Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola

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      »Sie bewegt sich! sie bewegt sich!«

      Und als die Mauer endlich nachgab und unter fürchterlichem Getöse eine ungeheure Staubwolke aufwirbelnd zusammenbrach, blickten die Herren einander lächelnd an. Sie waren entzückt. Ihre Ueberröcke bedeckten sich mit einem feinen Staube, der ihnen Arme und Schultern weiß färbte.

      Als sie jetzt ihren Gang zwischen den Trümmern fortsetzten, sprachen sie von den Arbeitern. Sie ließen nicht viel Gutes an denselben. Ihrer Ansicht nach waren das lauter Tagediebe, Vielfraße und derlei Dickköpfe, die nur dahin strebten, ihre Brodherren zu Grunde zu richten. Herr von Mareuil, der seit einigen Minuten mit einem geheimen Schauer zwei arme Teufel beobachtete, die an einer Dachecke hängend, eine gegenüberliegende Wand mit ihren Spitzhacken angriffen, wagte die Bemerkung, daß diese Leute doch einen bewunderungswürdigen Muth besäßen. Nun blieben auch die Uebrigen stehen und beobachteten die gleichsam in der Luft hängenden Arbeiter, die vornüber gebeugt, ihre Geräthe mit voller Wucht niedersausen ließen. Die losgelösten Steine stießen sie mit den Füßen hinunter und sahen dieselben in aller Gemüthsruhe in der Tiefe zerschellen. Wenn die Spitzhacke fehlgegangen wäre, so hätte der bloße Schwung ihrer Arme hingereicht, um sie in die Tiefe zu reißen.

      »Bah! das macht die Gewohnheit aus,« sagte der Arzt, seine Zigarre wieder zu den Lippen führend. »Das sind eher Thiere als Menschen.«

      Mittlerweile waren sie bei einem der Gebäude angelangt, die sie zu besichtigen hatten. Sie machten ihre Arbeit in einer Viertelstunde ab und setzten darauf ihre Wanderung fort. Allmälig verloren sie ihre Scheu vor dem Koth, schritten mitten durch die Pfützen und gaben die Hoffnung auf, ihre Stiefel rein zu erhalten. Als sie über die Rue Ménilmontant hinausgekommen waren, wurde der eine der Industriellen, der ehemalige Scherenschleifer, unruhig. Er betrachtete prüfend die ihn umgebenden Ruinen und schien die Gegend nicht zu erkennen. Er sagte, er habe vor dreißig Jahren etwa, als er nach Paris kam, hier gewohnt und es thue ihm ordentlich wohl, daß er den Ort wiederfinde. Immer noch ließ er den Blick suchend umherschweifen, als ihn der Anblick eines Hauses, welches die Axt der Zerstörung bereits in zwei Theile gerissen, ihn mit einem Male stillstehen ließ. Er betrachtete das Thor, dann die Fenster und indem er mit dem Finger auf eine Stelle des dem Untergange geweihten Hauses deutete, sprach er ganz laut:

      »Das ist es! das! das! ich erkenne es!« »Was denn?« fragte der Arzt.

      »Mein Zimmer, alle Wetter! das ist es ja!«

      Ein kleines, im fünften Stock gelegenes Zimmer war es, welches ehemals auf den Hof gegangen sein mochte. Eine niedergerissene Wand ließ es ganz deutlich sehen mit seinen mit gelben Zweigen bemalten Tapeten, von welchen ein losgerissenes Stück im Winde flatterte. Zur Linken sah man die Nische eines Spindes, welche mit blauem Papier beklebt gewesen sein mochte und rechts davon ein Ofenloch, mit einem zurückgebliebenen Stück Rohr.

      Die Rührung übermannte den ehemaligen Arbeiter.

      »Fünf Jahre habe ich daselbst verbracht,« sprach er halblaut, »Die Dinge gingen damals nicht nach Wunsch; aber jung war ich ... Sehen Sie den Schrank dort? In jenem sparte ich mir dreihundert Francs zusammen, Sou um Sou. Und bei dem Ofenloch erinnere ich mich noch des Tages, an welchem ich dasselbe herstellte. Das Zimmer hatte keinen Kamin, es herrschte eine bittere Kälte darin, zumal wir nicht immer zu Zweien waren.«

      »Wir sind nicht neugierig nach Ihren Geständnissen,« fiel ihm der Arzt halb scherzend ins Wort. »Sie waren sicherlich um kein Haar besser als die Anderen.«

      »Ja, das ist wahr,« bestätigte der würdige Mann gutmüthig, »Ich erinnere mich noch an eine kleine Plätterin aus dem gegenüberliegenden Hause... Sehen Sie, das Bett stand Zur Rechten, nahe zum Fenster... Ach, mein armes Zimmerchen, wie haben sie dir mitgespielt!«

      Er war ganz traurig geworden.

      »Hören Sie 'mal,« sagte Saccard, »das ist doch wahrhaftig nicht zu bedauern, daß diese alten Baracken abgetragen werden, an deren Stelle schöne, große, lichte Häuser kommen. ... Möchten Sie denn gar wieder in einem solchen Loch wohnen? Auf dem neuen Boulevard dagegen können Sie leicht eine elegante Unterkunft finden.«

      »Ja, das ist wahr,« erwiderte der Fabrikant, der völlig getröstet zu sein schien.

      Die Kommission hielt abermals bei zwei Häusern an, während der Arzt mit der Zigarre im Munde vor dem Thore stehen blieb und gen Himmel blickte. Bei der Rue des Amandiers wurden die Häuser immer seltener und man wanderte an großen Lücken vorüber, neben leeren Baugründen dahin, auf welchen zuweilen irgend ein zerfallenes Gemäuer zu sehen war. Saccard schien ganz entzückt über diese Wanderung durch Ruinen; er erinnerte sich des Diners, welches er ehemals mit seiner ersten Frau auf dem Montmartre eingenommen und erinnerte sich ganz genau, daß er mit einer Handbewegung die Linie bezeichnet hatte, welche Paris von der Place du Chateau-d'Eau bis zur Barriere du Trône durchschneiden würde. Die Verwirklichung seiner Vorhersagung erfüllte ihn mit Freude. Er betrachtete den projektirten Straßenzug mit der geheimen Genugthuung des Urhebers, als hätte er selbst mit seinen eisernen Fingern die ersten Axthiebe geführt. Und er setzte frohgemuth über die Pfützen hinweg, indem er sich sagte, daß unter diesen Trümmern, am Ende dieses Kothmeeres drei Millionen seiner harren.

      Die Herren glaubten sich auf's Land versetzt. Der Weg zog sich mitten durch Gärten hin, deren Umfriedungsmauern er mit sich genommen. Große Büsche knospenden Flieders waren zu sehen; das Laub der Bäume zeigte ein zartes Grün. Jeder dieser Gärten bildete ein lauschiges Ganzes für sich allein und in jedem derselben konnte man kleine, halbverborgene Häuser sehen, die bald an einen italienischen Pavillon, bald an einen griechischen Tempel erinnerten. Moos bedeckte die Gipssäulen, während Unkraut den Kalk von den Giebeln löste. »Dies sind kleine Häuschen,« bemerkte der Arzt und zwinkerte mit den Augen.

      Und als er sah, daß ihn die Herren nicht verstanden, erklärte er ihnen, daß die Marquis und Herzoge unter Ludwig XV. für ihre Liebesabenteuer sich lauschige Schlupfwinkel erbaut hatten. Das war damals Mode. Dann fuhr er fort:

      »Man nannte das » kleine Häuschen« und in diesem Viertel gab es eine Menge derselben ... Es trugen sich daselbst mitunter ganz merkwürdige Dinge zu!«

      Die Herren von der Kommission waren sehr aufmerksam geworden. Die Augen der beiden Industriellen glänzten und lächelnd, mit lebhaftem Interesse betrachteten sie die Gärten, diese Pavillons, für die sie vor den Erklärungen ihres Kollegen keinen Blick gehabt. Eine Grotte, die sie in einem Garten entdeckten, hielt ihre Aufmerksamkeit besonders lange gefesselt. Als der Arzt aber beim Anblick eines Gebäudes, an dessen Abtragung bereits gearbeitet wurde, behauptete, er erkenne das kleine Häuschen des von seinen Orgien her wohlbekannten Grafen von Savigny, verließ die ganze Kommission den Boulevard, um die Ruine zu besichtigen. Sie erkletterten die Schutthaufen, drangen durch die Fenster in die Räume des Erdgeschosses und da die Arbeiter eben bei ihrem Frühstück waren, so konnten die Herren nach Belieben daselbst verweilen. Sie blieben da eine volle halbe Stunde, betrachteten die Rosetten des Plafonds, die Malereien an den Wänden, die Schnitzereien an den Thüren, während der Arzt das Ganze zu rekonstruiren suchte.

      »Sehen Sie,« sprach er; »dies mochte der Saal gewesen sein, in welchem die Gastmahle abgehalten wurden. Hier, in dieser Mauervertiefung stand zweifellos ein mächtiger Divan. Und über demselben befand sich meiner Ueberzeugung nach ein großer Spiegel; ... sehen Sie hier die Spuren der Klammern, welche das Glas festhielten ... Oh, die Spitzbuben verstanden es, sich des Lebens zu freuen!«

      Sie hätten diese alten Räume, die ihre Phantasie angenehm beschäftigten, nicht so schnell verlassen, wenn Aristide Saccard, von Ungeduld erfaßt, nicht lachend gesagt hätte:

      »Sie suchen vergebens, meine

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