Wörterbuch des besorgten Bürgers. Группа авторов

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alt="image"/> Muslimen selbst gegenüber intolerant sein zu dürfen − mit dem Verweis auf ihre angebliche kulturell-religiös bedingte Unfähigkeit zu Toleranz und Freiheit. Einige Kirchenvertreter und andere Konservative haben mittlerweile gelernt, zumindest für den Moment einen liberalen Umgang mit den Blüten aufgeklärter Gesellschaften zu suggerieren und zum Beispiel Schwule und Lesben einzubeziehen, damit diese Rechnung gegen den Islam aufgeht. Bei den Homophoben von AfD, Pegida und sächsischer Kirche allerdings ist man selbst für diesen Kniff zu blöd. [mr]

       Cui bono?

      »Wem zum Vorteil?«: Angesichts von Verbrechen, historischen oder aktuellen politischen Geschehnissen ist die Frage, wer davon profitiert, folgerichtig, um auf eine erste Spur der Verantwortlichkeit zu kommen. Nur kann beim Suchen nach dem möglichen Motiv nicht stehen bleiben, wer wirklich aufklären will. »Wem das Verbrechen nützt, der hat es begangen«, wie Seneca in seiner Tragödie Medea schreibt, ist eben nicht die ganze Antwort. So verführt die eilig beantwortete Frage zum Fehlschluss.

      In der Verschwörungstheorieecke blüht »Cui bono?« seit Langem als Pauschalerklärung für dies und das. Weil die USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Krieg zogen, müssten sie hinter den Ereignissen stecken. Die Pharmaindustrie habe HIV auf die Menschheit losgelassen, um sich dadurch auf Jahrzehnte einen Absatzmarkt zu sichern. Dass jemand Nutznießer eines Umstands sein kann, ohne diesen verursacht zu haben, kommt den »Cui bono?«-Rhetorikern nicht in den Sinn. Komplexes lässt sich derart einfach zu hübsch auf simple Antworten reduzieren. Ein Beispiel: Die islamistischen Anschläge von Paris? Um Pegida-Demos zu verbieten! image USA und image Zionisten schüren damit antimuslimischen Hass! Wohnungen für Flüchtlinge werden dadurch freigemacht!

      Lustigerweise geriet Pegida selbst unter »Cui bono?«-Beschuss. Ken Jebsen, Galionsfigur der Querfront-Friedensmahnwachen, mutmaßte, Pegida wurde von oben installiert. Damit werde gerechter Volkszorn kanalisiert, statt das System revolutionär zu erschüttern. [tp]

       D-Mark

      Der Geldfetisch ist in kapitalistischen Verhältnissen keine abnorme Vorliebe, sondern deren Grundlage. Er ist Ausdrucksmittel des Tauschwerts. Einen besonderen Fetisch beten die Besorgten wie viele andere Deutsche in der D-Mark an. Wenige Währungen sind symbolisch derart aufgeladen. Im Westen gilt die Deutsche Mark, ab 1948 Zahlungsmittel, als Zeichen von Wirtschaftswunder und nationaler Stärke. Die Rede von der harten Westmark bestimmte bald die Ereignisse von image 89: »Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr!« führten Demonstranten auf Transparenten mit. So wurde sie auch zum Symbol für die Wiedervereinigung. Den späteren Bezahlvorgang mit dem Euro empfanden hingegen viele als Schmach.

      Bis heute wird der 1999 eingeführte Euro − die D-Mark war bis Dezember 2001 als Bargeld im Umlauf − als »Teuro« wahrgenommen. Tatsächlich führte die Währungsreform zunächst zur Verteuerung, auch weil Unternehmen die Umrechnung mit großzügigem Aufrunden zur Preissteigerung nutzten. Auf lange Sicht gebe es aber nur eine gefühlte Inflation, versicherte die Mehrheit der Ökonomen. Geholfen hat das nichts. Laut einer Umfrage der GfK-Marktforscher anno 2016 sollen noch 45 Prozent aller Deutschen bei Kaufentscheidungen in D-Mark umrechnen.

      Nostalgie und Nationalismus: Euro und D-Mark sind auf Besorgtendemos gern gezeigte Insignien mit gegensätzlicher Symbolkraft. Der eine steht nicht nur für eine vermeintlich schwache Währung, sondern für den gesamten politischen Apparat der Europäischen Union. Die Mark erinnert an imaginierte bessere Zeiten und strahlt zugleich die Hoffnung aus, mit der D-Mark-Rückkehr würden solche wieder anbrechen. [tp]

       Danke, Merkel!

      Besorgt ist oft gleichzusetzen mit pauschal, wie sich an der zynischen Formulierung »Danke, Merkel!« zeigt. Mit der schließen Besorgte gern, nachdem sie auf Missstände hingewiesen haben. »Wir werden von muslimischen Asylanten überrannt!«, »Bald werden wir kein Weihnachten mehr feiern dürfen!«, »Alles geht den Bach runter, und zwar wegen der Flüchtlingspolitik in diesem Land!« − »Danke, Merkel!« Die Bundeskanzlerin fungiert dabei als so etwas wie eine Führerin mit negativem Vorzeichen: Eine Person, die alles (hin-)richtet.

      Im September 2016 plante die AfD, Plakate mit dieser Phrase zu drucken, die direkt nach möglichen Terroranschlägen in Deutschland verbreitet werden sollten. Als Pauschalvorwurf an die Bundeskanzlerin und Verhöhnung der Opfer. Eine Facebook-Seite mit eben diesem Namen ironisiert den Beleidigte-Leberwurst-Ausdruck mittlerweile. Ob kaputte Bierflaschen, leere Klopapierrollen oder selbstverschuldete Fahrradunfälle − immer gilt: »Danke, Merkel!« [ng]

       Demokratie

      Sie wird umstandslos geliebt und ist Fixstern aller Debatten, ob besorgt-bürgerlich, staatstragend oder progressiv. »Pegida bekennt sich voll und ganz zum Grundgesetz, zur Demokratie und zum Rechtsstaat«, hieß es auf der Dresdner Bühne. Dieses Bekenntnis ist entweder Folge einiger Stangen Kreide, die Festerling für mediale Zwecke gefressen hat. Oder, das macht die Angelegenheit deutlich komplizierter, hier wird unter Demokratie etwas ziemlich Unübliches verstanden.

      Im besorgten Oberstübchen ist alles recht einfach: Weil Demokratie Volkssouveränität heißt und sie und niemand anderes das image Volk sind, müssten eigentlich die besorgten Bürger das Zepter schwingen. Wenn da nicht die image linksversiffte diktatorische Elite wäre. Politiker seien eigentlich Angestellte des Souveräns, die nur leider ihren Dienst nicht tun, wie vom Volk geheißen. Diese gesinnungslosen und korrumpierten Angestellten drücken stattdessen ihren image Minderheitenterror gegen das Volk durch. Angetrieben wird diese Argumentation vom Phantasma, tatsächlich und ohne Zweifel die Mehrheit zu repräsentieren.

      Das besorgte Demokratieverständnis leidet allerdings unter einigen Aporien. Oder − anders formuliert − der Sinn des Begriffs wird soweit verwässert, dass sich seine moralische und sachliche Aussagekraft bedenklich einer Nulllinie nähert. Los geht es beim robust vorgetragenen Anspruch, auf vergleichsweise kleinen Kundgebungen für die Gesamtheit der Bevölkerung zu sprechen. Diese Haltung untergräbt ein wesentliches demokratisches Moment: die Anerkennung unterschiedlicher Perspektiven. Weil das wahre Volk, biologisch verknotet, patriotisch bis in die Haarspitzen ist und sich für image Spaziergänge begeistert, sind alle abweichenden Meinungen undemokratisch. Von diesem Moment an müssen Besorgte nicht länger in umständliche Debatten über Repräsentation eintauchen

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