Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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Wand. Vor ihm stellte er eine Dame hin, sodann einen Herrn mit dem Rücken gegen den der Dame, hierauf eine zweite Dame vor den Kavalier und so fort paarweise in langer Schlangenlinie. Als er fertig geworden, rief er mit lauter Kommandostimme:

      »Vorwärts, meine Damen; Platz für die Kolonnen!«

      Dem Befehl entsprechend wurden die Kolonnen gebildet. Die ungeziemende Stellung, welche die Damen innehatten, die sich derart zwischen zwei Männer gedrängt sahen, einen hinter und einen vor sich, trug viel zur Erheiterung der Gesellschaft bei. Die Brüste berührten die Rockaufschläge der Herren, die Beine der Kavaliere verschwanden in den Röcken der Damen und wenn sich die Köpfe lachend bewegten, mußten die Schnurrbarte zur Seite gewendet werden, damit die Dinge nicht bis zum Kusse gediehen. Ein Spaßvogel mochte der ganzen Linie einen leichten Stoß gegeben haben, denn dieselbe schrumpfte etwas zusammen, so daß die schwarzen Beine noch tiefer in den Röcken versanken; man vernahm leises Kreischen und unterdrücktes Gekicher, welches sich gar nicht mehr beruhigen wollte. Man hörte die Baronin von Meinhold sagen: »Aber, mein Herr, Sie erwürgen mich ja; drücken Sie mich nicht so sehr!« und dies war so drollig, entfesselte eine so unbändige Heiterkeit, daß die erschütterten »Kolonnen« schwankten, gegen einander stießen und sich gegenseitig stützen mußten, um nicht zu fallen. Herr von Saffré, der mit erhobenen Händen dastand, um zu klatschen, wartete. Endlich schlug er die Hände zusammen und auf dieses Signal drehte sich jede Person um. Die Paare, die sich einander gegenüber befanden, faßten sich um den Leib und die ganze Linie wirbelte im Walzer davon. Nur der arme Herzog von Rozan stieß mit der Nase gegen die Wand, als er sich umdrehte, was allgemein belacht wurde.

      »Komm!« sagte Renée zu Maxime.

      Das Orchester spielte noch immer den Walzer. Die weiche Melodie, deren monotoner Rythmus auf die Dauer fade und langweilig wurde, erhöhte noch die Erbitterung der jungen Frau. Sie trat ohne die Hand Maxime's los zu lassen, in den kleinen Salon und ihn zu der in das Ankleidezimmer emporführenden Treppe drängend, gebot sie ihm erstickten Tones:

      »Hinauf!«

      Sie selbst folgte ihm. In diesem Augenblick langte Frau Sidonie, die erstaunt über das ruhelose Umherirren ihrer Schwägerin durch alle Räume, sich während des ganzen Abends in der Nähe derselben aufhielt, auf dem Perron des Wintergartens an, gerade als die Füße eines Mannes in dem Dunkel der kleinen Treppe verschwanden. Ein fahles Lächeln erhellte ihr wachsbleiches Gesicht und ihren Magiertalar emporraffend, um rascher gehen zu können, suchte sie ihren Bruder auf, wobei sie rücksichtslos eine Kotillonfigur zerstörte und die ihr in den Weg kommenden Diener befragte. Endlich fand sie Saccard allein mit Herrn von Mareuil in einem an den Speisesaal stoßenden Raum, welcher zeitweilig zum Rauchzimmer umgestaltet worden war. Die beiden Väter sprachen über die Mitgift, die einzelnen Punkte des Kontraktes. Als ihm aber seine Schwester einige Worte zugeflüstert hatte, stand Saccard auf, entschuldigte sich flüchtig und verließ das Zimmer.

      Im Ankleidekabinet aber herrschte die größte Unordnung. Auf den Stühlen lagen das Kostüm der Nymphe Echo, das zerrissene Tricot, auf der Erde Spitzen und durcheinander geworfene Wäschestücke umher, – Alles was eine Frau, auf die gewartet wird, in ihrer Eile zurückläßt. Von den silbernen und elfenbeinernen Toilettegeräthschaften war an allen Ecken und Enden etwas zu sehen: auf dem Teppich sah man Bürsten und Nagelfeilen und die noch feuchten Tücher die auf den Marmorplatten vergessenen Seifenstücke, die entkorkten Fläschchen verbreiteten einen starken, durchdringenden Geruch, welche den zarten Duft des Frauenleibes verdrängten. Um die weiße Farbe von Armen und Schultern zu entfernen, war die junge Frau nach den lebenden Bildern in die rosa Marmorwanne gestiegen und glitzernde Stellen waren auf der erkalteten Wasserfläche zu sehen.

      Maxime strauchelte über ein Schnürleibchen, daß er beinahe gefallen wäre und versuchte zu lachen. Doch zitterte er vor Kälte, als er in das harte Gesicht Renée's blickte. Sie trat auf ihn zu und fragte mit leiser Stimme:

      »Du gedenkst also die Buckelige zu heirathen?«

      »Aber nicht im Traume,« murmelte er. »Wer hat Dir Das gesagt?«

      »Leugne doch nicht; es nützt ja nichts ...«

      Er wurde ärgerlich. Sie begann unbequem zu werden und dem wollte er ein Ende machen.

      »Nun denn ja, ich heirathe sie. Und was weiter? ... Bin ich nicht mein eigener Herr?«

      Gesenkten Hauptes trat sie dicht zu ihm hin und mit einem häßlichen Lachen seine Hände ergreifend, sprach sie:

      »Dein eigener Herr! Du! Dein eigener Herr! ... Du weißt ja, daß Du das nicht bist. Dem Herr bin ich. Ich würde Dir die Knochen im Leibe zerbrechen, wenn ich wollte, denn Du hast ja nicht mehr Kraft, als ein kleines Mädchen.«

      Und da er sich wehrte, preßte sie seine Arme mit der ganzen nervösen Kraft zusammen, die ihr der Zorn verlieh. Er stieß einen leisen Schrei aus, worauf sie ihn losließ und sagte:

      »Wir wollen es nicht auf die rohe Kraft ankommen lassen; Du siehst, daß ich die Stärkere wäre.«

      Er schwieg, bleich und beschämt über den Schmerz, den er noch an den Handgelenken verspürte; dann sah er, wie sie in dem Gemach auf- und niederschritt. Sie stieß die Möbel hin und her, während sie den Plan überlegte, der in ihrem Kopfe reifte, seitdem ihr Gatte ihr von der bevorstehenden Vermählung Mittheilung gemacht.

      »Ich werde Dich hier einschließen,« sprach sie endlich; »und sobald es Tag geworden, reisen wir nach Havre.«

      Er erbleichte noch mehr vor Unruhe und Staunen.

      »Aber das ist ja Wahnsinn!« rief er aus. »Wir können nicht mit einander reisen. Du verlierst den Kopf!«

      »Das ist möglich; aber gewiß ist, daß Ihr, Dein Vater und Du, daran schuld seid ... Ich kann Dich nicht missen und nehme Dich in Besitz ... Umso schlimmer für die Einfältigen!«

      Es flackerte unheimlich in ihren Augen und wieder so dicht an ihn herantretend, daß ihr Athem sein Gesicht versengte, fuhr sie fort:

      »Was sollte denn aus mir werden, wenn Du die Buckelige heirathest? Ihr würdet Euch über mich lustig machen und ich wäre vielleicht gezwungen, mich von Neuem an diesen Einfaltspinsel Mussy zu hängen, der mir selbst die Beine nicht warm machen kann ... Wenn man gethan hat, was wir gethan haben, so bleibt man beisammen. Im Uebrigen ist es klar, daß ich mich langweile, wenn Du nicht bei mir bist und da ich fortgehe, so nehme ich Dich mit mir ... Du wirst Céleste sagen, was sie Dir von Deinen Habseligkeiten herüberholen soll.«

      Der Unglückliche faltete flehend die Hände:

      »Um Gotteswillen, meine kleine Renée, mache doch keine Dummheiten. Besinne Dich ... Denke ein wenig an den Skandal.«

      »Was kümmert mich der Skandal? Wenn Du Dich weigerst, so gehe ich in den Salon hinunter und schreie es allen Leuten ins Gesicht, daß ich mit Dir geschlafen habe und Du feige genug bist, jetzt noch die Buckelige zu heirathen.«

      Gesenkten Hauptes hörte er ihr zu, während er im Innern sich schon halb diesem Willen unterwarf, der sich in so rücksichtsloser Weise über ihn geltend machte.

      »Wir gehen nach Havre,« nahm sie von Neuem, ihren Traum weiterspinnend, auf; »und von dort nach England. Niemand wird uns mehr im Wege stehen. Sind wir dort noch nicht weit genug, so reisen wir nach Amerika, wo ich mich wohl fühlen werde, da ich ohnehin immer friere. Gar oft schon habe ich die Kreolinen beneidet ...«

      Doch je weiter sie über ihren Plan sprach, desto höher stieg der Schrecken

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