Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 181
Zuweilen, wenn die Traurigkeit sie übermannte, sagte sie:
»Du wirst mir die Augen zudrücken, meine Tochter.«
Céleste gab keine Antwort, sondern lächelte nur so eigenthümlich. Und eines Morgens theilte sie ihrer Herrin ruhig mit, daß sie den Dienst verlassen und in ihre Heimath zurückkehren werde. Renée war wie niedergeschmettert, als wäre ihr ein großes Unglück zugestoßen. Sie versprach und bestürmte die Dienerin mit Fragen. Weshalb ging sie von ihr, nachdem sie so gut mit einander auskamen? Sie wollte ihren Lohn verdoppeln.
Die Zofe aber hatte auf alle guten, freundlichen Worte nur ein Kopfschütteln zur Antwort.
»Und wenn Sie mir alle Schätze der Welt anböten, gnädige Frau,« erwiderte sie schließlich, »so bliebe ich keine Woche länger. Sie kennen mich eben nicht. Seit acht Jahren bin ich in Ihren Diensten, nicht wahr? Am ersten Tage sagte ich mir bereits, daß ich an dem Tage in meine Heimath zurückkehren werde, da ich mir fünftausend Francs erspart haben werde; ich würde ein Haus in Lagache ankaufen und dort ruhig und glücklich leben ... Dieses Gelübde, welches ich mir selbst gethan, will ich nun erfüllen. Und seit gestern habe ich mit meinem Lohne, den Sie mir ausbezahlten, die fünftausend Francs beisammen.«
Ein kalter Schauer beschlich Renée's Herz. Sie sah Céleste hinter sich und Maxime, während sie einander umschlungen hielten; sie sah sie mit ihrer Gleichgiltigkeit, ihrer unerschütterlichen Ruhe, während sie an ihre fünftausend Francs dachte. Dessenungeachtet versuchte sie sie zurückzuhalten, entsetzt bei dem Gedanken an die Leere, in welcher sie fortan leben sollte und trotz Allem bemüht, diese halsstarrige Person, die sie für ergeben gehalten und die nur eigennützig gewesen, an sich zu fesseln. Die aber schüttelte lächelnd den Kopf und erwiderte:
»Nein, nein, das ist nicht möglich ... Ich würde damit meine Mutter von mir weisen. Ich werde zwei Kühe kaufen und vielleicht sogar einen kleinen Kramhandel beginnen ... Bei uns ist's sehr hübsch und darum möchte ich, daß Sie einmal zu uns kämen. Wir wohnen in der Nähe von Caën und ich werde Ihnen die Adresse sagen.«
Nun drang Renée nicht weiter in sie. Allein geblieben weinte sie heiße Thränen und am nächsten Tage wollte sie aus krankhafter Laune Céleste in ihrem eigenen Wagen nach dem West-Bahnhofe bringen. Sie überließ ihr eine ihrer Reisedecken, machte ihr ein Geldgeschenk und war um sie bemüht wie eine Mutter, deren Tochter eine gefährliche und langwierige Reise unternimmt. Im Wagen hielt sie die feuchten Augen fortwährend auf sie gerichtet und Céleste plauderte, berichtete, wie sehr sie sich darüber freue, daß sie nunmehr nach Hause gehen könne. Kühner werdend, sprach sie mit weniger Zurückhaltung; ja, sie ertheilte ihrer Gebieterin sogar Ratschläge.
»Ich, gnädige Frau, hätte das Leben nicht so aufgefaßt wie Sie. Gar oft fragte ich mich im Stillen, wenn ich Sie mit Herrn Maxime sah: Mein Gott, wie kann man nur der Männer wegen so dumm sein ... Das hat immer ein schlimmes Ende... Ja, ich war immer so mißtrauisch!...«
Sie lachte und lehnte sich in die Kissen zurück.
»Meine blanken Thaler hätten es zu bereuen gehabt!« fuhr sie fort; »und heute könnte ich mir die Augen aus dem Kopfe weinen. Darum auch ballte ich stets beide Fäuste, wenn sich mir ein Mann näherte ... Ich getraute mich niemals es Ihnen zu sagen; außerdem ging mich die Sache ja nichts an. Sie waren vollkommen frei und ich hatte mich blos darum zu kümmern, mein Geld auf rechtschaffene Weise zu erwerben.«
Auf dem Bahnhofe angelangt wollte Renée für sie zahlen und löste eine Karte erster Klasse. Da sie etwas zu früh gekommen waren, nahm sie Céleste beiseite, drückte ihre Hände und wiederholte immer wieder:
»Geben Sie Acht auf sich, pflegen Sie sich, meine gute Céleste.«
Diese duldete schweigend die Liebkosungen und angesichts der thränenüberströmten Augen ihrer Gebieterin schien sie glücklich und heiter. Renée sprach von der Vergangenheit, als die Andere mit einem Male sagte:
»Ich habe ganz vergessen; ich erzählte Ihnen nicht die Geschichte von Baptiste, dem Kammerdiener des Herrn, wie? ... Man wollte Ihnen gewiß nichts sagen ...«
Die junge Frau gestand, daß sie wirklich nichts wisse.
»Sie erinnern sich doch seiner würdevollen Miene, seiner verächtlichen Blicke, von denen Sie selbst einmal sprachen. ... Nun, das Ganze war nichts als Komödie ... Er liebte die Frauen nicht, kam niemals ins Gesindezimmer, wenn wir dort waren und er behauptete sogar, – heute kann ich es Ihnen schon sagen – es sei zu ekelhaft im Salon mit den vielen ausgeschnittenen Kleidern der Damen. Ich will's gerne glauben, daß er die Frauen nicht leiden mochte!«
Damit neigte sie sich an das Ohr Renée's und während diese bei den Worten, die sie ihr zuflüsterte, tief erröthete, behielt sie selbst ihre rechtschaffene, ruhige Miene bei.
»Als der neue Stallknecht,« fuhr sie darauf fort, »dem Herrn Alles mitgetheilt hatte, zog es der Herr vor, Baptiste zu entlassen, statt ihn der Behörde zu übergeben. Es scheint, daß diese gräßlichen Dinge schon seit Jahren in den Ställen getrieben wurden ... Und dabei gab sich der Bengel den Anschein, als liebte er die Pferde! Ja, Possen! Die Stallburschen liebte er, nicht die Pferde.«
Das Läuten der Glocke unterbrach sie. Schnell raffte sie die verschiedenen Bündel zusammen, von denen sie sich nicht trennen wollte, ließ sich küssen und schritt davon, ohne sich umzuwenden.
Renée blieb im Bahnhofe, bis der Pfiff der Lokomotive ertönte. Und als der Zug davonrollte, wußte sie in ihrer Verzweiflung nicht, was sie thun sollte; die nun folgenden Tage dehnten sich vor ihr aus, endlos und leer wie dieser große Saal, in welchem sie allein zurückgeblieben. Sie stieg wieder in ihren Wagen und befahl dem Kutscher, nach Hause zu fahren. Doch unterwegs besann sie sich; sie fürchtete sich vor ihrem Zimmer, vor der Langeweile, die ihrer harrte und sie fühlte nicht einmal den Muth in sich, nach Hause zu gehen und die Toilette zu ihrer gewohnten Fahrt ins Bois zu wechseln. Sie empfand das Bedürfniß nach Menschen und Sonnenschein.
Sie befahl dem Kutscher, ins Bois zu fahren.
Es war vier Uhr und das Bois erwachte aus seiner dumpfen Nachmittagsruhe. Längs der Avenue de l'Impératrice stiegen Staubwolken auf und man sah von Weitem die grünen Flächen, welche die Abhänge von Saint-Cloud und Suresnes bezeichneten, darüber hinaus die grauen Umrisse des Mont-Valerien. Die Sonne stand hoch am Himmel und erfüllte die Luft mit einem goldenen Staubschleier, verwandelte dieses Meer von grünem Laubwerk in ein Meer von Licht. Doch in der zum Teich führenden Allee war gespritzt worden; die Wagenräder rollten über den gebräunten Boden wie über weiches Moos, während der Geruch der feuchten Erde zu beiden Seiten emporstieg. Rechts und links reckten die Bäume und Sträucher ihre frischen Triebe empor, die in ein grünliches Licht getaucht waren, welches stellenweise von goldgelben Flecken unterbrochen ward. In dem Maße, als man dem Teiche näher kam, vermehrten sich die Stühle des Trottoirs und die Familien, welche dieselben besetzt hielten, betrachteten mit ruhiger, stiller