Zwei Jahre Ferien. Jules Verne
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Plötzlich ertönte vom Vorderdeck ein lauter Aufschrei. Baxter hatte eine jetzt hochwichtige Entdeckung gemacht.
Die für verloren gehaltene Jolle hatte sich unter dem Knie des Bugsprits in den Ketten des letzteren gefangen. Diese Jolle konnte freilich nur fünf bis sechs Personen aufnehmen; doch da sie sich unbeschädigt zeigte, was leicht zu erweisen war, nachdem man sie aufs Deck gezogen hatte, erschien es nicht unmöglich, sie zu benutzen, im Falle das Meer die Überschreitung der Klippen trockenen Fußes verhinderte. Hierzu musste man natürlich den niedrigsten Stand der Ebbe abwarten, und inzwischen kam es wieder zu einer lebhaften Auseinandersetzung, vorzüglich zwischen Briant und Doniphan.
Doniphan, Wilcox, Webb und Cross, die sich der Jolle bemächtigt hatten, gingen nämlich schon daran, sie wieder über Bord zu befördern, als Briant auf sie zutrat.
»Was beginnt ihr hier?« fragte er.
»Was uns passt!« antwortete Wilcox.
»Ihr wollt dieses kleine Fahrzeug besteigen …?«
»Ja«, erwiderte Doniphan, »und du wirst uns nicht davon abhalten.«
»Das werd’ ich doch tun, ich und alle die übrigen, die du verlassen willst.«
»Verlassen …? Wer sagt dir das?« antwortete Doniphan hochmütig. »Ich will niemand verlassen, verstehst du? Wenn wir erst am Strand sind, wird einer die Jolle zurückrudern …«
»Und wenn er nicht zurückkehren kann«, rief Briant, der sich nur mit Mühe beherrschte, »wenn sie zwischen den Felsen leck würde …«
»Einsteigen …! Zum Einsteigen fertig!« unterbrach ihn Webb, der Briant zurückdrängte.
Von Wilcox und Cross unterstützt, hob er schon das leichte Fahrzeug auf, um es ins Wasser zu bringen.
Briant packte dasselbe an dem einen Ende.
»Ihr werdet nicht einsteigen!« rief er.
»Das wollen wir doch sehen!« antwortete Doniphan.
»Ich sage euch, ihr steigt nicht ein!» widerholte Briant, entschlossen im Allgemeinen Interesse Widerstand zu leisten. »Die Jolle muss zunächst für die Kleinsten zurückbehalten werden, im Falle auch bei niedrigem Meere zu viel Wasser stehenbliebe, um den Strand zu erreichen.«
»Lass uns in Ruhe!« schrie Doniphan aufbrausend. »Ich erkläre dir nochmals, Briant, du wirst uns nicht hindern zu tun, was wir wollen.«
»Und ich wiederhole dir, Doniphan«, herrschte ihn Briant ebenso laut an, »dass ich euch doch hindern werde!«
Die beiden Knaben waren schon bereit, aufeinander loszustürzen. Bei diesem Streit hätten Wilcox, Webb und Cross natürlich für Doniphan Partei ergriffen, während sich Baxter, Service und Garnett voraussichtlich auf Briants Seite stellten. Die Sache hätte die schlimmsten Folgen haben können, als Gordon sich noch ins Mittel legte.
Gordon, der älteste und besonnenste von allen, sah das Beklagenswerte eines solchen Zwischenfalls ein, und war vernüftig genug, sich zu Gunsten Briants auszusprechen.
»Halt! Halt, Doniphan!« rief er, »etwas Geduld! Du siehst doch, dass der Seegang noch stark ist und wir Gefahr laufen, unsere Jolle ganz einzubüßen.«
»Ich mag es nicht leiden, dass Briant uns Gesetze vorschreibt, wie er sich das seit einiger Zeit angewöhnt hat«, erwiderte Doniphan heftig.
»Nein …! Nein …!« ließen Cross und Webb sich vernehmen.
»Es fällt mir gar nicht ein, irgendwem Gesetze vorzuschreiben«, antwortete Briant, »ich werde das aber auch keinem anderen gestatten, wenn es sich um das Interesse aller handelt.«
»Das liegt uns ebenso sehr am Herzen wie dir«, schleuderte ihm Doniphan entgegen; »und jetzt, wo wir auf dem Lande sind …«
»Leider noch nicht«, fiel ihm Gordon ins Wort. »Trotze nicht ferner, Doniphan, und lass uns einen günstigen Augenblick abwarten, wo wir die Jolle verwenden können.«
Gordon trat zu sehr gelegener Zeit als Vermittler zwischen Briant und Doniphan — wozu er übrigens schon mehrfach Veranlassung gefunden hatte —, und die Kameraden fügten sich seinen Vorstellungen.
Der Wasserstand hatte jetzt um zwei Fuß abgenommen, und es entstand die Frage, ob sich zwischen den Klippen vielleicht eine Art Kanal hinziehe.
In der Meinung, von der Höhe des Fockmastes die ganze Anordnung des Klippengürtels besser übersehen zu können, begab sich Briant nach dem Vorderdeck, erklomm die Steuerbordwanten und kletterte dann noch an den Tauen der Bramstenge1 hinauf.
Quer durch die Klippenbank zeigte sich da eine Durchfahrt, deren Richtung durch viele, sie auf beiden Seiten begrenzende Felsblöcke angedeutet war und der man folgen musste, wenn man mit Hilfe der Jolle nach dem Strand gelangen wollte. Augenblicklich freilich brodelte und wirbelte die Brandung hier noch viel zu heftig, um sich jener mit Erfolg bedienen zu können. Unfehlbar wäre die Jolle auf eine Felsspitze geworfen und damit schwer beschädigt, wenn nicht vernichtet worden. Es empfahl sich also, noch so lange zu warten, bis das sinkende Meer hier eine gefahrlosere Wasserstraße zurückließ.
Von der Oberbramrah aus, auf welcher Briant reitend sich anklammerte, bemühte sich dieser, das Uferland noch genauer zu besichtigen. Er suchte mit dem Fernglas Stück für Stück den Strand ab, bis zu der höher ansteigenden Hinterwand desselben. Zwischen den beiden, etwa acht bis neun Seemeilen voneinander entfernten Vorgebirgen schien die Küste völlig unbewohnt zu sein.
Nach halbstündigem Auslugen stieg Briant wieder hinunter und berichtete seinen Gefährten, was er gesehen. Wenn Doniphan, Wilcox, Webb und Cross ihm zuhörten, ohne etwas zu sagen, so fragte ihn Gordon dagegen:
»Als