Die Erde. Emile Zola

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Die Erde - Emile Zola

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Und sie verlangte noch einen Löffel voll davon nach, sie wollte absichtlich die Männer verwöhnen, sie brachte Scherze hervor, die die Männer in lautes Gekicher ausbrechen ließen. Jeder ihrer Sätze war doppelsinnig, gemahnte daran, daß sie am Abend fortgehen wollte: man nehme einander, man gehe auseinander, und wer niemals mehr etwas davon abkriege, dem würde es leid tun, daß er seinen Finger nicht ein letztes Mal in die Sauce getunkt habe. Der Schäfer aß und schaute stumpfsinnig drein, während der Herr, der sich schweigsam verhielt, ebenfalls nicht zu verstehen schien. Um sich nicht zu verraten, war Jean gezwungen, mit den anderen zu lachen, obwohl er verärgert war; denn er kam sich bei alledem nicht gerade anständig vor.

      Nach dem Mittagessen gab Hourdequin seine Anweisungen für den Nachmittag. Draußen waren nur ein paar kleine Arbeiten zu Ende zu führen; der Hafer wurde eingewalzt, das Pflügen der Brachen wurde beendet, bis man mit der Luzerne- und Kleemahd beginnen konnte. Deshalb behielt er zwei Mann zurück, Jean und einen anderen, die den Heuboden sauber machten. Und er selber, der nun niedergedrückt war und dem die Ohren sausten unter dem Blutandrang, fing an, sehr unglücklich umherzulaufen, ohne daß er wußte, mit welcher Beschäftigung er seinen Kummer töten sollte. Die Scherer hatten sich unter einem der Schuppen in einer Ecke des Hofes niedergelassen. Er ging hin, pflanzte sich vor ihnen auf, sah ihnen zu.

      Es waren ihrer fünf, schmächtige und gelbhäutige Kerle, die mit ihren großen Scheren aus blinkendem Stahl dahockten. Der Schäfer trug die Schafe herbei, denen die vier Füße zusammengebunden waren und die wie Schläuche aussahen, legte sie in einer Reihe auf die gestampfte Erde des Schuppens, wo sie nur noch blökend den Kopf heben konnten. Und wenn ein Scherer eines von ihnen packte, verstummte es, gab sich hin, wirkte aufgebläht durch die Dicke seines Pelzes, den das Wollfett und der Staub mit einer schwarzen Kruste panzerten. Unter der flinken Spitze der Scheren kam das Tier aus dem Vlies heraus wie eine nackte Hand aus einem dunklen Handschuh, ganz rosig und frisch, im goldigen Schnee der inneren Wolle. Ein mit gespreizten Schenkeln und gerade hochgerecktem Kopf auf den Rücken gelegtes Muttertier, das ein langer dürrer Kerl zwischen seine Knie klemmte, stellte seinen Bauch zur Schau, der das verborgene Weiß, die erschauernde Haut einer Frau hatte, die entkleidet wird. Die Scherer verdienten drei Sous pro Tier, und ein guter Arbeiter konnte ihrer zwanzig am Tage scheren.

      In Gedanken versunken, sann Hourdequin darüber nach, daß die Wolle auf acht Sous das Pfund gesunken war; und man mußte sie schleunigst verkaufen, damit sie nicht zu sehr trocknete, was sie um ihr Gewicht brachte. Im vorigen Jahr hatte der Milzbrand die Herden der Beauce dezimiert. Es wurde mit allem schlimmer und schlimmer, das war der Ruin, der Bankrott der Erde, seit die Getreidepreise von Monat zu Monat mehr sanken. Und da er wieder von den Sorgen eines Landwirts gepackt wurde und im Hof schier erstickte, verließ er das Gehöft, ging er fort, um einen kurzen Blick auf die Felder zu werfen. Immer endeten seine Streitereien mit der Cognette so; nachdem er gewettert und die Fäuste geballt hatte, zog er ab, und ihn bedrückte ein Leid, von dem ihm allein der Anblick seines Korns und seines Hafers, deren Grün bis ins Unendliche wogte, Erleichterung verschaffte.

      Ach, diese Erde, wie er sie schließlich liebte! Und zwar mit einer Leidenschaft, in die er den gierigen Geiz des Bauern nicht einließ, mit einer gefühlvollen, fast intellektuellen Leidenschaft, denn er empfand die Erde als die gemeinsame Mutter, die ihm sein Leben, seines Lebens Notdurft geschenkt hatte und in die er wieder eingehen würde. Da er von klein auf in ihr herangewachsen war, waren sein Haß auf das Gymnasium, das Verlangen, seine Bücher zu verbrennen, daher gekommen, daß er die Freiheit, die schönen Galoppaden querfeldein über die Sturzäcker, den leichten Rausch der freien Luft in den aus allen vier Himmelsrichtungen wehenden Winden der Ebene gewohnt war. Später, als er seinen Vater beerbte, hatte er die Erde als Liebhaber geliebt, seine Liebe war reif geworden, als habe er sie von da an rechtmäßig geehelicht, um sie zu befruchten. Und diese zärtliche Zuneigung wuchs nur, je mehr er ihr seine Zeit, sein Geld, sein ganzes Leben schenkte, als wäre sie eine gute und fruchtbare Frau, der er ihre Launen und sogar ihre Betrügereien verzieh. Viele Male brauste er auf, wenn sie sich schlecht zeigte, wenn sie zu trocken oder zu feucht war und die Saaten fraß, ohne Ernten zurückzugeben; dann zweifelte er, es kam mit ihm dahin, daß er sich beschuldigte, ein zeugungsunfähiges oder ungeschicktes Mannestier zu sein: die Schuld müsse an ihm liegen, wenn er ihr kein Kind gemacht habe. Seit dieser Zeit ließen ihn die neuen Methoden nicht mehr los, stürzten sie ihn in Neuerungen, und er bedauerte, daß er auf dem Gymnasium ein Faulpelz gewesen war und nicht die Vorlesungen an einer jener Landwirtschaftsschulen gehört hatte, über die sich sein Vater und er lustig zu machen pflegten. Wie viele unnütze Versuche, fehlgeschlagene Experimente, und die Maschinen, die sein Gesinde aus den Fugen gehen ließ, und der Kunstdünger, bei dem der Handel betrog! Dabei war sein Vermögen draufgegangen, La Borderie brachte ihm kaum genug ein, daß es zum Brotessen langte, bis die Agrarkrise ihn vollends erledigen würde. Einerlei, er würde der Gefangene seiner Erde bleiben, er würde in ihr seine Knochen beerdigen, nachdem er sie bis zum Schluß als Frau behalten hatte.

      Sobald er an diesem Tage draußen war, erinnerte er sich an seinen Sohn, den Hauptmann. Sie beide, sie hätten so gute Arbeit geleistet! Aber er schob die Erinnerung an diesen Dummkopf beiseite, der lieber einen Säbel schleppte. Er hatte kein Kind mehr, er würde einsam enden. Dann kam ihm der Gedanke an seine Nachbarn, an die Coquarts vor allem, Grundbesitzer, die selber ihr Gehöft in Saint-Juste bewirtschafteten, der Vater, die Mutter, drei Söhne und zwei Töchter, und die kaum mehr Glück hatten. Auf La Chamade düngte Robiquet, der Pächter, dessen Pachtvertrag ablief, nicht mehr, ließ den Besitz verkommen. So war’s, überall stand es schlecht, man mußte sich totarbeiten und durfte sich nicht beklagen. Nach und nach übrigens stieg eine einschläfernde Lieblichkeit von den großen grünen Stücken Land auf, an denen er entlangging. Leichte Regenfälle im April hatten die Futtersaaten gut aufgehen lassen. Der hochrote Klee beglückte ihn, er vergaß alles übrige. Nun kürzte er über die Sturzäcker den Weg ab, um einen raschen Blick auf die Arbeit seiner zwei Pferdeknechte zu werfen; die Erde klebte an seinen Füßen, er fühlte, sie war fett und fruchtbar, als wolle sie ihn mit einer Umarmung zurückhalten; und sie nahm ihn ganz und gar wieder, er fand die Manneskraft von einst, als er in den Dreißigern war, die Stärke und die Freude wieder. Gab es denn andere Frauen außer ihr? Zählte so was denn, Weiber wie die Cognette, diese oder jene, der Teller, von dem alle essen, mit dem man sich wohl begnügen muß, wenn er einigermaßen sauber ist? Eine so triftige Entschuldigung für seine Feigheit, von dieser Hure nicht lassen zu können, munterte ihn vollends auf. Er wanderte drei Stunden, er scherzte mit einem Mädchen, ausgerechnet mit der Magd von Coquarts, die auf einem Esel aus Cloyes zurückkam und dabei ihre Beine sehen ließ.

      Als Hourdequin nach La Borderie heimkehrte, erblickte er Jacqueline im Hof, die von den Katzen des Gehöfts Abschied nahm. Es war immer eine ganze Schar Katzen vorhanden, zwölf, fünfzehn, zwanzig, man wußte nicht genau wie viele; denn die Katzen jungten in unbekannten Strohlöchern, und wenn sie wieder zum Vorschein kamen, spazierten fünf oder sechs Junge hinterdrein. Danach trat sie an die Hütten der beiden Schäferhunde, Empereur und Massacre, heran; aber die knurrten, sie konnten sie nicht ausstehen.

      Trotz des Abschieds von den Tieren verlief das Abendessen wie alle Tage. Der Herr aß, plauderte in seiner gewohnten Weise. Als dann der Arbeitstag beendet war, war keine Rede mehr davon, daß irgend jemand fortzöge. Alle gingen schlafen, das Dunkel umhüllte das stille Gehöft.

      Und noch in dieser Nacht schlief Jacqueline im Zimmer der verstorbenen Frau Hourdequin. Das schöne Zimmer war das, mit seinem großen Bett hinten im rot ausgeschlagenen Alkoven. Ein Schrank stand darin, ein Tischchen, ein Lehnsessel; und über einem kleinen Mahagonischreibtisch glänzten, eingerahmt und unter Glas, die Medaillen, die Hourdequin in Landwirtschaftsvereinen erhalten hatte. Als die Cognette im Hemd in das Ehebett stieg, spreizte sie sich darin, machte Arme und Schenkel breit, um es ganz und gar zu halten, und lachte dabei ihr Turteltaubenlachen.

      Jean stieß sie am anderen Morgen zurück, als sie ihm um den Hals fiel. Da das mit dem Herrn nun ernst wurde, war das mit ihm bestimmt nicht sauber, und er wollte nicht mehr.

      KAPITEL II

      Einige

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