Mehrsprachigkeit und das Politische. Группа авторов

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Homogenisierungsprogramms kann Barons noch die UnzeitgemäßheitZeitgemäßheitUnzeitgemäßheit vieler DainasDainas zum Ausdruck einer tieferen Volkseinheit umdeuten:

      Preekſch jaunakeem dſihiwes apſtahkļeem laba daļa no wiņàm rahdijàs nowezejuſchàs. Bet iſlobot muhſu tautas dſeeſmu ihſto weſeligo kodolu, mums atklahjàs wiņâs zilweka gara labakee idealee zenteeni, zilweka ſirds un dwehſeles daiļakàs, tikumigakàs, dſiļakàs juhtas, kas nekad nenowezejàs, lai ari wiſs zits ahriſchks ſawa laika peederums pahrgroſàs. (BaronsBarons, Krišjānis 1894: xviii)

      Vor dem Hintergrund der neueren Lebensumstände erscheint ein Teil von ihnen [der LiederLied] veraltet. Aber wenn wir aus unseren VolksliedernVolkVolkslied den lebendigen Kern herausschälen, dann finden wir in ihnen die besten idealen Bestrebungen und die schönsten, verlässlichsten und tiefsten Gefühle der Seele, die nie veralten, selbst wenn sich alles Äußere, seiner Zeit Zugehörige verändert.

      Die SynchronisierungSynchronieSynchronisierung des gesamtlettischen Volkslebens, die BaronsBarons, Krišjānis unternimmt, stellt also zugleich eine Verbindung her zu einer mythischen, in Zyklen organisierten Zeit, die sich über die lineare Zeit des Geschichtsverlaufs hinweg erhält. Diese mythische Zeit macht Barons unter anderem dadurch zugänglich, dass er die Effekte von Sprachentwicklung (hier: die DialekteDialekt/Mundart) ausblendet bzw. harmonisiert. Das Ergebnis dieser Harmonisierung ist dann aber als Sprache vertraut und fremdFremdheitfremd zugleich: „Pawirſchi laſitas, tautas dſeeſmas ir uſ mums runà it kà ſweſchadu walodu; bet tiklihdſ mehs dſiļaki, nopeetnaki wiņâs eeſkatamees, tiklihdſ mehs tuwaki ar wiņâm eedraudſejamees, tàs ja zeeſchaki muhs peewelk“ („Oberflächlich gelesen sprechen die VolksliederVolkVolkslied auch zu uns wie eine Art fremdartige Sprache; aber sobald wir sie tiefer, ernsthafter ansehen, sobald wie uns näher mit ihnen anfreunden, dann ziehen sie uns umso stärker an“; Barons 1894: xix).

      Dieser von BaronsBarons, Krišjānis unterstellte doppelte Effekt der von ihm im Druck synchron präsentierten VolksliedersammlungVolkVolkslied entspricht ziemlich genau der ambivalenten Haltung, die das Unternehmen gegenüber der Moderne einnimmt: Einerseits bequemt sich die nicht zuletzt sprachliche Homogenisierung der Sammlung den Bedürfnissen einer auf EinsprachigkeitEinsprachigkeit getrimmten Zeit an. Sie ist Teil eines modernen Programms von Nationenbildung – man erinnere sich nur an die mittlerweile kanonische Beschreibung von Nationalisierungsprozessen als Ergebnis medialer SynchronisierungSynchronieSynchronisierung bei Benedict AndersonAnderson, Benedict (1983). Andererseits stilisiert sich die Sammlung als der modernen Zeitordnung und ihrem Bedürfnis nach SynchronisierungSynchronieSynchronisierung gegenüber inkompatibel und eigen – sie ist eine der Moderne fremdeFremdheitfremd Sprache. Und das darin liegende Beharren auf Eigenheit wiederum ist auf das Hier und Jetzt des ausgehenden 19. Jahrhunderts bezogen, auf eine Situation der postkolonialenKolonialismuspostkolonial EmanzipationEmanzipation. Es ist insofern konsequent, dass Barons seine Sammlung mit einer Abteilung einleitet, die sich der Logik der Anpassung an die zyklischen Lebensprozesses des VolksVolk eigentlich entzieht. Am Anfang stehen in den Latwju DainasDainas die LiederLied über die LiederLied und das Singen – eine Art aus den Quellen geschöpfte Einführung in die fremdgewordene eigene Tradition, die im Folgenen entfaltet wird.10

      5 Andere Sprachen II: SynchronieSynchronie und Moderne

      Insofern die Latwju DainasDainas auf sprachliche SynchronisierungSynchronieSynchronisierung aus sind, scheinen sie in ihrem Umgang mit SprachvielfaltSprachvielfalt einem Modell zuzuarbeiten, das sich recht gut mit dem Paradigma der languelangue-LinguistikLinguistik vereinbaren lässt. Die andere, proto-mythische Seite der Sammlung leistet einer solchen modernen theoretischen Subsumption allerdings Widerstand. Um dies zu sehen und auch ganz allgemein den Stellenwert von sprachlichem diversity management in der Moderne besser abschätzen zu können, lohnen sich abschließend einige grundlegendere Überlegungen.

      Zunächst ist festzuhalten, dass BaronsBarons, Krišjānis – während nur kurze Zeit später die languelangue-LinguistikLinguistik als methodische Voraussetzung festschreibt, dass EinzelsprachenEinzelsprache als Gegenstand der synchronen Beschreibung schlicht gegeben und die Bedingung der Möglichkeit von Sprechen sind – sich an der schieren Vielfältigkeit des Sprechens abarbeitet, um sie überhaupt erst als Ausfluss einer einheitlichen, aber noch sichtbar zu machenden EinzelspracheEinzelsprache ausweisen zu können. Ähnlich wie vor ihm AlunānsAlunāns, Juris reagiert Barons damit auf eine Anforderung, die sich in der Neuzeit zunehmend an die Sprachen EuropasEuropa stellt: die der StandardisierungStandardStandardisierung qua SynchronisierungSynchronieSynchronisierung.

      Man kann darin – siehe AndersonAnderson, Benedict – einen MedieneffektMedien sehen. Der BuchdruckBuchdruck erzwingt als Technologie, die auf allen Ebenen auf SynchronizitätSynchronieSynchronizität setzt, die flächendeckende Durchsetzung von StandardsStandard. Die große Sorgfalt, die HerderHerder, Johann Gottfried und BaronsBarons, Krišjānis auf die Anordnung ihrer Sammlungen verwenden, zeigt, dass sie auf die synchrone Erscheinungsweise gedruckter Werke genau reflektieren. Schon das Produktionsverfahren stellt ja gegenüber der Handschrift von Serialität auf SynchronizitätSynchronieSynchronizität um (mit einem Arbeitsgang werden die Zeichen eines ganzen Bogens gedruckt); vor allem aber bewirken die in allen Details für alle Exemplare (zumindest der Tendenz nach) identische Anordnung des Texts auf den gedruckten Seiten und seine Einrichtung auf das Erscheinen zu einem Zeitpunkt, dass (genau genommen natürlich kontrafaktischKontrafaktikkontrafaktisch) von einer gleichzeitigen Rezeption in einem großen Territorium ausgegangen werden darf. Und die IdentitätIdentität/identity des Texts an allen Orten dieses Territorium wiederum katalysiert sprachliche StandardisierungStandardStandardisierung.

      Allerdings ist das MediumMedienMedium des Drucks nur ein Faktor, der StandardisierungStandardStandardisierung begünstigt. Man sollte daher nicht, wie es gerade in der Mehrsprachigkeitsforschung oft geschieht, jede Form der einsprachigenEinsprachigkeiteinsprachig, auf StandardisierungStandardStandardisierung ausgerichteten SprachpolitikSprachpolitik vorschnell als engstirniges und potentiell xenophobes Beharren auf dem Eigenen verurteilen. Die Semantik der Muttersprachlichkeit, wie sie HerderHerder, Johann Gottfried artikuliert, die bei ihm wie bei AlunānsAlunāns, Juris zu beobachtende domestizierende ÜbersetzungÜbersetzung/translation, die languelangue-LinguistikLinguistik usw. sind, wenn man auf eine allgemeinere Ebene geht, Ausdruck eines Sprachdenkens, das tief in der Grundstruktur der modernen Gesellschaft verankert und für diese Gesellschaft ebenso funktional ist wie das vor allem bei Herder sich artikulierende Bedürfnis nach (sprachlicher) Kreativität.

      In der Forschung ist in Anlehnung an Yasemin YildizYildiz, Yasemin (2012) oft vom EinsprachigkeitsparadigmaEinsprachigkeitEinsprachigkeitsparadigma/Einsprachigkeitsnorm die Rede, das eng an die Semantik der MutterspracheMuttersprache/mother tongue gekoppelt sei. Ich ziehe dem eine eher technische Beschreibung vor, die den Vorteil hat, erklären zu können, warum sich EinsprachigkeitEinsprachigkeit in der Moderne durchgesetzt hat – und die uns letztlich auch wieder auf die Frage von GegenwartsbezugGegenwartGegenwartsbezug und SynchronizitätSynchronieSynchronizität zurückführt. Diese Erklärung für die Durchsetzungskraft der modernen Einsprachigkeit lautet, dass sie einerseits die Inklusion von Individuen in gesellschaftliche Prozesse erleichtert (darauf kann ich hier aber nicht eingehen1); und dass sie andererseits, weil sie mit einer massiven StandardisierungStandardStandardisierung des SprachgebrauchsSprachgebrauch einhergeht, spezifisch modernen Gesellschaftsstrukturen zuarbeitet, die z.B. auf stardardisierte Terminologien angewiesen sind, um funktionieren zu können. Die Wissenschaft ist ein gutes Beispiel dafür. Im Interesse eben dieser StandardisierungStandardStandardisierung liegt es schließlich, durch ÜbersetzungÜbersetzung/translation dafür zu sorgen (oder zumindest den Anschein zu wecken), dass die unterschiedlichen EinzelsprachenEinzelsprache ineinander transponierbar sind. Daraus resultiert die moderne ÜbersetzungsindustrieÜbersetzung/translation, die in den europäischenEuropaeuropäisch Institutionen ihren paradigmatischen Ausdruck gefunden hat. Diese funktionieren gerade deshalb, weil sie kontrafaktischKontrafaktikkontrafaktisch davon ausgehen, die vielen qua ÜbersetzungÜbersetzung/translation

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