Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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Sonne hatte die große Wasserfläche in einen einzigen silbernen Spiegel verwandelt, welcher das flimmernde Abbild des strahlenden Gestirns zurückwarf. Die Augenlider blinzelten und man nahm links vom Ufer nichts weiter aus als den dunkeln Fleck der Barke. Die Sonnenschirme neigten sich in sanfter, gleichmäßiger Bewegung gegen diesen Glanz und wurden erst in der Allee wieder in die Höhe gehoben. Zur Rechten erstreckten sich die Reihen der Nadelhölzer, welche die Sonnenstrahlen leicht violett färbten; links breiteten sich die Rasenflächen, die in Licht gebadet, Smaragdfeldern glichen, bis zur Porte de la Muette aus. Und wenn man dem Springbrunnen nahe kam, sah man auf der einen Seite das Halbdunkel der Gebüsche neu beginnen, während sich auf der anderen, jenseits des Teiches, die Inseln in der blauen Luft badeten und die dunkeln Schatten ihrer Tannen sich scharf abhoben. Das in diesen Schatten ruhende kleine Schlößchen glich einem Spielzeug, welches ein Kind am Saume eines Waldes verloren hat. Das ganze Gehölz lachte und erschauerte in den warmen Sonnenstrahlen.

      Renée schämte sich an diesem herrlichen Tage ihres Wagens, ihres flohfarbenen Seidenkleides. Sie lehnte sich in die Kissen zurück und betrachtete durch die herabgelassenen Fenster das Spiel des Lichtes auf der Wasserfläche und dem grünen Laub. Wo die Allee eine Biegung machte, erblickte sie eine lange Räderreihe, die sich gleich glitzerndem Golde in dem blendenden Lichte drehte. Die glänzenden Wagen, das Schimmern der Stahl- und Messinggeräthschaften, die hellen Farben der Toiletten wechselten bei dem regelmäßigen Gange der Pferde unablässig, während sich das Ganze in den vom Himmel fallenden Lichtstrahlen wie eine lebende, dunkle Masse von dem Hintergrunde des Bois abhob. Und in diesem blendenden Schimmer unterschied die junge Frau mit halb geschlossenen Augen zeitweilig den blonden Chignon eines Frauenkopfes, den schwarzen Rücken eines Lakaien, das weiße Geschirr eines Pferdes. Die gewässerten Stoffe der Sonnenschirme funkelten dabei gleich Monden aus Metall.

      Angesichts dieses hellen Tages, dieser blendenden Sonnenstrahlen gedachte sie der grauen Dämmerung, welche sie eines Abends über das vergilbte Laub hatte sich herabsenken gesehen. Maxime begleitete sie damals. Es war zu jener Zeit, da das Verlangen, dieses Kind zu besitzen, in ihr wach zu werden begonnen. Und sie sah die vom Abendthau durchfeuchteten Rasenplätze, die dunklen Hecken, die verlassenen Baumgänge wieder vor sich. Mit einem traurigen Geräusch rollten die Wagen an den leeren Stühlen vorüber, während das Rollen der Räder, das Getrabe der Pferdehufe heute wie Triumphfanfaren klang. Und sie erinnerte sich an jede ihrer Fahrten ins Bois. Sie hatte daselbst gelebt, Maxime war hier, neben ihr, auf den Kissen des Wagens aufgewachsen. Dies war ihr Garten gewesen. Hier überraschte sie der Regen, hierher lockte sie die Sonne zurück und nicht einmal die Nacht vermochte sie immer daraus zu verscheuchen. Hier lustwandelten sie bei jedem Wetter, hier genossen sie die Freuden und auch die Unannehmlichkeiten ihres Lebens. In der Leere ihres Wesens, in der Melancholie, in die sie die Abreise Céleste's versetzt, bereiteten diese Erinnerungen ihr eine herbe Freude. Ihr Herz sprach: Niemals wieder! niemals wieder! Und sie selbst erstarrte förmlich zu Eis, als sie das Bild dieser Winterlandschaft, dieses spiegelglatten, gefrorenen Teiches vor sich auftauchen sah, auf welchem sie mit ihm Schlittschuhe gelaufen; der Himmel war schwarz wie Ruß, der Schnee hing weißen Spitzen gleichend an den Zweigen und die scharfe Lüfte wehte ihnen feinen Sand in Mund und Augen.

      Zur Linken, auf dem für die Reiter reservirten Wege, hatte sie indessen den Herzog von Rozan, Herrn von Mussy und Herrn von Saffré erkannt. Larsonneau hatte die Mutter des Herzogs getödtet, als er ihr am Verfallstage die von ihrem Sohne unterfertigten Wechsel über hundertfünfzigtausend Francs vorlegte und nun vergeudete der Herzog seine zweite halbe Million mit Blanche Müller, nachdem er die ersten fünfhunderttausend Francs in den Händen der Aurigny zurückgelassen. Herr von Mussy, der die englische Gesandtschaft verlassen hatte, um bei der italienischen Dienste zu nehmen, war wieder der galante Kavalier von ehedem geworden, der einen Kotillon mit vollendeter Anmuth anzuführen verstand. Und was Herrn von Saffré betraf, so blieb er der skeptische und liebenswürdigste Lebemann von der Welt. Renée sah gerade, wie er sein Pferd nach dem Wagen der Gräfin Vanska lenkte, in die er, wie man behauptete, rasend verliebt war seit dem Tage, da er sie als Koralle bei den Saccards gesehen.

      Auch die Damen waren wieder vollzählig da: die Herzogin von Sternich in ihrem ewigen Landauer; Frau von Lauwerens mit der Baronin von Meinhold und der kleinen Frau Daste in einem Wagen, Frau Teissiére und Frau von Guende in einer leichten Viktoria. Inmitten dieser Damen lagen Sylvia und Laura d'Aurigny in den Kissen einer herrlichen Equipage. Auch Frau Michelin fuhr in einem Coupé; die niedliche kleine Frau hatte Herrn Hupel de la Noue in dem Hauptorte seines Departements aufgesucht und bei ihrer Rückkehr war sie im Bois in diesem Coupé erschienen, welchem sie binnen kurzer Zeit einen offenen Wagen hinzufügen zu können hoffte. Renée entdeckte auch die beiden Unzertrennlichen: die Marquise d'Espanet und Frau Haffner, die unter ihren Sonnenschirmen verborgen, neben einander lehnten und sich zärtlich lächelnd in die Augen blickten.

      Darauf kamen die Herren vorüber: Herr von Chibray in eleganter Kalesche, Herr Simpson im Dog-Car, darauf die Herren Mignon und Charrier, die trotz ihrer Behauptung, sich zur Ruhe setzen zu wollen, ihren Geschäften eifriger denn je nachgingen und ihren Wagen am Beginn der Allee zurückgelassen hatten, um zu Fuße ein Stück Weges zurückzulegen; Herr von Mareuil, der noch Trauer um seine Tochter trug und sorgfältig die ihm von allen Seiten werdenden und seinem ersten Zwischenruf in der Kammer geltenden Grüße erwiderte, im Wagen des Herrn Toutin-Laroche, der den Crédit Viticole wieder einmal gerettet hatte, nachdem er ihn hart an den Rand des Verderbens gebracht, und der im Senat immer magerer und ehrwürdiger wurde.

      Und gleichsam als Abschluß des Ganzen, als größte Zierde der langen Reihe erschien der Baron Gouraud, der in den doppelten Kissen seines Wagens ruhend, sich an den warmen Sonnenstrahlen erfreute. Zu ihrer Verwunderung, in die sich ein Gefühl des Ekels mengte, erkannte Renée neben dem Kutscher das weiße Gesicht, die feierliche Miene Baptiste's. Der würdige Mann war in die Dienste des Barons getreten.

      Immer noch glitten die Dickichte vorüber, das Wasser des Teiches glitzerte in den immer schiefer werdenden Sonnenstrahlen, die lange Reihe der Wagen warf hüpfende Schatten auf den Boden. Die junge Frau, die sich dem Zauber des herrlichen Tages nicht zu entziehen vermochte, war sich all' der Begierden bewußt, die sich da im Sonnenschein ergingen. Sie empfand keine Entrüstung gegen diese Leute, die den Genüssen des Lebens nachjagten. Doch haßte sie dieselben der Genugthuung, des Triumphes wegen, welchen ihre Mienen im goldenen Lichte des Himmels zur Schau trugen. Sie Alle sahen so schön, so lächelnd aus: weiß und wohlgenährt boten sich die Frauen den Blicken dar und die Männer blickten lebhaft, bewegten sich mit den anmuthigen Geberden glücklicher Liebhaber. Sie aber empfand in der Tiefe ihres leeren Herzens nichts mehr als eine Mattigkeit, ein dumpfes Verlangen. War sie denn besser als die Anderen, daß sie unter der Wucht der Vergnügungen derart zusammenbrach? oder verdienten die Anderen Lob, weil ihr Leib widerstandsfähiger war als der ihrige? Sie vermochte es nicht zu sagen, sie wünschte neue Begierden zu empfinden, um das Leben neu zu beginnen, als ihr bei einer Wendung des Kopfes auf dem sich längs der Hecke hinziehenden Fußwege ein Anblick zutheil wurde, der ihr den letzten niederschmetternden Schlag versetzte.

      Arm in Arm schritten Saccard und Maxime langsam dahin. Der Vater hatte dem Sohne offenbar einen Besuch gemacht und darauf waren Beide über die Avenue de l'Impératrice plaudernd bis zum Teich gegangen.

      »Du bist ein Narr«, sagte Saccard; »verstehe mich doch recht. Wenn man Geld hat wie Du, so läßt man es nicht todt liegen. In dem Unternehmen, von welchem ich mit Dir gesprochen, sind hundert Perzent zu verdienen. Das ist eine ganz sichere Anlage und Du weißt sehr gut, daß ich Dich um keinen Preis zu Schaden bringen möchte.«

      Den jungen Mann aber schien dieses Drängen zu langweilen. Er lächelte mit seiner hübschen Larve und betrachtete die Wagen.

      »Sieh' doch die kleine Frau dort unten, die in violetter Toilette«, sagte er mit einem Male. »Es ist eine Wäscherin, welche dieser blöde Mussy in die Mode gebracht hat.«

      Sie betrachteten die Frau in violetter Toilette, worauf Saccard eine Zigarre aus der Tasche zog und sich mit den Worten zu Maxime

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