Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola страница 198
Die Freude Lisas und Quenus war eine innige, geräuschlose. Sie setzten sich auf den Bettrand, Lisa zu Häupten, Quenu zu Füßen, zu beiden Seiten des Geldhaufens; und sie zählten das Geld auf der Bettdecke, um kein Geräusch zu verursachen.
Es waren vierzigtausend Franken in Gold, dreitausend Franken in Silber und – in einer Blechbüchse – zweiundvierzigtausend Franken in Banknoten. Es währte zwei Stunden, bis sie alles Geld zusammengezählt hatten. Quenus Hände zitterten ein wenig; Lisa mußte beim Zählen das Hauptwerk tun. Sie richteten die Goldstöße auf dem Polster auf und ließen das Silber in der Grube der Bettdecke. Als sie die für sie ungeheure Ziffer von fünfundachtzigtausend Franken festgestellt hatten, begannen sie zu plaudern. Natürlich sprachen sie von der Zukunft, von ihrer Ehe, ohne daß jemals zwischen ihnen von Liebe die Rede gewesen wäre. Dieses Geld schien ihnen die Zunge zu lösen. Sie hatten sich es auf dem Bette noch bequemer gemacht, hatten sich unter den weißen Mousselinevorhängen an die Mauer gelehnt, die Beine über das Bett gestreckt. Da während ihres Geplauders ihre Hände in dem Gelde wühlten, begegneten sie sich da und vergaßen sich ineinander inmitten der Hundertsousstücke. So überraschte sie die Abenddämmerung. Jetzt erst errötete Lisa darüber, daß sie sich an der Seite dieses jungen Mannes sah. Sie hatten das Bett völlig in Unordnung gebracht, daß die Bettücher überall herunterhingen; auf dem Polster, der sie trennte, bildeten die Goldstöße kleine Vertiefungen, als ob liebeglühende Köpfe sich da gewälzt hätten.
Sie erhoben sich verlegen mit der verwirrten Miene von Liebenden, die soeben ihren ersten Fehltritt begangen. Dieses zerwühlte Bett mit dem Geld klagte sie einer verbotenen Freude an, die sie hinter verschlossener Tür genossen. So war ihr Sündenfall beschaffen. Lisa, die ihre Kleider ordnete, als ob sie Schlimmes verübt hätte, holte jetzt ihre zehntausend Franken herbei. Quenu verlangte, daß sie sie zu den fünfundachtzigtausend Franken des Oheims lege. Er mengte lachend die zwei Summen durcheinander, indem er sagte, auch das Geld müsse sich verloben. Sie kamen überein, daß Lisa den Schatz in ihrem Kasten verwahren solle. Als sie das Geld verschlossen und das Bett wieder in Ordnung gebracht hatte, gingen sie hinab. Sie waren so gut wie Mann und Frau.
Die Hochzeit fand im nächsten Monate statt. Das Stadtviertel fand diese Ehe natürlich, durchaus schicklich. Man wußte beiläufig die Geschichte von dem Schatze, und die Rechtschaffenheit Lisas war der Gegenstand endloser Lobeserhebungen; sie hätte ja schließlich dem Quenu die Sache verheimlichen und die Taler für sich behalten können; wenn sie dennoch gesprochen, so geschah es aus purer Ehrbarkeit, da ja niemand sie gesehen hatte. Sie verdiente es sehr wohl, daß Quenu sie zur Frau nahm. Dieser Quenu hatte Glück; er war nicht schön und fand eine schöne Frau, die ihm einen Schatz ausgrub. Die Bewunderung ging so weit, daß man schließlich ganz leise sagte, »Lisa sei wirklich dumm, getan zu haben, was sie getan.« Lisa lächelte, wenn man ihr in halb verhüllten Worten von diesen Dingen sprach. Sie und ihr Mann lebten wie früher in guter Freundschaft und glücklichem Frieden. Sie half ihm bei der Arbeit, begegnete seinen Händen in dem Hackfleisch, neigte sich über seine Schulter, um einen Blick in die Töpfe zu werfen. Es war nicht immer das große Herdfeuer allein, was ihnen heiß machte.
Lisa war eine kluge Frau, die sehr bald einsah, wie dumm es wäre, ihre fünfundneunzigtausend Franken in dem Schubfach der Kommode schlummern zu lassen. Quenu würde sie gern wieder in das Pökelfaß zurückgelegt haben, bis er noch mehr dazu erworben habe, sie würden sich dann nach Suresnes zurückgezogen haben, einem Vorort von Paris, der ihnen sehr gefiel. Allein sie hatte einen andern Ehrgeiz. Die Pirouette-Straße stimmte nicht zu ihren Gedanken von Sauberkeit, zu ihrem Bedürfnisse nach Licht, Luft und Gesundheit. Der Laden, wo der Onkel Gradelle Sou für Sou seinen Schatz gesammelt hatte, war eine Art dunkler Schlauch, einer jener fragwürdigen Wurstläden der alten Stadtviertel, deren Fliesen trotz des Scheuerns den starken Geruch des Fleisches behalten. Die junge Frau aber träumte von einem jener hellen, modernen Läden, die prächtig eingerichtet sind wie ein Salon und den Schimmer ihrer Spiegelscheiben auf den Fußweg einer breiten Straße werfen. Es war dies bei ihr keineswegs die kleinliche Begierde, hinter einem eleganten Zahlpulte die Dame zu spielen, sondern sie war sich der prunkvollen Anforderungen des modernen Handels vollkommen bewußt. Quenu war anfänglich erschrocken, als sie ihm davon sprach, umzusiedeln und einen Teil ihres Geldes auf die Ausschmückung eines neuen Ladens zu verwenden. Doch sie zuckte lächelnd die Achseln.
Als es eines Abends schon dunkel und der Laden noch nicht beleuchtet war, hörten die Ehegatten eine Frau, die vor der Ladentür zu einer anderen sagte:
O nein! ich kaufe da nicht mehr ein; ich möchte von da nicht ein Endchen Wurst nehmen, meine Liebe ... Sie hatten einen Toten in ihrer Küche!
Quenu weinte vor Schmerz, als er dies hörte. Die Geschichte von dem Toten in der Küche machte die Runde. Er errötete schließlich vor den Kunden, wenn er sah, wie sie an der Wurst rochen. Darum war er es, der den Gedanken der Umsiedelung vor seiner Frau zuerst wieder erwähnte. Sie hatte sich inzwischen, ohne etwas zu sagen, mit dem neuen Laden beschäftigt; in unmittelbarer Nähe in der Rambuteau-Straße, wundervoll gelegen, hatte sie einen solchen gefunden. Die Zentralmarkthallen, die gegenüber eröffnet wurden, mußten die Kundschaft verdreifachen, dem Hause in ganz Paris einen Ruf verschaffen. Quenu ließ sich zu unsinnigen Ausgaben hinreißen; er verwendete über dreißigtausend Franken auf Marmor, Vergoldungen und Spiegel. Lisa verbrachte Stunden bei den Arbeitern und gab ihre Ansicht über die geringsten Einzelheiten an. Als sie endlich vor ihrem Zahlpulte Platz nehmen konnte, kamen die Leute scharenweise zu ihnen einkaufen, bloß um den neuen Laden zu sehen. Die Mauern waren völlig mit weißem Marmor bekleidet; an der Decke befand sich ein riesiger, viereckiger Spiegel in einer breiten, reich geschnitzten Goldeinfassung; in der Mitte hing ein vierarmiger Kronleuchter; hinter dem Zahlpulte war ebenfalls ein das ganze Wandfeld ausfüllender Spiegel, links noch einer und im Hintergrunde des Ladens noch mehrere Spiegel, die zwischen Marmortafeln ganze Ströme von Licht ausgössen und den Laden mit seinen leckeren Warenvorräten ins Unendliche zu vervielfältigen schienen. Rechts von der Türe stand das große Zahlpult, das die Kunden ganz besonders schön gearbeitet fanden; in die einzelnen Felder waren runde Flächen von rosafarbenem Marmor eingelassen; der Fußboden war mit weißen und rosa Marmorquadern ausgelegt, die ein Saum von dunkelrotem Marmor einrahmte. Das Stadtviertel war stolz auf seinen Wurstladen; niemand dachte mehr an die Küche in der Pirouette-Straße, wo ein Toter gelegen. Einen Monat hindurch blieben die Nachbarinnen auf dem Fußweg stehen, um durch die Servelatwürste und die Spitzenvorhänge des Schaufensters Lisa zu betrachten. Man bewunderte ihr weißes und rosiges Fleisch ebenso wie den Marmorzierat des Ladens. Sie erschien wie die Seele, das lebendige Licht, die kräftige starke Göttin dieses Ladens. Man nannte sie nur die schöne Lisa.
Rechts vom Laden lag das Speisezimmer, ein sehr sauber gehaltenes Gemach mit einem Speiseschrank, einem Tische und Sesseln, alles in hellem Eichenholz. Die Matte, die den Fußboden bedeckte, die zartrosafarbens Papiertapete, die Tischdecke von Wachsleinwand, die das Eichenholz nachahmte, – alles