Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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willst du also?

      Zehn Franken, ich sagte dir's ja! ... Und was machst du denn mit deinem Jules, Sarriette?

      Die junge Frau lachte und zog eine Handvoll kleine Münzen hervor.

      Ach, Jules! sagte sie; der schläft in den hellen Tag hinein. Er behauptet, die Männer seien nicht da, um zu arbeiten.

      Sie zahlte und trug ihre zwei Körbe in den Pavillon für Früchte, der eben geöffnet worden war. Die Hallen zeigten noch immer die dunklen Umrisse ihres leichten Baues mit den tausend Lichtstreifen ihrer Fenster; in den großen, offenen Gängen sah man jetzt viele Leute, während weiterhin die Pavillons noch verödet waren inmitten des wachsenden Gewimmels auf den Bürgersteigen. Auf dem Sankt-Eustach-Platze öffneten die Bäcker und Weinhändler ihre Läden. Die Läden, ganz rot in dem grellen Gaslicht, das ihr Inneres beleuchtete, waren in der Reihe der grauen Häuser helle Flecke in dem Dunkel des anbrechenden Tages. Florent betrachtete einen Bäckerladen in der Montorgueil-Straße, links; der Laden war voll goldglänzenden frischen Gebäcks, und Florent glaubte den angenehmen Geruch warmen Brotes zu verspüren. Es war halb fünf Uhr morgens.

      Inzwischen hatte sich Frau François ihrer Waren entledigt; es waren ihr nur einige Bunde Möhren übrig geblieben. Da erschien Lacaille mit seinem Sack wieder.

      Nun, nehmt Ihr einen Sou? fragte er.

      Ich wußte, daß Ihr wiederkommen würdet, erwiderte die Küchengärtnerin ruhig. Nehmt den Rest, es sind siebzehn Bunde.

      Das macht siebzehn Sous.

      Nein, vierunddreißig.

      Sie einigten sich auf fünfundzwanzig Sous. Frau François hatte Eile fortzukommen. Als Lacaille mit den Möhren in seinem Sacke sich entfernt hatte, sagte die Gärtnerin zu Florent:

      Sehen Sie, er hat mich belauert. Der Alte macht den ganzen Markt unsicher. Manchmal wartet er bis zum letzten Glockenschlag, um für vier Sous Ware zu kaufen ... Ach, diese Pariser! Das balgt sich für zwei Heller herum und vertrinkt dann in der Weinstube den letzten Sou.

      Wenn Frau François von Paris sprach, geschah es nur im Tone des Spottes und der Verachtung; sie behandelte es wie eine sehr ferne, durchaus lächerliche und verächtliche Stadt, in die sie nur zur Nachtzeit den Fuß setzen wollte.

      Ich kann jetzt gehen, sagte sie und ließ sich neben Florent auf den Gemüsen einer Nachbarin nieder.

      Florent blickte zur Erde; er hatte soeben einen Diebstahl begangen. Als Lacaille sich entfernt, hatte er – Florent – eine am Boden liegende Möhre bemerkt. Er hatte sie aufgehoben und hielt sie noch in seiner rechten Hand. Die Bündel Sellerie und Petersilie hinter ihm verbreiteten scharfe Gerüche, die ihm in die Kehle drangen.

      Ich gehe jetzt, wiederholte Frau François.

      Sie interessierte sich für diesen Unbekannten, denn sie merkte, daß er litt, wie er unbeweglich auf dem Fußwege dasaß. Sie bot ihm von neuem ihre Dienste an, doch er lehnte wieder ab, diesmal noch stolzer als früher. Er erhob sich sogar und richtete sich auf, um zu zeigen, daß er ganz stramm sei. Als sie den Kopf wegwandte, schob er die Möhre in den Mund; aber er mußte sie einen Augenblick im Munde behalten trotz seinem furchtbaren Verlangen, sie zu zerkauen; denn sie schaute ihm wieder ins Gesicht und befragte ihn in ihrer Neugierde einer wackeren Frau. Um nicht sprechen zu müssen, antwortete er nur mit Bewegungen des Kopfes. Dann aß er ganz sachte seine Möhre.

      Die Krautgärtnerin schickte sich endlich an aufzubrechen, als plötzlich eine kräftige Stimme neben ihr ausrief:

      Guten Tag, Frau François!

      Es war ein magerer, grobknochiger, junger Mann mit großem Kopfe, bärtig, mit feingeschnittener Nase, kleinen und hellen Augen. Er trug einen formlosen, abgegriffenen Hut von schwarzem Filz und war in einen ungeheuren Überzieher eingeknöpft, der einst kastanienbraun gewesen, jetzt aber vom Regen ganz verwaschen, breite, grüne Streifen zeigte. Ein wenig gebeugt, von einem nervösen Zittern befallen, das bei ihm gewöhnlich zu sein schien, stand er da in seinen groben Schnürschuhen; das zu kurz, geratene Beinkleid ließ die blauen Strümpfe sehen.

      Guten Tag, Herr Claude, erwiderte die Krautgärtnerin in heiterem Tone. Ich habe Sie am Montag erwartet, und weil Sie nicht kamen, Ihre Leinwand in Verwahrung genommen; sie hängt in meiner Stube an einem Nagel.

      Sie sind zu gütig, Frau François. An einem der nächsten Tage komme ich hinaus, um meine Studie zu vollenden. Am Montag habe ich nicht können ... Ist Ihr großer Pflaumenbaum noch stark belaubt?

      Gewiß.

      Ich will ihn in einem Winkel meines Gemäldes anbringen links vom Hühnerstall; er wird sich da sehr gut ausnehmen. Die ganze Woche habe ich darüber nachgedacht ... Heute gibt's aber schöne Gemüse, he! Ich bin frühzeitig hergekommen, weil ich vermutete, es werde einen prächtigen Sonnenaufgang auf dem Gemüsemarkte geben. Damit streckte er den Arm über den ganzen, weiten Markt aus. Die Krautgärtnerin aber sagte:

      Ich gehe jetzt. Leben Sie wohl, Herr Claude, und auf baldiges Wiedersehen!

      Doch in dem Augenblicke, als sie gehen wollte, stellte sie noch Florent dem jungen Manne vor.

      Der Herr kommt von weit her, wie es scheint, sagte sie. Er kennt sich in Eurem lumpigen Paris nicht mehr aus. Sie könnten ihm vielleicht nützliche Auskünfte geben.

      Endlich ging sie, ganz froh darüber, die beiden Männer zusammengebracht zu haben. Claude betrachtete Florent mit Interesse. Diese lange, schmächtige, schwankende Figur schien ihm originell. Die Vorstellung durch Frau François genügte; mit der Vertraulichkeit eines Gewohnheitsspaziergängers, dem keine Begegnung mehr auffällig ist, sagte er ihm ruhig:

      Ich begleite Sie. Wohin gehen Sie? Florent stand verlegen da. Er zögerte sein Geheimnis zu lüften; allein seit seiner Ankunft hatte er eine Frage auf den Lippen. Endlich wagte er schüchtern, eine betrübende Antwort fürchtend, die Frage:

      Existiert noch die Pirouette-Straße?

      Ja, gewiß! erwiderte der Maler. Sie ist ein gar merkwürdiger Fleck des alten Paris; sie dreht sich wie eine Tänzerin und ihre Häuser haben Bäuche wie die schwangeren Weiber. Ich habe von der Straße eine Zeichnung gemacht, die gar nicht übel ist. Wenn Sie zu mir kommen, will ich sie Ihnen zeigen ... Also dorthin gehen Sie?

      Florent, erleichtert und erfreut durch die Nachricht, daß die Pirouette-Straße noch existiere, erklärte, daß er nicht dorthin gehe, und versicherte, daß er überhaupt nirgendshin zu gehen habe. Angesichts der Beharrlichkeit Claudes erwachte sein ganzes Mißtrauen wieder.

       Das tut nichts, sagte letzterer; gehen wir immerhin nach der Pirouette-Straße. Zur Nachtzeit hat sie eine gar seltsame Farbe ... Kommen Sie, es ist ganz nahe.

      Er mußte ihm folgen. Sie gingen nebeneinander hin wie zwei Kameraden über Körbe und Gemüsehaufen hinweg. Auf den Quadern der Rambuteau-Straße lagen riesige Haufen Blumenkohl, mit überraschender Regelmäßigkeit in Stößen geordnet wie die Kugeln. Das weiße, zarte Fleisch der Blumenkohlköpfe breitete sich aus gleich mächtigen Rosen inmitten großer, grüner Blätter, und die Haufen glichen Hochzeitssträußen, die in ungeheueren Blumenbehältern nebeneinander aufgereiht sind. Claude war stehen geblieben, und seine Bewunderung machte sich in leisen Ausrufen Luft.

      In der Pirouette-Straße zeigte und erklärte er ihm jedes Haus. Eine einzige Gaslaterne brannte in einem Winkel der Straße. Die eng zusammengerückten,

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