Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau страница 125

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

Скачать книгу

      Fünfter Brief.

       Frau v. Orbe an Juliens Liebsten.

       Inhaltsverzeichnis

      (Einschluß in den vorigen.)

      Willkommen, tausendmal willkommen, lieber Saint-Preux; denn ich nehme an, daß Ihnen dieser Name [Es ist derjenige, welchen sie ihm vor ihren Leuten bei seiner Abreise gegeben hatte. S. Abth. III. Br. 14.] bleiben soll, wenigstens in unserem Kreise. Ich brauche Ihnen, dünkt mich, weiter nichts zu sagen, als daß man nicht gemeint ist, Sie von diesem auszuschließen, wofern Sie nicht selbst dazu thun. Sie sehen aus dem beifolgenden Briefe, daß ich mehr gethan habe, als Sie verlangten, lernen Sie also ein wenig mehr Vertrauen zu Ihren Freunden haben, und Kummer, den sie theilen, wenn auch ihre Vernunft sie zwingt, ihn Ihnen zubereiten, nicht ihrem Herzen anrechnen. Herr v. Wolmar will Sie sehen; er bietet Ihnen sein Haus, seine Freundschaft, seinen Rath an. Es bedurfte gar nicht so viel, um meine Besorgnisse über Ihr Herkommen zu zerstreuen, und ich würde mir selbst Unrecht thun, wenn ich es einen Augenblick vermöchte, Mißtrauen in Sie zu setzen. Er will noch mehr, er geht damit um, Sie zu heilen; weder Julie, sagt er, noch er, noch Sie, noch ich, könnten sonst vollkommen glücklich sein. Obgleich ich viel von seiner Klugheit und noch mehr von Ihrer Tugend erwarte, bin ich doch über den Erfolg dieses Unternehmens im Ungewissen. Nur so viel weiß ich, bei der Frau, die er hat, ist die Mühe, welche er sich machen will, nichts als eine Großmuth gegen Sie.

      Kommen Sie denn, mein liebenswerther Freund, in der Sicherheit eines redlichen Herzens, und stillen Sie die Ungeduld, welche wir alle empfinden, Sie zu umarmen und Sie ruhig und zufrieden zu sehen; kommen Sie, um in Ihrem Vaterlande und unter Ihren Freunden von Ihren Reisen auszuruhen und Alles zu vergessen, was Sie ausgestanden haben. Das letzte Mal, da Sie mich sahen, war ich eine grämliche Matrone, und meine Freundin war ganz herunter; nun aber, da es ihr wohl geht und ich wieder Jungfer geworden bin, werden Sie mich ganz so toll und fast noch eben so hübsch als vor meiner Verheiratung finden. So viel ist wenigstens ganz gewiß, daß ich mich gegen Sie nicht verändert habe, und daß Sie viele Male die Reise um die Welt machen könnten, ehe Sie Jemanden fänden, der Sie so liebt, wie ich.

      Sechster Brief.

       Saint-Preux an Milord Eduard.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich stehe mitten in der Nacht auf, um Ihnen zu schreiben. Ich kann keinen Augenblick Ruhe finden. Mein bewegtes, entzücktes Herz vermag sich nicht zu halten; es bedarf der Ergießung. Sie Theurer, der Sie es so oft vor Verzweiflung behütet haben, nehmen Sie in das Ihrige die ersten Freuden auf, die es seit so langer Zeit geschmeckt hat. Ich habe sie gesehen, Milord. Meine Augen haben sie erblickt. Ich habe ihre Stimme gehört; ihre Hände haben die meinigen berührt; sie hat mich erkannt, sie hat Freude blicken lassen, mich zu sehen; sie hat mich ihren Freund, ihren lieben Freund genannt; sie hat mich in ihr Haus aufgenommen; glücklicher als je in meinem Leben wohne ich mit ihr unter einem und demselben Dache, und jetzt, indem ich Ihnen schreibe, bin ich dreißig Schritte von ihr.

      Meine Gedanken sind zu lebhaft, um einander zu folgen; sie kommen alle zugleich, sie zerstören sich gegenseitig. Ich will eine Pause machen und Athem schöpfen, um zu versuchen, ob ich dann einige Ordnung in meinen Bericht bringen kann.

      Kaum hatte ich mich, nach so langer Abwesenheit, der ersten Freude meines Herzens hingegeben, indem ich meinen Freund, meinen Befreier, meinen Vater umarmte, als Sie an die Reise nach Italien dachten. Sie machten sie mir zu etwas Wünschenswerthem durch die Hoffnung, die Sie mir erregten, mir endlich einmal die Last abzunehmen, daß ich Ihnen so unnütz bin. Da Sie die Geschäfte nicht so bald abthun konnten, welche Sie noch in London festhielten, machten Sie mir den Vorschlag, vorauszureisen, um hier, indem ich Sie erwartete, länger bleiben zu können. Ich fragte an, ob ich kommen dürfte, erhielt die Erlaubniß, reiste ab, und obwohl Julie bei dem Gedanken, daß ich mich ihr wieder nahen sollte, in meiner Seele wieder in den Vordergrund trat, fühlte ich doch Schmerz, mich von Ihnen zu trennen. Milord, wir sind quitt, dieses Gefühl allein hat Ihnen Alles abgetragen.

      Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß ich auf dem ganzen Wege mit nichts Anderem beschäftigt war, als mit dem Gegenstande meiner Reise; aber ein bemerkenswerther Umstand ist es, daß ich anfing, diesen Gegenstand, der mir nie aus dem Herzen gekommen war, unter einem anderen Gesichtspunkte zu betrachten. Bis dahin hatte ich mir Julie immer vorgestellt, glänzend wie ehedem, in allen Reizen ihrer ersten Jugend; ich hatte immer ihre schönen Augen beseelt gesehen von der Glut, die sie in mir angefacht hatte; ihre geliebten Züge boten meinen Blicken nur Bürgen meines Glückes dar; ihre Liebe und die meinige vermischten sich so mit ihrer Gestalt, daß ich sie nicht davon trennen konnte. Jetzt sollte ich Julie verheiratet sehen, Mutter, eine mir gleichgültige Person. Ich dachte mit Unruhe daran, wie in acht Jahren ihre Schönheit gelitten haben könnte. Sie hatte die Pocken gehabt; sie war schon dadurch entstellt: wie viel mehr konnte sie es nicht seitdem sein? Meine Einbildungskraft wollte sich durchaus nicht dazu verstehen, mir Flecken auf diesem reizenden Gesichte zu zeigen, und sobald ich mir eine Pockennarbe darauf dachte, so war es nicht mehr Juliens Gesicht. Dann dachte ich an das Zusammentreffen, welches wir haben würden, an den Empfang, den sie mir bereiten würde. Dieses erste Begegnen stellte sich meiner Seele in tausend verschiedenen Bildern dar, und der kurze Augenblick, der mir in ihm bevorstand, kam mir tausend Mal des Tages in den Sinn.

      Als ich die Berge erblickte, schlug mir das Herz heftig, indem ich zu mir sagte: dort ist sie! Dasselbe war mir auf dem Meere begegnet, als ich die Küsten Europas erblickte. Dasselbe war mir schon damals in Meillerie begegnet, als ich das Haus des Barons v. Étange entdeckte. Die Welt ist für mich in zwei Regionen getheilt, die, wo sie ist, und die, wo sie nicht ist. Die erstere dehnt sich aus, wenn ich mich entferne, und zieht sich zusammen, je näher ich komme, wie ein Ort, den ich nie erreichen soll. Sie ist jetzt in die Mauern von Juliens Zimmer eingeschlossen. Ach! die ganze übrige Welt ist leer.

      Je näher ich der Schweiz kam, desto mehr fühlte ich mich bewegt. Der Augenblick, da ich von den Höhen des Jura den Genfersee erblickte, war ein Augenblick der Begeisterung und des Entzückens. Der Anblick meines Vaterlandes, dieses heißgeliebten Landes, wo Wonne in Strömen mein Herz überflutet hatte, die Alpenluft, so gesund und rein, die süße Luft des heimischen Landes, süßer als die Wohlgerüche des Orients, dieser reiche fruchtbare Boden, diese einzige Landschaft, die schönste, die je ein menschliches Auge gesehen hat, diese herrliche Gegend, die ich auf der Welt, die ich umreiste, nicht ähnlich gefunden habe, der Anblick eines glücklichen und freien Volkes, die Lieblichkeit der Jahreszeit, die Heiterkeit des Himmelstriches, tausend köstliche Erinnerungen, die alle Gefühle wieder erweckten, welche ich je genossen hatte, das Alles versetzte mich in ein Entzücken, welches ich nicht beschreiben kann, und schien mir den Genuß meines ganzen Lebens in Einen Punkt zu sammeln.

      Als ich abwärts stieg gegen das Ufer hin, empfand ich einen neuen Eindruck, von dem ich noch keine Vorstellung gehabt hatte, eine seltsame Bangigkeit, die mir das Herz zusammenzog, und mich wider Willen ängstigte. Diese Bangigkeit, deren Ursache ich mir nicht klar machen konnte, wuchs, je näher ich der Stadt kam; sie hemmte meinen Eifer die Stadt zu erreichen, und nahm endlich so zu, daß ich mich jetzt eben so sehr über die Geschwindigkeit der Fahrt beunruhigte, als zuvor über die Langsamkeit derselben. Als ich in Vevay ankam, war die Empfindung, die ich hatte, nichts weniger als angenehm; ich wurde von einem heftigen Herzklopfen befallen, welches mir den Athem benahm; ich sprach mit unsicherer, zitternder Stimme. Ich hatte Mühe mich verständlich zu machen, als ich nach Herrn von Wolmar fragte; denn seine Frau zu nennen, getraute ich mir gar nicht. Er wohne, sagte man mir, in Clarens. Diese Nachricht nahm mir ein Gewicht von fünfhundert Pfunden von der Brust, und indem ich die zwei Lieues, die ich nun noch

Скачать книгу