Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe). Jean Jacques Rousseau

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau страница 123

Jean Jacques Rousseau: Romane, Philosophische Werke, Essays & Autobiografie (Deutsche Ausgabe) - Jean Jacques Rousseau

Скачать книгу

mich so oft daran, daß ich nicht Gelegenheit habe, es zu vergessen. Ich läugne nicht, daß du ohne mich verloren warst. Aber was habe ich gethan, als daß ich dir wiedererstattete, was ich von dir empfangen hatte? Ist es möglich, lange mit dir umzugehen, ohne die Seele durchdrungen zu fühlen von Allem, was die Tugend Reizendes und die Freundschaft Süßes hat? Weißt du nicht, daß Alles, was dir naht, von dir selbst die Waffen empfängt zu deiner Vertheitigung, und daß ich vor den Anderen nichts voraus habe, als den Vortheil, welchen die Wachen des Sesostris hatten, daß ich mit dir von einerlei Alter und Geschlecht, und mit dir aufgezogen bin? Wie dem nun sei, darüber, daß sie weniger werth ist als Julie, tröstet sich Clara damit, daß sie ohne Julie noch viel weniger werth sein würde; und dann, dir die Wahrheit zu sagen, glaube ich, daß wir Beide einander sehr nöthig haben, und daß jede von uns Beiden viel dabei verlieren würde, wenn uns das Schicksal getrennt hätte.

      Daß mich die Geschäfte hier noch festhalten, ist mir am meisten der Gefahr wegen leid, daß dein Geheimniß dir immer aus dem Munde entschlüpfen will. Ich beschwöre dich, bedenke, daß das, was dich treibt, es zu bewahren, ein triftiger und gewichtiger Grund ist, und das, was dich treibt, es zu offenbaren, nur ein blindes Gefühl. Selbst unser Verdacht, daß unser Geheimniß für Den, den es angeht, keines mehr sei, ist ein Grund mehr, ihn nur mit der größten Vorsicht darüber aufzuklären. Die Zurückhaltung deines Mannes ist vielleicht ein Beispiel und eine Lehre für uns; denn in solchen Sachen macht es oft einen großen Unterschied, ob man thut, als wüßte man Etwas nicht, oder ob man es nothwendig weiß. Warte also, das fordere ich von dir, bis wir noch einmal mit einander überlegt haben. Wenn deine Ahnungen gegründet wären, und dein bedauernswerther Freund wäre nicht mehr am Leben, so bliebe nichts Besseres zu thun, als daß wir seine Geschichte und dein Unglück mit ihm begraben sein ließen. Wenn er lebt, wie ich denn hoffe, so ist es vielleicht ein anderer Fall; aber dieser müßte dann erst wirklich eintreten. Wie nun immer die Sache stehe, glaubst du nicht einige Rücksicht den Rathschlagen eines Unglücklichen schuldig zu sein, dessen Leiden allesammt dein Werk sind?

      Was die Gefahren der Einsamkeit betrifft, so begreife ich und billige deine Besorgniß, obgleich ich weiß, daß sie nicht den mindesten Grund hat. Deine früheren Fehltritte machen dich furchtsam; um so mehr verspreche ich mir Gutes von der Gegenwart. Du würdest gewiß um so weniger furchtsam sein, je mehr Ursache du. dazu hättest. Aber deine Angst um das Schicksal unseres armen Freundes kann ich nicht ungerügt lassen. Jetzt, da deine Zuneigung zu ihm ihren Charakter geändert hat, kannst du glauben, daß er mir nicht weniger theuer ist als dir. Meine Ahnung jedoch ist ganz die entgegengesetzte, und sie entspricht mehr der Vernunft. Milord Eduard hat zweimal Nachricht von ihm erhalten, und mir das letzte Mal geschrieben, daß er sich auf der Südsee befände, also die Gefahren, von denen du sprichst, schon hinter sich hatte. Du weißt dies eben so gut als ich, und bist traurig, als ob du nichts wüßtest. Aber etwas, das du noch nicht weißt, muß ich dir doch mittheilen, nämlich, daß das Schiff, auf welchem er sich befindet, vor zwei Monaten auf der Höhe der canarischen Inseln unter Segel nach Europa gesehen worden ist. So schreibt man meinem Vater aus Holland, und er hat nicht verfehlt, es mir mitzutheilen ganz nach seiner Gewohnheit, mich von den öffentlichen Angelegenheiten genauer zu unterrichten, als von seinen eigenen. Mir sagt mein Herz, daß es nicht lange dauern wird, so werden wir von unserem Philosophen Nachricht haben; und du wirst um deine Thränen sein, vorausgesetzt, daß du nicht, nachdem du seinen Tod beweint hast, darüber zu weinen findest, daß er am Leben ist. Gott sei aber Dank! darüber sind wir hinweg.

      Deb. Fosse or quì miser pur un poco. Ch'è già piangere e di vivere lasso.

       [Ach, wär' er doch ein wenig hier, der Arme. Der so des Weinens müd' ist und des Lebens. Petrarca.]

      Da hast du, was ich dir zu antworten hatte. Die, welche dich liebt, bringt dir entgegen und theilt die süße Hoffnung eines ewigen Beisammenseins. Du siehst, daß du den Plan dazu weder allein, noch zuerst gemacht hast, und daß die Ausführung desselben mehr vorgerückt ist, als du dachtest. Fasse dich also noch diesen Sommer in Geduld, meine süße Freundin; besser, sich später vereinigen, als sich nachher wieder trennen müssen. He, schöne Madame, habe ich Wort gehalten, und ist mein Triumph complet? Allons, nieder auf die Knie, man küsse achtungsvoll diesen Brief und erkenne demüthiglich, daß wenigstens einmal im Leben Julie von Wolmar in Freundschaft überboten worden ist [Was diese gute Schweizerin glücklich ist, daß sie lustig sein kann, wenn sie lustig ist, ohne dazu Esprit, Naivetät, Finesse nöthig zu haben! Sie hat gar keine Ahnung davon, was man bei uns für Anstalten machen muß, um ein wenig Humor durchbringen zu können. Sie weiß nicht, daß man solchen guten Humor nicht für sich hat, sondern für die Anderen, und daß man nicht lacht, um zu lachen, sondern um Beifall zu ernten.].

      Dritter Brief.

       Juliens Liebster an Frau von Orbe.

       Inhaltsverzeichnis

      Cousinchen, Wohlthäterin, Freundin, ich komme von den Grenzen der Erde, und bringe ein Herz mit zurück, das ganz von Ihnen voll ist. Ich habe viermal die Linie passirt, ich habe beide Hemisphären durchmessen, ich habe die vier Welttheile gesehen, ich bin am entgegengesetzten Ende des Diameters gewesen, ich habe den Erdball rund umreist, und habe Ihnen nicht einen Augenblick entrinnen können. Man sucht vergebens Dem zu entfliehen, was Einem theuer ist; sein Bild, geschwinder als Meer und Winde, folgt uns bis an's Ende der Welt, und überall, wohin man sich begebe, trägt man Das mit sich, worin man sein Leben hat. Ich habe viel gelitten, noch größere Leiden mit angesehen. Wie viel Unglückliche sah ich sterben! Ach, sie legten so großen Werth auf das Leben. Und ich, ich habe sie überleben müssen .... Vielleicht war ich in Wahrheit weniger zu beklagen; das Elend meiner Gefährten that mir weher, als mein eigenes; ich sah sie ganz von ihren Leiden hingenommen; sie müssen mehr ausgestanden haben als ich. Ich sagte mir: ich befinde mich hier schlecht, aber es giebt einen Winkel auf der Erde, wo ich glücklich bin und Frieden habe, und ich entschädigte mich am Ufer des Genfersees für Das, was ich auf dem Ocean erduldete. Ich habe das Glück, bei meiner Ankunft hier meine Hoffnung bestätigt zu sehen; Milord Eduard sagt mir, daß Sie beide ruhig leben und gesund sind, daß Ihnen, Clara, insbesondere, wenn Ihnen der süße Name Gattin geraubt ist, die anderen Freundin und Mutter geblieben sind, die wohl zu Ihrem Glücke genügen.

      Der Abgang dieses Briefes drängt mich zu sehr, um Ihnen Einzelnes über meine Reise mitzutheilen; ich bin so kühn zu hoffen, daß ich bald eine bequemere Gelegenheit dazu finden werde. Ich will mich hier begnügen, Ihnen eine ungefähre Vorstellung davon zu geben, mehr um Ihre Neugierde zu erregen, als zu befriedigen. Ich habe fast vier Jahre auf der Ungeheuern Fahrt zugebracht, von der ich Ihnen eben sagte, und bin auf demselben Schiffe zurückgekommen, auf welchem ich abgereist war, dem einzigen, welches der Commandant von seinem Geschwader wieder heimgebracht hat.

      Ich sah zuerst Südamerika, diesen gewaltigen Continent, den der Mangel an Eisen den Europäern unterworfen hat, und aus dem sie, um sich die Herrschaft darüber zu sichern, eine Wüste gemacht haben. Ich sah die Küsten Brasiliens, wo Lissabon und London ihre Schätze holen, und wo das erbarmenswürdigste Volk auf Gold und Diamanten tritt, ohne daß es etwas davon anzurühren wagte. Ich passirte glücklich die sturmvollen Meere des südlichen Polarkreises; im stillen Ocean wurde ich von den fürchterlichsten Unwettern ereilt.

      E in mar dubbioso sotto ignoto polo Provai l'onde gfallaci e'l vento infido.

      [Auf ungewissem Meer, am fremden Pol Trüg'rischer Well' und tückischen Windes Spiel.]

      Ich sah von fern den Aufenthalt jener vorgeblichen Riesen [Der Patagonier.], deren Größe in der That nur in ihrem Muthe besteht, und deren Unabhängigkeit mehr durch ein einfaches, mäßiges Leben, als durch eine außerordentliche Leibesgestalt gesichert ist. Ich weilte drei Monate auf einer wüsten, köstlichen Insel, die mir ein süßes, rührendes Bild gab von der altertümlichen

Скачать книгу