Erfahrungen verstehen – (Nicht-)Verstehen erfahren. Группа авторов

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Erfahrungen verstehen – (Nicht-)Verstehen erfahren - Группа авторов Erfahrungsorientierte Bildungsforschung

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Konzeptionen, zum anderen auch wissenschaftliche oder pseudowissenschaftliche Schemata, die die Sicht auf die Daten präfigurieren. Diese werden dann in einem intersubjektiven Erfahrungsprozess im oben genannten Sinne reduziert. Im responsiven Verfahren wird also nicht nur über die formulierten Hinsichten, sondern auch über die Normen und Theorien, die diesen Hinsichten zugrunde gelegt werden, diskutiert. Diese sind wiederum nicht sichtbar.10

      Ich habe gezeigt, dass das hermeneutische Verstehen in der Tradition von Schleiermacher, Dilthey und Buck sowie rekonstruktive Verfahren in den Sozial- und Bildungswissenschaften, die diesem Modus verpflichtet sind, vom Primat der Sprache ausgehen. Verstehen wird damit als Rekonstruktion und Explikation eines latenten, verborgenen Sinnes gedeutet und gerät damit in die Gefahr, das Andere und Fremde zu assimilieren und zu kolonialisieren. Im Unterschied dazu geht das phänomenologische Verstehen von dem aus, was sich zeigt, dem Phänomen. Damit wird Verstehen erstens im Kontext der Differenz von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit (statt im Dual von Innen und Außen, Wesen und Erscheinung) justiert. Zweitens kommt die Perspektivität der Wahrnehmung und ihre doxalischen, lebensweltlichen Voraussetzungen reflexiv in den Blick sowie drittens die Unterscheidung zwischen leiblicher Wahrnehmung und ihrer sprachlichen Repräsentation im Modus der signifikativen Differenz. Hier setzen die Operationen der Deskription, Reduktion und Variation an. Daher hat die phänomenologische Methodologie in der Sozial- und Bildungsforschung sowohl eine sprachkritische als auch eine voraussetzungs- und geltungskritische Funktion. Im Zwischen der Differenz von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sowie Sagbarkeit und Unsagbarkeit taucht das Phänomen der Fremdheit als zentrale Kategorie phänomenologischen Verstehens auf. Forschungspraktisch basiert die Deskription auf geteilter Erfahrung im Forschungsprozess. Datensitzungen und Interpretationszirkel lassen sich als Orte bestimmen, in denen im Modus der responsiven Sichtung und Diskussion eine intersubjektive Reduktion und Validierung ermöglicht werden kann. So kann eine Beschreibung zu einer Öffnung zum Überraschenden und Ereignishaften führen und damit eine Pluralisierung von Perspektiven ermöglichen. Verstehen ist damit – um ein Wort von Günter Buck zu variieren – einerseits als Organ der Praxis und andererseits als die Empirie ermöglichendes Moment zu bestimmen.

      Benner, Dietrich. Erziehung, Bildung, Negativität. Theoretische Annäherungen, Analysen zum Verhältnis von Macht und Negativität, exemplarische Studien. In: Zeitschrift für Pädagogik, 51(49), 2005, S. 106–120.

      Bourdieu, Pierre. Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt am Main 1993.

      Brinkmann, Malte. Verstehen, Auslegen und Beschreiben zwischen Hermeneutik und Phänomenologie. Zum Verhältnis und zur Differenz von hermeneutischer Rekonstruktion und phänomenologischer Deskription am Beispiel von Günther Bucks Hermeneutik und Erfahrung. In: Sabrina Schenk/Torben Pauls (Hg.). Aus Erfahrung lernen. Anschlüsse an Günther Buck. Paderborn 2014, S. 199–222.

      Brinkmann, Malte. Phänomenologische Methodologie und Empirie in der Pädagogik – Ein systematischer Entwurf für die Rekonstruktion pädagogischer Erfahrungen. In: Malte Brinkmann/Richard Kubac/Severin Sales Rödel (Hg.). Pädagogische Erfahrung. Theoretische und empirische Perspektiven. Reihe „Phänomenologische Erziehungswissenschaft, Bd. 1. Wiesbaden 2015a, S. 33–60.

      Brinkmann, Malte. Pädagogische Empirie – Phänomenologische und methodologische Bemerkungen zum Verhältnis von Theorie, Empirie und Praxis. In: Zeitschrift für Pädagogik, 61(4), 2015b, S. 527–545.

      Brinkmann, Malte. Pädagogisches (Fremd-)Verstehen. Zur Theorie und Empirie einer interkorporalen Ausdruckshermeneutik. In: Malte Brinkmann (Hg.). Verkörperungen. (Post-)Phänomenologische Untersuchungen zwischen erziehungswissenschaftlicher Theorie und leiblichen Praxen in pädagogischen Feldern. Phänomenologische Erziehungswissenschaft, Bd. 9. Wiesbaden 2019a, S. 131–158.

      Brinkmann, Malte. Wiederholen, Greifen, Begreifen. Videoanalyse kindlichen Übens aus phänomenologischer Perspektive. In: Claudia Knapp/Katharina Schneider (Hg.). Moritz und die Flasche: Zum Dialog eines jungen Kindes mit Kultur. Weimar, Berlin 2019b, S. 175–186.

      Brinkmann, Malte. Günther Buck – Klassiker der Pädagogik. Vorwort. In: Günther Buck/Malte Brinkmann (Hg.). Lernen und Erfahrung. Epagoge, Beispiel und Analogie in der pädagogischen Erfahrung. Phänomenologische Erziehungswissenschaft, Bd. 5. Wiesbaden 2019c, S. 7–36.

      Brinkmann, Malte. Einklammern, Anhalten, Zurücktreten, um Anderes und Fremdes zu sehen: Zur Praxis der phänomenologischen Epoché in der qualitativen Bildungsforschung. In: Diana Fischer/Kerstin Jergus/Kirsten Puhr/Daniel Wrana (Hg.). „Theoretische Empirie“ – Erkenntnisproduktion zwischen Theoriebildung und empirischen Praxen. Wittenberger Gespräche IV. Halle-Wittenberg 2020a, (im Druck).

      Brinkmann, Malte. Verkörperungen und Aufmerksamkeit in pädagogischen Relationen – der Beitrag der phänomenologischen Unterrichtsforschung für die qualitative erziehungswissenschaftliche Forschung. In: Christine Demmer/Thorsten Fuchs/Robert Kreitz/Christine Wiezorek (Hg.). Das Erziehungswissenschaftliche der qualitativen Forschung, Schriftenreihe der DGfE-Kommission Qualitative Bildungs- und Biographieforschung. Leverkusen 2020b, (im Druck).

      Brinkmann, Malte. Zum Verhältnis von Lernen und Forschung im Studium – Bildungstheoretische, didaktische und phänomenologische Ausblicke. In: Malte Brinkmann (Hg.). Forschendes Lernen. Bildungstheoretische, hochschuldidaktische und phänomenologische Perspektiven. Phänomenologische Erziehungswissenschaft, Bd. 10. Wiesbaden 2020c, S. 61–83.

      Brinkmann, Malte/Rödel, Severin Sales. Pädagogisch-phänomenologische Videographie. Zeigen, Aufmerken, Interattentionalität. In: Christine Moritz/Michael Corsten (Hg.). Handbuch qualitativer Videoanalyse. Method(olog)ische Herausforderungen – forschungspraktische Perspektiven. Wiesbaden 2018, S. 521–547.

      Brinkmann, Malte/Rödel, Severin Sales. Pädagogisch-phänomenologische Videographie in der Lehrer*innenbildung: Von normativen Sehgewohnheiten und bildenden Blickwechseln. In: Qualitative Videoanalyse in Schule und Unterricht. 3. Hildesheimer Celeb Tagung. Weinheim 2020, S. 301–315.

      Brinkmann, Malte/Türstig, Johannes/Weber-Spanknebel, Martin. Leib – Leiblichkeit – Embodiment. Pädagogische Perspektiven auf eine Phänomenologie des Leibes. Phänomenologische Erziehungswissenschaft, Bd. 7. Wiesbaden 2019.

      Broecken, Renate. Hermeneutische Pädagogik. In: Thomas Ellwein/Hans-Hermann Groothoff/Hans Rauschenberger/Heinrich Roth (Hg.). Erziehungswissenschaftliches Handbuch: Pädagogik als Wissenschaft. Theorien und Methoden, Bd 4. Berlin 1975, S. 219–274.

      Buck, Günther. Hermeneutik und Bildung: Elemente einer verstehenden Bildungslehre. München 1981.

      Buck, Günther. Lernen und Erfahrung. Epagoge, Beispiel und Analogie in der pädagogischen Erfahrung. Phänomenologische Erziehungswissenschaft, Bd. 5. Hg. von Malte Brinkmann. Wiesbaden 2019.

      Danner, Helmut. Methoden geisteswissenschaftlicher Pädagogik. Einführung in Hermeneutik, Phänomenologie und Dialektik. München 1994, 2. Aufl.

      Derrida, Jacques. Guter Wille zur Macht. Drei Fragen an Hans-Georg Gadamer. In: Philippe Forget (Hg.). Text und Interpretation. München 1984, S. 56–58.

      Derrida, Jacques. Grammatologie. Frankfurt am Main 1994, 5. Aufl.

      Derrida, Jacques. Die Stimme und das Phänomen. Einführung in das Problem des Zeichens in der Phänomenologie Husserls. Frankfurt am Main 2003.

      Dilthey, Wilhelm. Gesammelte Schriften, Band VII: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften. Stuttgart 1961, 3. Aufl.

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