Der neue Dr. Laurin Box 2 – Arztroman. Viola Maybach

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Der neue Dr. Laurin Box 2 – Arztroman - Viola Maybach Der neue Dr. Laurin Box

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wie Sie ihn dazu bringen könnten«, antwortete Rainer Flossbach leise. »Wir werden es auch versuchen, aber nicht jetzt. Wenn er sagt, er will allein sein, ist es besser, ihn erst einmal in Ruhe zu lassen. Und für uns ist es eine Beruhigung, dass er hier in guten Händen ist. Sollte sich sein Zustand verschlechtern, wissen Sie ja am besten, was Sie tun müssen.« Er hielt seine Frau, die noch immer heftig weinte, fest umschlungen. »Wir fahren jetzt nach Hause, wir haben ja noch ein krankes Kind«, setzte er hinzu. »Aber ich zumindest werde später noch einmal kommen und versuchen, mit Miro zu reden.«

      Als beide sich zum Gehen wandten, sahen Linda und Leon ihnen nach. Es kam nicht oft vor, dass der Klinikchef sprachlos war, doch jetzt fehlten ihm die Worte.

      Linda brachte es nach längerem Schweigen auf den Punkt: »Schlimmer hätte es nicht kommen können.«

      *

      »Abtropfen lassen«, sagte Lili, als Simon ihr von dem Zusammenstoß mit Kaja erzählt hatte. »Irgendwann wird es ihr selbst zu blöd, und sie hört damit auf, die Zicke zu spielen. Niemand macht sich gern überall unbeliebt.«

      »Möglich, aber ich will nicht ständig auf der Hut sein«, erklärte Simon. »Es ist nämlich so: Ich bin da richtig gerne. Das ist viel Arbeit in dem Haus, aber weil alles so schön ist, macht es Spaß, das in Ordnung zu halten. Und ich ärgere mich, wenn ich merke, dass Kaja das überhaupt nicht zu schätzen weiß. Außerdem stresst es mich, weil ich immer mit dem nächsten Angriff rechne. Ich will meine Ruhe haben, damit ich mich auf meine Arbeit konzentrieren kann.«

      »Das verstehe ich«, erklärte Lili, »aber tu trotzdem, was ich dir sage, ich bin schließlich selbst sechzehn, und ich bin ein Mädchen, ich kenne mich da besser aus als du. Lass dich nicht aus der Ruhe bringen, sie wird irgendwann aufgeben. Ich weiß ja nicht, welches Problem sie hat – also, außer dass sie in der Pubertät ist, meine ich, da drehen ja viele durch.«

      »Ich weiß, dass ich Glück mit dir habe«, warf Simon rasch ein.

      Lili grinste. »Das kannst du laut sagen. Aber vielleicht steht dir so ein Theater mit mir ja auch noch bevor?« Als sie sein Gesicht sah, wurde sie schnell wieder ernst. »Deine Kaja wird noch ein paar Angriffe starten, das ist blöd für dich, aber du kannst dich ja innerlich darauf einstellen. Irgendwann wird es ihr langweilig, und sie hört von selbst auf. Verlass dich auf mich. Und noch etwas: Beklag dich nie, nie, nie bei einem Familienmitglied über sie. Mach das mit ihr allein aus.«

      »Ich habe mich ja heute nicht aus der Ruhe bringen lassen, aber es hat nicht viel gefehlt, und ich hätte zurückgeschossen. Das hat mich erschreckt«, gestand Simon.

      Jetzt erst merkten sie, dass Lisa an der Tür stand, offenbar hörte sie dem Gespräch schon eine Weile zu. »Hast du auch einen guten Rat für mich?«, erkundigte sich Simon.

      »Lilis Rat ist gut«, erklärte Lisa. »Aber frag Kaja doch mal ganz ruhig, was eigentlich mit ihr los ist. Vielleicht sagt sie es dir ja.«

      »Wenn ich das richtig mitbekommen habe, hat ein Junge sie blöd behandelt, und das hat sie nicht gut weggesteckt, obwohl sie offenbar selbst schon jede Menge Jungs unglücklich gemacht hat. Sie ist ziemlich hübsch, wahrscheinlich laufen ihr viele nach.«

      »Das ist ja noch kein Grund, sich so aufzuführen, wie sie es tut«, meinte Lisa.

      »Das sieht ihre Familie auch so.«

      »Es hört sich nicht so an, als wäre sie ein Mädchen, mit dem ich gern befreundet wäre«, befand Lili. »Also, hör auf meinen Rat, großer Bruder.« Nach diesen Worten verschwand sie. Da auch Lisa sich wieder verzog, blieb Simon mit seinen Gedanken allein.

      Da er keine bessere Idee hatte, würde er auf Lili hören: sich innerlich wappnen, stets auf den nächsten Angriff gefasst sein und unter allen Umständen Ruhe bewahren.

      Mal sehen, was ihm das einbrachte.

      *

      Als Selina die Kayser-Klinik betrat und ihrer Tante eine Nachricht schrieb, sie werde im Café etwas trinken, schrieb diese zurück, sie brauche noch eine halbe Stunde – und setzte hinzu: »Ich habe dich gewarnt!«

      Selina grinste nur und betrat das Café der Klinik, das sehr schön war. Ihr blick fiel auf einen jungen Mann, der mit starrem Blick aus dem Fenster sah. Er musste etwa so alt sein wie sie selbst. Einer plötzlichen Eingebung folgend ging sie auf ihn zu und fragte: »Kann ich mich zu dir setzen? Du siehst so aus, als könntest du eine kleine Aufmunterung gebrauchen.«

      Er wandte ihr so langsam den Kopf zu, als bereitete ihm diese kleine Bewegung die größten Schwierigkeiten. Dann sagte er: »Ich habe heute Morgen erfahren, dass ich einen Hirntumor habe, der nur schwer zu operieren ist. Aber das spielt eigentlich keine Rolle, weil ich mich sowieso nicht operieren lasse. Ich werde also blind ­werden, unter unerträglichen Kopfschmerzen leiden und eines Tages an einem epileptischen Anfall sterben. Der Tumor wächst nämlich schnell. Da kann man hoffen, dass es kein allzu langes Leiden wird.«

      Das alles sagte er ohne dramatischen Unterton und ohne jegliche Einleitung oder Vorbereitung. Selina ließ sich langsam auf den Stuhl neben ihm sinken. Ihr Mund war trocken geworden während seiner kurzen Rede. Er musste der Patient sein, von dem ihre Tante ihr am Tag zuvor erzählt hatte. Sie hatte nicht angenommen, dass von jemandem in ihrem Alter die Rede gewesen war, sie hatte eher an jemanden von Ende zwanzig, Anfang dreißig gedacht – da war man ja auch noch ›sehr jung‹, wie Tante Linda gesagt hatte. Wie würde sie sich fühlen mit so einer Diagnose? Sie konnte es sich nicht einmal vorstellen.

      »Wieso willst du dich nicht operieren lassen?«, fragte sie. »Stehen die Chancen auf Erfolg so schlecht?«

      »Die Ärztin meint, sie könnte es schaffen, aber darum geht es nicht. Ich lege mich nie wieder auf einen Operationstisch.«

      »Nie wieder? Was ist denn passiert?«

      Er wandte sich endgültig vom Fenster ab und ihr zu. Sein Gesicht gefiel ihr, vor allem seine blauen Augen, trotz ihres traurigen Blicks. Sie hätte ihn gern lachen oder wenigstens lächeln sehen. Er hatte auch einen schönen Mund – und dichte blonde Haare. Eine vorwitzige Locke fiel ihm in die Stirn. Er sah sehr jung und sehr verletzlich aus.

      »Ich habe die Geschichte noch niemandem erzählt«, sagte er.

      »Du musst sie mir auch nicht erzählen, wenn du nicht willst.«

      Sein Blick veränderte sich. Jetzt erst schien er sie richtig zu sehen. »Du bist sehr hübsch«, sagte er leise.

      »Was hat das damit zu tun?«

      »Nichts. Alles. Noch kann ich dich sehen, deine schwarzen Haare, die dunklen Augen, dein schönes Lächeln. Aber das wird bald vorbei sein.«

      »Erzähl mir deine Geschichte«, bat Selina.

      »Erst musst du mir deinen Namen sagen. Ich kann einer fremden Person nicht erzählen, was damals geschehen ist.«

      »Selina.«

      Er wiederholte ihren Namen. »Das klingt schön«, sagte er. »Ich bin Miro.«

      »Das klingt auch schön.«

      Er nickte. »Ich war acht«, sagte er dann, »als ich eines Tages ziemlich überstürzt ins Krankenhaus musste – mein Blinddarm hatte sich entzündet, der Kinderarzt hatte meine Bauchschmerzen für eine harmlose Magenverstimmung gehalten. Es eilte, die Ärzte

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