nordmann-Hund hat mehr Ehre als ein winselnder Angelsachse.“

      „Tatsächlich? Nun, jeder winselnde Angelsachsen-Hund hat mehr Ehre als ein Thrall, der außerdem nur ein halber Nordmann ist!“, brüllte Jack ihr ins Gesicht.

      „Ich bin kein Thrall!“, kreischte Thorgil und schnappte nach ihren Sammelbeuteln. „Und ich werde das Haus deiner Eltern nie wieder betreten!“ Bevor er etwas dazu sagen konnte, war sie schon davongestürmt.

      So viel zu Thorgils guter Laune, dachte Jack und rieb sich die Beule an seinem Kopf. Dann ging er in die andere Richtung davon.

      Nach einer Weile hatte er sich wieder beruhigt und bedauerte ihren Streit. Aber Thorgil konnte einen auch zur Weißglut treiben! Sogar Olaf Einbraue hatte sie regelmäßig umgehauen, wenn sie einen ihrer Wutanfälle hatte. Natürlich hatte Olaf jeden regelmäßig umgehauen, auch Jack. Das war bei den rauen Nordmännern eben so üblich.

      Jack setzte sich in den Schatten eines Baums, horchte in sich hinein und versuchte, das merkwürdige Gefühl wiederzufinden, das er zuvor gehabt hatte; dass der Wald ein Wesen mit einem einzigen Streben war. Vielleicht lag es an der starken Konzentration der Erdmagie oder vielleicht – ein eisiger Finger schien plötzlich Jacks Herz anzutippen – herrschte hier der Herr des Waldes; vielleicht war ja der Haselwald ein Ausläufer seines Reiches. Jack erinnerte sich noch gut an das gedämpfte Wispern der Blätter in diesem Reich und daran, wie die Wurzeln plötzlich hochgekommen waren, um nach seinen Knöcheln zu schnappen.

      Das hier ist nicht das Land der silbernen Äpfel. Ich mache mich nur selbst verrückt, sagte er sich. Der Herr des Waldes hätte nie erlaubt, dass seine Bäume so stark zurückgeschnitten wurden, wie es hier gemacht worden war. Dies war Jacks Land, wo die Leute vernünftig waren. Hier geisterten keine piktischen Götter herum.

      Er vertrieb alle Gedanken, um die Erdmagie zu rufen. Komm zu mir. Zeig dich. Zeig mir die Pfade, auf denen du reist. Aber der Wald blieb unverändert, die Vögel flatterten von Ast zu Ast, Frösche quakten, und in den Zweigen arbeiteten Spinnen an ihren Radnetzen.

      Im Westen neigte sich die Sonne, und Jack fiel ein, dass er die Kräuter noch nicht gesammelt hatte, die der Barde brauchte. Er suchte die Grenze zwischen dem Eichen- und dem Haselwald ab. Dort fand er ein paar Büschel Minze und kaute eine Handvoll der Blätter, um seinen Hunger zu betäuben. Er sammelte Alant gegen Husten, Fenchel gegen Bauchweh und Baldrian gegen unruhigen Schlaf. Er pflückte auch Beifuß gegen das Fliegende Gift, das von Haus zu Haus zog und Fieber mitbrachte.

      Unter einer Birke entdeckte Jack Fliegenpilze, die zwar sehr hübsch, aber auch sehr gefährlich waren. Ihr leuchtend roter Hut war mit weißen Tupfen übersät, und der Barde hatte gesagt, dass die Nordmänner diese Pilze manchmal benutzten, um zu Berserkern zu werden. „Sie bekommen davon Visionen und gelegentlich bringt es sie auch um“, hatte der Barde erzählt. „Zu schade, dass das nicht häufiger passiert.“ Jack fragte sich, ob Thorgil jemals davon gegessen hatte.

      Wo steckte sie? Sie würde ihre Drohung wahr machen, sich von Jacks Elternhaus fernzuhalten. Wenn sie so etwas sagte, war das bei ihr stets gleichbedeutend mit einem Schwur. Er würde Mutter und Vater erklären müssen, warum sie nicht mehr kam, aber die beiden würden erleichtert sein. Mittlerweile hatten alle Thorgils ewige Streitereien mit den Tanner-Mädchen satt. Wohin würde sie gehen? Vielleicht würde John der Böttcher sie in seiner Scheune schlafen lassen. Er hatte ihr Geschick im Umgang mit Pferden bewundert. Und wenn es Winter wurde, konnte sie beim Barden einziehen.

      Jack sammelte ein paar der Fliegenpilze ein und achtete darauf, dass sie keinen Kontakt zu den anderen Kräutern bekamen. Ein Eichhörnchen flitzte an einem Stamm hoch, und es hatte einen Fliegenpilz im Maul. Jack warf einen Stock nach ihm, damit es den giftigen Pilz fallen ließ, aber das Eichhörnchen kletterte so hoch, dass er es nicht mehr erreichen konnte, und knabberte an der giftigen Beute. Vielleicht haben Eichhörnchen gern Visionen, dachte Jack und hoffte nur, dass das Tierchen nicht tot vom Baum fallen würde.

      Die Sonne versank hinter den Hügeln. Die Dämmerung verbreitete sich über dem Wald, und Dunst stieg aus dem feuchten Boden auf, sodass es aussah, als trieben die Bäume in einem weißen Meer. Und plötzlich verstummten die Vögel. Das ausgelassene Gezwitscher, das sonst immer den Sonnenuntergang begleitete, war auf einmal weg, als wäre zwischen den Bäumen ein unsichtbarer Feind aufgetaucht. Die Dämmerung wurde dunkler, die Kühle kälter, die Erde feuchter.

      Jack rührte sich nicht.

      War es ein Wolf? Oder, Gott behüte, ein Bär? Merkwürdigerweise konnte er Seetang riechen, obwohl es vollkommen windstill war. Hat sich einer der Pfade zwischen den Welten geöffnet?, dachte Jack aufgeregt und ein wenig ängstlich zugleich. Wenn ja, was war hindurchgegangen?

      Eine kalte Erscheinung verbreitete sich im Nebel. Sie umhüllte ihn mit solcher Bosheit, dass er nach Luft schnappte und beinahe seine Beutel fallen ließ. Eine solche Kälte hatte er seit seiner Begegnung mit Frith Halbtroll nicht mehr gespürt. Es war wie eine Tür ins Herz des Winters. Sein Körper wurde eiskalt, und sein Kopf war wie leer gefegt.

      In weiter Ferne

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