.
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу - страница 178
Nun verstand Renée diesen Wirbel der Röcke, dieses Stampfen der schwarzen Beine. Sie stand tiefer unten und sah das Toben der Füße, das Gewirr der glänzend schwarzen Schuhe und weißen Knöchel. Mitunter schien es ihr, als sollte ein Windstoß all' diese Röcke entführen. Die nackten Schultern und nackten Arme, die flatternden Haare, die vor- und rückwärts geworfen wurden, däuchten ihr ein lärmendes Abbild ihres eigenen Lebens, ihrer Leidenschaften und Schamlosigkeiten zu sein. Und sie empfand einen so grimmigen Schmerz bei dem Gedanken, daß Maxime, um die Buckelige in die Arme zu schließen, sie an diesem Orte, wo ihre Liebe so flammend über sie zusammengeschlagen, erbarmungslos zurückgelassen, daß sie einen Zweig des giftigen Tanghin, der ihre Wange streifte, abbrechen und bis auf die Holzfasern abnagen wollte. Sie war aber feige und blieb fröstelnd vor dem Strauch stehen, während ihre Hände wie in tiefer Scham den Pelzmantel eng über ihre nackten Gliedmaßen zogen.
VII.
Drei Monate später, an einem jener trüben, regnerischen Frühlingstage, welche in Paris eine Wiederkehr des Winters zu bedeuten scheinen, stieg Aristide Saccard an der Place du Chateau-d'Eau aus dem Wagen und betrat, von vier anderen Herren gefolgt, den durch Demolirungsarbeiten freigelegten Raum, welcher sich damals an Stelle des zukünftigen Boulevard du Prince Eugene erstreckte. Die kleine Gesellschaft war als Untersuchungskommission von der Jury der Entschädigungen an Ort und Stelle entsendet worden, um gewisse Liegenschaften abzuschätzen, deren Eigenthümer sich mit der Stadt nicht gütlich zu verständigen vermocht.
Saccard wiederholte dasselbe Vorgehen, welches er in der Rue de la Pepinière befolgt hatte. Damit der Name seiner Frau vollständig aus der Angelegenheit verschwinde, wurde in erster Linie ein Scheinverkauf des Grundstückes sammt den sich darauf befindlichen Baulichkeiten bewerkstelligt. Larsonneau trat das Ganze einem angeblichen Gläubiger ab. Der Verkaufsvertrag wies die kolossale Summe von drei Millionen auf. Diese Ziffer war eine derart übertriebene, daß als der Expropriationsagent im Namen des imaginären Eigenthümers den Ankaufspreis als Entschädigung forderte, die Entschädigungs-Kommission trotz der unermüdlichen Wühlarbeit des Herrn Michelin und der Fürsprache des Herrn Toutin-Laroche und des Barons Gouraud unter keinen Umständen mehr als zwei Millionen fünfhunderttausend Francs bewilligen wollte. Saccard war hierauf vorbereitet gewesen; er lehnte das Angebot ab und ließ die Sache vor die Jury kommen, deren Mitglied sowohl er als auch Herr von Mareuil war. Und so traf es sich, daß er mit vier Kollegen beauftragt wurde, auf seinem eigenen Grund und Boden eine Schätzung vorzunehmen.
Herr von Mareuil begleitete ihn. Die drei anderen Jurymitglieder waren ein Arzt, der eine Zigarre rauchend, sich nicht im Mindesten um die ihn umgebenden Dinge kümmerte, und zwei Industrielle, deren Einer, Fabrikant chirurgischer Instrumente, ehedem mit dem Schleifstein durch die Straßen gefahren war.
Der Weg, den die Herren betraten, war entsetzlich. Während der ganzen Nacht hatte es geregnet. Der durchweichte Boden bildete ein Kothmeer, in welchem die Fuhrwerke, welche den Schutt fortschafften, bis zur Radnabe versanken. Zu beiden Seiten erhoben sich geborstene Mauern, an welchen bereits die Spitzhacke gearbeitet hatte; hohe, zerstörte Gebäude, die ihr ausgeweidetes Inneres sehen ließen, reckten ihre leeren Treppenhäuser, ihre gähnenden Zimmerreihen in die Luft empor, den zertrümmerten Schubfächern eines großen, häßlichen Möbelstückes vergleichbar. Nichts konnte einen kläglicheren Anblick bieten, als die farbigen Tapeten dieser Zimmer, die gelben oder blauen Papierfetzen, die bis zu einer Höhe von fünf oder sechs Stockwerken hinaufreichend, kleine, armselige Kabinete, enge Löcher kennzeichneten, in denen sich vielleicht ein ganzes Menschenleben abgespielt. An den nackten Wänden stiegen die trübselig schwarzen Schornsteine hinan. Eine vergessene Wetterfahne kreischte am Rande eines Daches, während die halb losgelösten Dachrinnen gleich alten Lumpen herunterhingen. Und der Durchschlag setzte sich inmitten dieser Ruinen schier endlos fort, gleich einer Bresche, durch Kanonenkugeln gerissen; die noch kaum angedeutete Straße dehnte sich von Schutt und Trümmern bedeckt, zwischen Erdaufschüttungen und Wassertümpeln unter dem grauen Himmel hin und über ihr schwebte die düstere Wolke der aufgewirbelten Staub- und Mörtelmassen, deren natürliche Grenzen die schwarzen Linien der Schornsteine zu sein schienen.
Mit ihren blanken Schuhen, fleckenlosen Ueberröcken und hohen Hüten nahmen sich die Herren recht sonderbar aus inmitten dieses schmutziggelben Kothreiches, in welchem außer ihnen nur noch bleiche Arbeiter, bis zu den Ohren beschmutzte Pferde und Karren sichtbar waren, deren Holzgerüste von einer dichten Staubschichte gänzlich bedeckt waren. Sie schritten im Gänsemarsch hinter einander einher, sprangen von einem Stein zum andern, wichen den Tümpeln dünnflüssigen Kothes aus und versanken dennoch zuweilen bis zu den Knöcheln in demselben, worauf sie die Füße fluchend schüttelten. Saccard hatte den Vorschlag gemacht, durch die Rue de Charonne zu gehen, wodurch ihnen diese Wanderung durch dieses Trümmerreich erspart geblieben wäre; unglücklicherweise aber hatten sie mehrere Liegenschaften auf der langen Boulevardlinie zu besichtigen und da die Neugierde sie ebenfalls drängte, hatten sie beschlossen, die Arbeiten in der Nähe zu betrachten, zumal dieselben sie in hohem Grade interessirten. Zuweilen blieben sie schwankend auf einem Stück Mauerwerk stehen, steckten die Nase in die Luft und zeigten sich gegenseitig einen frei überhängenden Balken, ein Schornsteinrohr, welches in die Höhe ragte, eine Dachtraufe, die auf ein benachbartes Dach gefallen war. Dieser verwüstete Stadttheil am Ausgange der Rue du Temple däuchte ihnen sehr drollig.
»Das ist höchst merkwürdig,« sagte Herr von Mareuil. »Sehen Sie doch, Saccard, dort oben ist eine Küche, und über dem Kochherde hängt noch ein alter Ofen ... Ich sehe denselben ganz deutlich.«
Der Arzt aber war mit der Zigarre zwischen den Zähnen vor einem demolirten Hause stehen geblieben, von welchem nur noch das Erdgeschoß erhalten war, dessen Räume mit den Trümmern der übrigen Stockwerke angefüllt waren. Eine einzelne Mauer überragte den Trümmerhaufen und um dieselbe zu Falle zu bringen, hatte man ein Seil darum gewunden, an welchem etwa dreißig Arbeiter zogen.
»Sie werden sie nicht umkriegen,« brummte der Arzt; »sie ziehen zu viel links.«
Die vier Anderen waren zurückgekehrt, um die Mauer fallen zu sehen. Und starren Blickes, mit verhaltenem Athem erwarteten sie in freudiger Erregung den Fall der Mauer. Die Arbeiter ließen nach und zogen dann mit einem plötzlichen Ruck wieder an, wobei sie mit taktmäßigen Zurufen: Auf! Dran! sich selbst antrieben.
»Sie werden sie nicht umkriegen!« wiederholte