Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
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Als Renée im darauffolgenden Winter an vorgeschrittener Hirnhautentzündung starb, wurden ihre Schulden von ihrem Vater bezahlt. Die Rechnung bei Worms allein belief sich auf zweihundertsiebenundfünfzigtausend Francs.
Der Bauch von Paris (Le ventre de Paris. Übersetzt von Armin Schwarz)
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel
Inmitten der tiefen Stille zogen durch die menschenleere, ansteigende Allee die Karren der Gemüsegärtner nach Paris mit dem gleichmäßigen Kreischen ihrer Räder, dessen Widerhall an die Mauern der Häuser schlug, die zu beiden Seiten der Straße hinter den verschwommenen Linien der Ulmen in nächtlicher Ruhe dalagen. An der Brücke von Neuilly waren ein Karren Kohl und ein Karren Bohnen zu den acht Karren weißer und gelber Rüben gestoßen, die von Nanterre kamen; die Pferde gingen allein gesenkten Kopfes mit ihrem ausdauernden, trägen Schritt, den der ansteigende Weg noch verlangsamte. Auf ihrer Gemüseladung oben, zugedeckt mit ihren schwarz und grau gestreiften Mänteln, schlummerten die Kärrner mit den Zügeln in der Faust. Trat ein Wagen aus einem in Schatten liegenden Straßenabschnitt heraus, dann beleuchtete das Gaslicht die Nägel eines Schuhes, den blauen Ärmel einer Bluse, die Spitze einer Mütze mitten unter den riesigen Bündeln roter und weißer Rüben, dem überquellenden Grün der Bohnen und der Kohlköpfe. Und auf der Straße wie auf den benachbarten Wegen, vorwärts und rückwärts kündigte das ferne Knarren von Fuhrwerken gleiche Züge an, einen ganzen Markt, der durch die Dunkelheit und den Schlaf der zweiten Morgenstunde sich bewegte und die im Schatten liegende Stadt in dem Geräusch dieses Zuges von Nahrungsmitteln wiegte.
Balthasar, das Pferd der Frau François, ein allzu fettes Tier, schritt an der Spitze des Zuges einher. Halb im Schlummer und leise die Ohren bewegend, ging es fürbaß, als auf der Höhe der Longchamp-Straße ein plötzlicher Schreck es zwang, sich auf alle vier stemmend stillzustehen. Die anderen Tiere stießen mit dem Kopf an das Hinterteil der Karren, und der ganze Zug hielt still mit einem lauten Klirren der Eisenbeschläge und unter den Flüchen der plötzlich aufgewachten Kärrner. Frau François, die auf einem vor dem Gemüsehaufen quer angebrachten Brettchen saß, blickte umher, sah aber nichts bei dem spärlichen Lichte der an der linken Seite des Karrens angebrachten Laterne, die nur eine Flanke Balthasars beleuchtete.
He, Mutter François, vorwärts! rief einer der Männer, auf seinem Rübenhaufen kniend. Es wird irgendein betrunkener S.....l sein.
Sie hatte sich hinabgeneigt und sah rechts, fast unter den Füßen des Pferdes, eine schwarze Masse, die den Weg verlegte.
Man kann doch die Leute nicht überfahren, sagte sie und sprang vom Karren zur Erde.
Es war ein Mann, der bäuchlings in seiner ganzen Länge mit ausgestreckten Armen im Straßenstaube lag. Er schien von ungewöhnlicher Länge zu sein und dürr wie ein Brett. Es war ein Wunder, daß Balthasar ihn nicht mit einem einzigen Hufschlag zu Tode getreten hatte. Frau François hielt ihn für tot; sie hockte vor ihm nieder, nahm eine seiner Hände und fühlte, daß sie warm war.
He, Mann! sagte sie mit sanfter Stimme.
Doch die anderen Kärrner wurden ungeduldig. Der auf seinen Rüben kniete, rief jetzt mit seiner heiseren Stimme:
Haut doch ein, Mutter François! Der Kerl ist voll; stoßt ihn in die Gosse!
Der Mann hatte indes die Augen geöffnet. Mit erschreckter Miene und ohne sich zu rühren, betrachtete er Frau François. Sie dachte, daß er in der Tat betrunken sein müsse.
Sie dürfen da nicht bleiben, sonst werden Sie überfahren, sagte sie ... Wohin gehen Sie?
Ich weiß es nicht, erwiderte er mit sehr müder Stimme. Dann blickte er sich unruhig um. Ich ging nach Paris und bin gefallen ... mehr weiß ich nicht.
Sie sah ihn jetzt genauer an; er hatte ein recht klägliches Aussehen mit seinem fadenscheinigen, zerfetzten, schwarzen Rocke und ebensolchem Beinkleide, die an seinem hageren, knochigen Leibe schlotterten. Seine Mütze von grobem, schwarzem Tuche, scheu bis zu den Augenbrauen herabgezogen, beschattete zwei große, braune Augen von eigentümlicher Sanftmut in einem Gesichte, in das die Leiden ihre harten Furchen gezogen hatten. Frau François dachte, daß er wirklich zu mager sei, um getrunken zu haben.
Wohin gingen Sie in Paris? fragte sie weiter.
Er antwortete nicht sogleich; dieses Verhör schien ihm unbequem zu sein. Er schien mit sich zu Rate zu gehen; dann sagte er zögernd:
Dorthin, nach den Hallen.
Mit unsäglicher Mühe hatte er sich aufgerichtet und schickte sich an, seinen Weg fortzusetzen. Die Krautgärtnerin sah, wie er sich wankend auf die Gabeldeichsel des Karrens stützte.
Sind Sie müde? fragte sie.
Ja, sehr müde, flüsterte er.
Da drängte sie ihn vorwärts und rief:
Rasch, rasch, auf meinen Wagen! Wir verlieren Ihrethalben zu viel Zeit! ... Ich fahre nach den Hallen; dort will ich Sie mit meinen Gemüsen abladen.
Da er sich weigerte, hob sie ihn mit ihren kräftigen Armen auf den Karren, warf ihn fast auf den Rübenhaufen hin und rief zornig:
Lassen Sie uns jetzt in Frieden! Sie ärgern mich, mein Bester! Ich sage Ihnen ja, daß ich nach den Hallen fahre! ... Schlafen Sie, ich werde Sie schon wecken ...
Sie stieg wieder auf den Karren, setzte sich auf das quer liegende Brett und ergriff die Zügel Balthasars, der sich wieder in Gang setzte, schläfrig, leise die Ohren bewegend. Die übrigen Karren folgten, die ganze Reihe nahm in dem nächtlichen Dunkel ihren Weg wieder auf und sandte den Widerhall des Räderknarrens gegen die schlummernden Häuser. Auch die Kärrner schliefen unter ihren Mänteln wieder ein. Der die Mutter François angerufen hatte, streckte sich wieder aus und brummte:
Das wäre