Nebelrache. Nancy Farmer

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Nebelrache - Nancy  Farmer

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den Sturm wurden viele Tiere in alle Winde verstreut. Mich hat erst heute eine Kuh furchtbar erschreckt, die nach ihrem Kalb gebrüllt hat. Man täuscht sich leicht, wenn es dunkel und man allein ist. Als ich mal nachts unterwegs war, sah ich plötzlich am Wegrand ein Paar riesiger blau glühender Augen aufleuchten.“

      „Wirklich? Was habt Ihr dann getan?“

      „Es gab kaum etwas, das ich hätte tun können. Der Mond war hinter einer Wolke verschwunden, und ich konnte kaum erkennen, wohin ich meine Füße setzte. Ich schickte ein stummes Gebet zum heiligen Kolumban und ging langsam weiter, das Kreuz um meinen Hals fest umklammert. Und dann – keine fünf Schritte entfernt – tauchte auf der anderen Straßenseite ein zweites leuchtendes Augenpaar auf.“ Bruder Aiden biss von seinem Brot ab und kaute bedächtig. Er konnte fast genauso gut Geschichten erzählen wie der Barde und wusste genau, wann er eine Pause machen musste, um die Spannung zu erhöhen.

      Jack wartete ungeduldig, dass der Mönch endlich schluckte.

      „Ich ging ein paar Schritte weiter“, fuhr Bruder Aiden fort, „und das Nächste, was ich sah, war ein drittes Augenpaar direkt vor mir auf der Straße. Möchtest du etwas Most? Deine Mutter hat mir heute Morgen einen Schlauch voll bringen lassen.“

      „Nein! Ich meine, nein, vielen Dank. Bitte erzählt weiter“, drängte Jack. Der Mönch lächelte zufrieden.

      „Also gut. Ich stand bewegungslos und wagte keinen Schritt mehr zu machen. Wenn ich mich umgedreht hätte, wären mir die Bestien in den Rücken gesprungen. Ich schickte ein Gebet zum heiligen Christophorus, der die Reisenden beschützt. Dann habe ich Jesus meine Seele anempfohlen, für den Fall, dass Christophorus gerade anderweitig beschäftigt war. Jemand muss aber zugehört haben, denn plötzlich kam der Mond hinter den Wolken hervor und die Straße war von wundervollem Licht erfüllt. Und ob du es glaubst oder nicht – die Augen waren verschwunden. An ihrer Stelle waren nun Schafe – ganz normale Schafe. Du siehst also, welche Streiche uns der Verstand spielt, wenn wir Angst haben. Ich bin sicher, dass dein Ungeheuer etwas ebenso Normales ist.“

      Jack unterdrückte den Drang, ihm zu widersprechen. Er hatte ein außergewöhnlich gutes Gespür für die Dinge, die jenseits des Alltags lagen. Manchmal wurde ihm vom Zaubern richtig schlecht, und der Barde sagte, das läge daran, dass seine Abwehr zu schwach war. Es brauchte Jahre, bis man gewisse Kenntnisse ertragen konnte, und Jack hatte viele davon erlangt, bevor er reif dafür gewesen war. Der unglaubliche Hass, den das Ungeheuer ausgestrahlt hatte, war real gewesen. Er brauchte es nicht zu sehen, um zu wissen, dass es ein Feind war.

      Jack legte die Glocke auf die Seite und achtete sehr darauf, den Klöppel festzuhalten. Die Glocke war eckig mit abgerundeten Ecken, und im Feuerschein schimmerte sie rötlich. Trotz ihrer schlichten Machart hatte sie eine edle Ausstrahlung, die Jack an Paläste und Könige denken ließ. „Die ist schön“, stellte er fest.

      „Mit Gold überzogene Bronze“, sagte Bruder Aiden stolz. „Das gibt ihr diesen tiefen, musikalischen Ton.“

      „Der Klöppel sieht aber aus wie Eisen“, bemerkte Jack.

      „Gut beobachtet. Bronze wäre zu hart und würde die Glocke beschädigen.“

      „Warum ist er geformt wie ein Fisch?“, fragte Jack. Tatsächlich war der Klöppel ein richtiges Kunstwerk mit Flossen und Schuppen und zwei runden Fischaugen, die über den unteren Rand der Glocke hinausragten. Der Fischklöppel war etwas mitgenommen vom Gebrauch.

      „Pater Severus sagt, dass der Fisch die Kirche symbolisiert. Möchtest du noch Eintopf?“

      „Nein, danke“, sagte Jack höflich, obwohl er ohne Mühe den Topf hätte leer essen können. Aber er wusste, dass der Eintopf eigentlich das morgige Frühstück des Mönchs war. So räumten sie ab, Jack scheuerte ihre Schalen mit Sand aus, und Bruder Aiden verstaute die Essensreste in seiner Truhe.

      Der Halbmond am Himmel schickte gerade genügend blasses Licht zur Erde, dass Jack sich auf den Rückweg zum Haus des Barden machen konnte. Er sammelte seine Beutel ein und steckte das Messer wieder in die Scheide am Gürtel. „Warum begleitet Ihr mich nicht?“, schlug er vor. „Der Barde schätzt Eure Gesellschaft.“

      „Ich komme morgen früh“, sagte Bruder Aiden. „Heute Abend muss ich über vieles nachdenken. Ich will wissen, was es mit dem Schrei auf sich hat, den du gehört hast.“

      Jack schaute erschrocken auf. Also ahnte der Mönch doch etwas, von dem er nicht erzählen wollte. „Seid Ihr hier sicher?“, fragte Jack besorgt, denn gerade waren ihm die ums Haus lauernden Schatten und die große Entfernung zu den nächsten Nachbarn bewusst geworden.

      „Niemand ist in dieser Welt vollkommen sicher“, antwortete Bruder Aiden. „Wenn es Gott gefällt, mich heute Nacht zu sich zu rufen, hoffe ich, tapfer zu gehorchen. Ich werde ausharren. Es gibt allerdings keinen Grund, Was-immer-es-ist in Versuchung zu führen. Ich werde die Glocke zu mir ins Haus nehmen, wenn auch nur der Herr allein weiß, wo ich dann noch Platz für meinen Kopf finden soll.“

      Auf dem Heimweg über die Felder sah Jack sich immer wieder um, weil er sehen wollte, ob der Mönch noch draußen saß. Er glaubte zu erkennen, wie die Tür der Hütte geschlossen wurde und das Feuer plötzlich verblasste, als wäre etwas daran vorbeigelaufen. Riesige blau glühende Augen, dachte er und suchte die Dunkelheit ab. Wieso blau? Irgendwie war die Farbe der gruseligste Teil der Geschichte.

      Rechts vom Weg lag das Meer, dessen graue Wellen an den Strand schwappten und sich dann wieder zurückzogen. Auf der linken Seite schlängelte sich ein schwarzer Bach entlang. Es roch nach Seetang und Mädesüß und in der Luft hing ein feiner, salziger Dunst. Auf dem letzten Stück des Weges konnte Jack das Meer nicht mehr sehen, aber er hörte, wie es rauschte und den Kies überspülte. Endlich erreichte er das Haus des Barden und war dankbar, wie schön warm es war.

      „Das wird auch Zeit“, schimpfte der Barde, der mit Seefahrer zu seinen Füßen am Feuer saß. „Ich wollte schon eine Fledermaus nach dir ausschicken. Wo ist Thorgil? Erzähl mir nicht, dass sie jetzt auch noch Mondstrahlen sammelt.“

      „Ich habe dir gesagt, du sollst keinen Streit anfangen“, sagte der alte Mann und spannte Schnüre quer durch den Raum. „Sie ist wie ein Schiff ohne Ballast, dem Wind hilflos ausgeliefert.“

      „Ich habe den Streit nicht angefangen“, widersprach Jack missmutig und hängte die Kräuter zum Trocknen auf die Leinen. Er hatte berichtet, was am Tag vorgefallen war, und seinen Bericht mit dem Schrei und seinem Besuch bei Bruder Aiden beendet.

      „Nein, aber du hast deinen Teil dazu beigetragen. Nur Freya weiß, wo Thorgil sich verkrochen hat.“ Der Barde öffnete den Beutel mit den Fliegenpilzen und schnupperte daran. „Hervorragend! Ich wollte dich schon bitten, nach diesen Pilzen Ausschau zu halten.“ Er fädelte die Pilze auf eine Schnur.

      „Ihr wollt die aber … nicht essen, oder?“, fragte Jack zögernd. Er erinnerte sich daran, wie die Nordmänner die Pilze dazu benutzt hatten, zu Berserkern zu werden.

      „Meine Sterne, Junge. Ich bin doch nicht verrückt. Sobald diese Pilze getrocknet und zu Pulver zerrieben sind, kommen sie in eine meiner besten Mixturen: Beelzebubs Wunderwaffe gegen Fliegen. Ich habe das Rezept entdeckt, damals, als ich Hrothgars Thronsaal ausräucherte. Du kannst dir nicht vorstellen, wie widerwärtig ein Raum sein kann, nachdem sich ein Monster dort ausgetobt hat. Habe ich dir schon mal erzählt, wie ich Beowulf das Leben gerettet habe?“

      „Ja, Herr“, sagte Jack. Er mochte diese Geschichte, aber jetzt wollte er lieber erfahren, was es mit den Fliegenpilzen auf sich hatte.

      „Hrothgar

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