Wirklichkeiten. Kurd Lasswitz
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Wirklichkeiten - Kurd Lasswitz страница 17
Tatsächlich ist aber Bewußtsein die einzige Form der Existenz, die wir kennen; denn daß etwas erfahren wird, setzt voraus, daß es Zugehörigkeit zu einem Bewußtsein hat. Alles das, was die Existenz eines Dinges ausmacht, sind doch die Beziehungen seiner Eigenschaften zu einander und zu andern Dingen; diese Existenz ist also von derselben Art des Seins wie das, was wir speziell den Inhalt unseres individuellen Bewußtseins nennen. Denn auch mein Ich besteht aus lauter Beziehungen von Farben, Tönen, Größen, Gestalten, Strebungen usw., die wir unsere Vorstellungen nennen. Ohne einen solchen Inhalt kann von unserem Ich als einem individuellen Geist nicht die Rede sein. Die Unterscheidung von Körper und Geist ist ein Unterschied innerhalb des Bewußtseins. Wenn wir den Mond einen Körper nennen, der durch Lage, Größe, Gewicht, Bewegung definiert ist und lange existiert hat, ehe es Menschen und menschliches Bewußtsein gab, so besteht dadurch der Mond allerdings als ein selbständiges, gesetzliches System ganz unabhängig von der Existenz der Menschen. Aber die gesetzlichen Bestimmungen des Raumes, der Zeit, der Größe, des Gewichts usw., die das Ding »Mond« darstellen, sind darum doch genau dieselben, die wir eben auch jetzt, seitdem es Menschen und Astronomen gibt, im Bewußtsein vorfinden. Sie sind gleichartig mit dem, was den Inhalt unseres Ich ausmacht und als geistig bezeichnet wird. Die Form des Bewußtseins können wir ihnen weder nehmen noch geben. Es folgt daraus, daß diese Gesetze, die wir jetzt als Gesetze unseres menschlichen Bewußtseins entdecken, nichts anderes sind, als die allgemeinen Gesetze, unter denen die Entwickelung der Natur steht und immer gestanden hat, und unter denen auch wir als Menschen uns entwickelt haben. Mit anderen Worten, diejenigen Gesetze, unter denen die Natur allein gedacht werden kann, wenn wir unsere gegenwärtige Existenz in der Natur begreifen wollen, können ebensogut als Gesetze der Natur wie als Gesetze des Bewußtseins bezeichnet werden; beide sind identisch. Raum und Zeit als die Formen, darin alles Sinnliche gegeben ist, und die gesetzlichen Verbindungsarten dieses sinnlichen Inhalts, sie sind die Vorbedingungen, unter denen unsre Erfahrung steht, und gehören also dem Bewußtsein an.
In dem Entwicklungsprozesse des Bewußtseins vollzieht sich nun eine Scheidung des Inhalts, den wir als unser Erlebnis kennen. Der eine Teil erweist sich in der Hauptsache von dem, was wir unsern Leib nennen, unabhängig, und an ihm vornehmlich läßt sich das Geschehen als ein gesetzliches erkennen; er heißt daher objektiv. Der andere Teil, der hauptsächlich die Veränderungen unseres Leibes zum Inhalt hat, läßt sich nicht in gleicher Weise bestimmen, es sei denn mit Hilfe des Objektiven; er zeichnet sich aber insbesondere dadurch aus, daß die hierher gehörigen Veränderungen mit dem Gefühl der Luft oder Unlust verbunden sind; dadurch tritt dem übrigen Inhalt das Ich als eine Einheit eigener Art gegenüber, und dieser Teil des erlebten Bewußtseinsinhalts heißt daher subjektiv.
Beide Teile aber sind nicht vor der Erkenntnis gegeben, sondern scheiden sich durch die Erkenntnis. Für den Wilden ist die Natur keine objektive Gesetzmäßigkeit, sondern, soweit ihre Erscheinungen ihm nicht bereits vertraut sind, ebensogut ein unbestimmtes Erlebnis wie jedes andere. Die Natur, wie sie die moderne Wissenschaft als objektiv kennzeichnet, entsteht erst mit der Kultur.
Der Mond tritt zunächst in Beziehung mit unserm Leibe als ein System auf, in welchen wir ihn auf der kindlichen Entwicklungsstufe überhaupt nicht als etwas Objektives unterscheiden. Erst im Verlaufe der Erfahrung trennen sich die Systeme »Mond« und »Leib«, indem wir erkennen, daß wir über den Mond nicht so verfügen können wie etwa über unsere Hand. Die weiter fortschreitende Erkenntnis bildet in den regelmäßigen Bewegungen des Mondes ein System, das sich deutlich von seinen Verbindungen mit unsern individuellen Erlebnissen unterscheiden läßt. Und die Entwicklung der Astronomie definiert endlich in mathematischen Gleichungen und meßbaren Größen und Eigenschaften den Mond als einen objektiven Himmelskörper. Aber auch diese Abscheidung ist nie vollständig, sondern schreitet mit jeder weiteren Kenntnis fort, die wir vom Monde gewinnen.
Die Erkenntnis ist also der gesetzmäßige Vorgang, in welchem der Weltinhalt sich gestaltet als das objektive Naturgeschehen einerseits und als die Erfahrung von den Gesetzen desselben andererseits. Es bleibt dabei der noch nicht erkannte Teil des Weltinhalts übrig als eine immer neue Aufgabe, die noch unbestimmte Quelle der unmittelbaren subjektiven Erfahrung im bewußten Einzelwesen.
VI.
Bewusstsein und Natur
Die Schwierigkeiten, die das Verhältnis vom Objektiven zum Subjektiven bietet, beruhen größtenteils auf einer unzutreffenden Auffassung der Natur; man kann sie kurz als die dogmatische bezeichnen. In dieser Auffassung wird die Natur als etwas für sich Bestehendes fertig angesehen, als eine äußere, in sich abgeschlossene Macht. Ein für allemal im Grunde der Dinge gegeben steht dann diese Macht, der unendliche Komplex von Beziehungen der Körper in Raum und Zeit, dem menschlichen Geiste als etwas Fremdes gegenüber. Sie hat ihr Gesetz für sich, die eiserne Notwendigkeit des Geschehens, und im Gegensatz zu ihr wird der menschliche Geist ebenfalls als eine Macht für sich betrachtet. Es scheint somit die Aufgabe des menschlichen Geistes zu sein, jene fremde, starre Macht in sein Bewußtsein hinüberzuziehen, sich ihr anzubequemen oder sie zu bezwingen; immer aber so, daß die Natur draußen stehen bleibt, und nur gewissermaßen Abbilder oder Zeichen ihrer Existenz in unser Bewußtsein eintreten. Erkenntnis erscheint dann als dieser Umformungsprozeß von Natur in Bewußtsein, und Naturerkenntnis als eine Art Wiederholung der Natur in unserm Geiste; die erkannten Gesetze, die Begriffe, die Wahrnehmungen gelten nicht selbst als Bestimmungen der Natur, sondern als symbolische Darstellungen. Das Weltbild, das die Naturwissenschaft entwirft, ist also möglicherweise ganz anders gestaltet als die Natur; es unterscheidet sich von ihr weniger durch seine Lückenhaftigkeit als vielmehr durch seine Form, etwa wie eine Karte von dem wirklichen Lande. Man kann die Natur nicht in unsern Geist hineinbringen, wie man das Land nicht ins Zimmer bringen kann; aber man konstruiert dafür die Karte, und wenn sie richtig ist, kann man sich danach richten.
Das Prinzip dieser dogmatischen Auffassung ist demnach, daß sie die Natur als eine fertige Gestaltung bereits vor der Erkenntnis und ohne die Erkenntnis voraussetzt, und daß sich die Erkenntnis ihrer zu bemächtigen hat. Dann muß natürlich auch der Geist als eine solche Macht, unabhängig von der Natur und dem Erkenntnisprozeß, angenommen werden, und es bleibt ewig unverständlich, wie die Dinge im Raume, ja wie überhaupt nur zuverlässige Zeichen davon in die Seele gelangen sollen.
Den verschiedenen Formen, welche die dogmatische Naturauffassung im Materialismus, im Spiritualismus, im sog. monistischen Spinozismus usw. annimmt, ist allen der Charakterzug gemeinsam, daß die Natur in ihrem Wesen vor der Erkenntnis feststeht; das objektive Sein der Natur und das subjektive Sein des Geistes sollen erst durch ihre Verbindung die Erkenntnis ermöglichen.
Dem gegenüber lehrt die kritische Auffassung der Natur, daß der Gegensatz von Natur und Geist, von Objekt und Subjekt überhaupt erst in der Erkenntnis und durch die Erkenntnis entsteht. Die Erkenntnis im Sinne des Kritizismus ist nicht etwa ein subjektiver Vorgang, der sich bloß im Bewußtsein des einzelnen Menschen abspielte, sondern sie ist die gesetzliche Grundlage dessen, was allen Einzelwesen gemeinsam ist, d.h. die Bedingung aller Gestaltung der Erfahrung; sie ist der reale Prozeß, in welchem zugleich die Entwicklung der Natur und die Entwicklung des subjektiven Geistes sich vollzieht. Es sind dieselben Gesetze, nach denen die Körper im Raume auf einander wirken, und nach denen wir sie eben so und nicht anders vorstellen und denken müssen. Nicht von außen kommt etwas in unsern Geist hinein und erzeugt dort ein Abbild der Natur, ebensowenig projizieren wir irgend eine subjektive Vorstellung hinaus in den Raum, sondern die Dinge und die Vorstellungen sind ein