Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen. Henrik Ibsen
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Читать онлайн книгу Die berühmtesten Dramen von Henrik Ibsen - Henrik Ibsen страница 19
Stockmann. Pah! Glaubst Du, daß der erwachende Volkslöwe sich durch Amtsmützen schrecken ließe ? Ja, Du, – wir machen morgen Revolution in der Stadt. Du hast gedroht, mich abzusetzen; aber nun setze ich Dich ab, – setze Dich von allen Deinen Vertrauensämtern ab. – Glaubst Du etwa, ich kann das nicht? O doch. Die siegenden Gewalten der Gesellschaft sind mit mir. Hovstad und Billing werden im »Volksboten« donnern, und Aslaksen rückt aus an der Spitze des ganzen Vereins der Hausbesitzer –?
Aslaksen. Das tue ich nicht, Herr Doktor.
Stockmann. Sie werden es tun –
Stadtvogt. Aha; Herr Hovstad zieht es am Ende doch vor, sich der Agitation anzuschließen?
Hovstadt. Nein, Herr Stadtvogt.
Aslaksen. Nein, Herr Hovstad ist nicht so dumm, um eines Hirngespinstes willen sich selbst und die Zeitung zu ruinieren.
Stockmann sieht sich um. Was soll das heißen?
Hovstadt. Sie haben Ihre Sache in einem falschen Lichte dargestellt, Herr Doktor; und deshalb kann ich Sie nicht unterstützen.
Billing, Nein, – nach allem, was der Herr Stadtvogt so liebenswürdig war, mir da drin mitzuteilen –
Stockmann. In falschem Licht? Das lassen Sie doch meine Sorge sein. Drucken Sie nur meinen Aufsatz; ich bin Manns genug, dafür einzustehen.
Hovstadt. Ich drucke ihn nicht. Ich kann und will und darf ihn nicht drucken.
Stockmann. Sie dürfen nicht? Was ist das für ein Unsinn? Sie sind doch Redakteur; und die Redakteure, die regieren doch die Presse, sollte ich meinen!
Aslaksen. Nein, das tun die Abonnenten, Herr Doktor.
Stadtvogt. Glücklicherweise, ja.
Aslaksen. Die öffentliche Meinung, das aufgeklärte Publikum, die Hausbesitzer und all die andern; die regieren die Presse.
Stockmann gefaßt. Und diese Mächte habe ich alle gegen mich?
Aslaksen. Ja, das haben Sie. Es würde für die Bürgerschaft den reinen Ruin bedeuten, wenn Ihr Artikel gedruckt würde.
Stockmann. Jaso. –
Stadtvogt. Meine Mütze und meinen Stock!
Stockmann nimmt die Mütze ab und legt sie mit dem Stock zusammen auf den Tisch.
Stadtvogt nimmt beides. Deine Bürgermeisterwürde hat ein jähes Ende genommen.
Stockmann. Wir sind noch nicht am Ende. Zu Hovstad. Es ist also ganz unmöglich, meinen Aufsatz in den »Volksboten« zu bringen?
Hovstadt. Ganz unmöglich; auch mit Rücksicht auf Ihre Familie.
Frau Stockmann. Ach, lassen Sie doch die Familie nur aus dem Spiel, Herr Hovstad.
Stadtvogt zieht ein Papier aus der Tasche. Zur Orientierung des Publikums wird es genügen, wenn das hineinkommt; es ist eine authentische Erklärung. Bitte schön.
Hovstadt nimmt das Papier. Gut; es soll hinein.
Stockmann. Und mein Artikel nicht. Man bildet sich ein, man könnte mich und die Wahrheit tot schweigen! Aber das geht nicht so glatt, wie Ihr meint. Herr Aslaksen, wollen Sie gleich mein Manuskript nehmen und es als Flugblatt drucken – auf meine eigenen Kosten, – im Selbstverlag. Ich will vierhundert Exemplare haben; nein, fünf-, sechshundert will ich haben.
Aslaksen. Und wenn Sie mir's mit Gold aufwögen, ich würde meine Offizin zu so etwas nicht hergeben, Herr Doktor. Ich darf es nicht mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung. Sie kriegen es nirgendwo in der ganzen Stadt gedruckt.
Stockmann. So geben Sie es mir wieder.
Hovstadt reicht ihm das Manuskript. Bitte sehr.
Stockmann nimmt Hut und Stock. In die Welt soll es doch. Ich will es in einer großen Volksversammlung vorlesen; alle meine Mitbürger sollen die Stimme der Wahrheit vernehmen!
Stadtvogt. Kein Verein in der ganzen Stadt überläßt Dir sein Lokal für einen solchen Zweck.
Aslaksen. Nicht ein einziger; das weiß ich genau.
Billing. Gott verdamm' mich, – wenn sie es tun!
Frau Stockmann. Das wäre doch zu empörend! Weshalb stehen sie denn alle so wider Dich, Mann für Mann?
Stockmann zornig. Ja, das will ich Dir sagen. Darum, weil alle Männer hier in der Stadt alte Weiber sind – gerade wie Du; alles denkt nur an die Familie und nicht an die Gesellschaft.
Frau Stockmann faßt seinen Arm. So werde ich ihnen ein – ein altes Weib zeigen, das auch einmal Mann sein kann. Denn nun halte ich es mit Dir, Thomas!
Stockmann. Das war brav gesprochen, Käte. Und in die Welt soll es, bei meiner Seele Seligkeit! Kann ich kein Lokal bekommen, so miete ich mir einen Tambour, – mit dem ziehe ich durch die Stadt und lese es an allen Straßenecken vor.
Stadtvogt. So heillos verrückt wirst Du doch nicht sein!
Stockmann. Ja, das bin ich!
Aslaksen. Sie werden in der ganzen Stadt keinen einzigen Mann finden, der mit Ihnen geht.
Billing. Nein, Gott verdamm' mich, – den finden Sie nicht!
Frau Stockmann. Nur nicht nachgeben, Thomas. Die Jungens sollen mit Dir gehen.
Stockmann. Das ist eine ausgezeichnete Idee!
Frau Stockmann. Morten tut es sehr gern; und Ejlif, na, der wird auch mitgehen.
Stockmann. Ja, und Petra auch! Und Du auch, Käte!
Frau Stockmann. Nein, nein, – ich nicht; aber ich werde am Fenster stehen und Dir zusehen; das werde ich tun.
Stockmann umarmt und küßt sie. Ich danke Dir! Ja, nun werden wir eine Lanze brechen miteinander, Ihr wackeren Herren! Ich will doch sehen, ob die Niederträchtigkeit die Macht hat, einem Patrioten, der die Gesellschaft reinigen will, den Mund zu stopfen.
Er und seine Frau ab durch die Tür links im Hintergrund.
Stadtvogt schüttelt nachdenklich den Kopf. Nun hat er sie auch verrückt gemacht!
Vierter Akt
Ein großer, altmodischer Saal in Horsters Hause.
Eine offene Flügeltür im Hintergrunde führt in ein Vorzimmer. An der linken Längswand sind drei Fenster; in der Mitte der gegenüberliegenden Wand ist ein Podium errichtet, auf dem ein kleiner Tisch mit zwei Kerzen, Wasserkaraffe, einem Glase und einer Glocke stehen. Sonst ist der Saal durch Armleuchter erhellt, die zwischen den Fenstern