Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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Es dürfte zweckmäßig sein, zunächst vorauszuschicken, daß ich nicht behaupten will, daß jedes streng sociale Thier, wenn nur seine intellectuellen Fähigkeiten zu gleicher Thätigkeit und gleicher Höhe wie beim Menschen entwickelt wären, genau dasselbe moralische Gefühl wie der Mensch erhalten würde. In derselben Weise wie verschiedene Thiere ein gewisses Gefühl von Schönheit haben, trotzdem sie sehr verschiedene Gegenstände bewundern, können sie auch ein Gefühl von Recht und Unrecht haben, trotzdem sie durch dasselbe zu sehr verschiedenen Handlungsweisen veranlaßt werden. Um einen extremen Fall anzuführen: wäre z. B. der Mensch unter genau denselben Zuständen erzogen wie die Stockbiene, so dürfte sich kaum zweifeln lassen, daß unsere unverheirateten Weibchen es ebenso wie Arbeiterbienen für eine heilige Pflicht halten würden, ihre Brüder zu tödten, und die Mütter würden suchen, ihre fruchtbaren Töchter zu vertilgen und Niemand würde daran denken, dies zu verhindern.239 Nichtsdestoweniger würde in unserem angenommenen Falle die Biene oder irgend ein anderes sociales Thier, wie es mir scheint, doch irgend ein Gefühl von Recht und Unrecht oder ein Gewissen erhalten. Denn jedes Individuum würde ein innerliches Gefühl von dem Besitze gewisser weniger starker und andauernder Instincte haben, so daß oft ein Kampf entstehen würde, welchem Impuls zu folgen wäre; es würde daher Befriedigung und Unbefriedigung gefühlt werden, da vergangene Eindrücke während ihres beständigen Zuges durch die Seele mit einander verglichen werden würden. In diesem Falle würde ein innerer Warner dem Thiere sagen, daß es besser gewesen wäre, eher dem einen Impuls als dem anderen zu folgen. Dem einen Zug hätte gefolgt werden »sollen«, der eine würde »recht«, der andere »unrecht« gewesen sein. Aber auf diese Ausdrücke werde ich sogleich zurückzukommen haben.
Neigung zur Geselligkeit. Sociabilitat. – Thiere vieler Arten sind gesellig; wir finden selbst, daß verschiedene Species zusammenleben, so einige amerikanische Affen und die sich vereinigenden Schaaren von Raben, Dohlen und Staaren. Der Mensch zeigt dasselbe Gefühl in der starken Liebe zum Hunde, welche der Hund mit Interesse erwidert. Jedermann muß beobachtet haben, wie unglücklich sich Pferde, Hunde, Schafe u. s. w. fühlen, wenn sie von ihren Genossen getrennt sind, und welche Freude sie, wenigstens die erstgenannten Arten, bei ihrer Wiedervereinigung zeigen. Es ist interessant, über die Gefühle eines Hundes zu speculieren, welcher stundenlang in einem Zimmer bei seinem Herrn oder irgend Einem der Familie ruhig daliegt, ohne daß von ihm die geringste Notiz genommen wird, sobald er aber eine kurze Zeit allein gelassen wird, bellt oder heult er schrecklich. Wir wollen unsere Aufmerksamkeit auf die höheren socialen Thiere beschränken mit Ausschluß der Insecten, obgleich mehrere derselben gesellig leben und einander in vielen wichtigen Beziehungen helfen. Der gewöhnlichste Dienst, welchen sich höhere Thiere gegenseitig erweisen, ist, daß sie mittelst der vereinigten Sinne Aller einander vor Gefahr warnen. Jeder Jäger weiß, wie Dr. Jäger bemerkt,240 wie schwer es ist, Thieren in Herden oder Gruppen nahezukommen. Wilde Pferde und Rinder geben, wie ich glaube, kein Warnungssignal, aber schon die Haltung eines Jeden, welches zuerst einen Feind wittert, warnt die Übrigen. Kaninchen stampfen laut mit den Hinterfüßen auf den Boden als Signal: Schafe und Gemsen thun dasselbe, aber mit den Vorderfüßen, und stoßen auch einen pfeifenden Ton aus. Viele Vögel und manche Säugethiere stellen Wachen aus, welches bei den Robben, wie man sagt,241 gewöhnlich die Weibchen sind. Der Anführer einer Truppe Affen dient als Wache und stößt Rufe aus, die sowohl Gefahr als Sicherheit verkünden.242 Sociale Thiere verrichten einander manche kleine Dienste: Pferde zwicken einander und Kühe lecken einander an jeder Stelle, wo sie ein Stechen fühlen; Affen suchen einander äußere Schmarotzer ab, und Brehm führt an, daß, nachdem ein Trupp des Cercopithecus griseoviridis durch ein dorniges Gebüsch geschlüpft war, jeder Affe sich auf einem Zweig ausstreckte und ein anderer sich zu ihm setzte, »gewissenhaft« seinen Pelz untersuchte und jeden Stachel auszog.
Thiere leisten sich auch noch wichtigere Dienste: so jagen Wölfe und andere Raubthiere in Truppen und helfen einander beim Angriff auf ihre Beute; Pelikane fischen in Gemeinschaft. Die Hamadryas-Paviane drehen Steine um, um Insecten zu suchen u. s. w., und wenn sie an einen großen kommen, wenden ihn so viele als herankommen können zusammen um und theilen die Beute. Sociale Thiere vertheidigen sich gegenseitig; Bison-Bullen in Nord-Amerika treiben bei Gefahren die Kühe und Kälber in die Mitte der Herde, während sie den Rand vertheidigen. In einem späteren Capitel werde ich auch Fälle anführen, wo zwei wilde Bullen in Chillingham einen alten gemeinsam angriffen und wo zwei Hengste zusammen versuchten, einen dritten von einer Herde Stuten wegzutreiben. Brehm begegnete in Abyssinien einer großen Herde von Pavianen, welche quer durch ein Thal zogen: einige hatten bereits den gegenüberliegenden Hügel erstiegen und einige waren noch im Thale. Die Letzteren wurden von den Hunden angegriffen, aber sofort eilten die alten Männchen von den Felsen herab und brüllten mit weit geöffnetem Munde so fürchterlich, daß die Hunde sich bestürzt zurückzogen. Sie wurden von Neuem zum Angriff angefeuert, aber diesmal waren alle Paviane wieder auf die Höhen hinaufgestiegen mit Ausnahme eines jungen, ungefähr sechs Monate alten, welcher laut um Hülfe rufend einen Felsblock erklettert hatte und umringt wurde. Jetzt kam eines der größten Männchen, ein wahrer Held, nochmals vom Hügel herab, ging langsam zu dem jungen, liebkoste ihn und führte ihn triumphierend weg, die Hunde waren zu sehr erstaunt, um ihn anzugreifen. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, noch eine andere Scene mitzutheilen, welcher derselbe Naturforscher als Zeuge beiwohnte. Ein Adler ergriff einen jungen Cercopithecus, konnte ihn aber, da sich jener an einen Zweig klammerte, nicht sofort wegschleppen. Der Affe schrie laut um Hülfe, worauf die anderen Thiere der Truppe mit vielem Gebrüll zum Entsatz herbeieilten, den Adler umringten und ihm so viel Federn ausrissen, daß er nicht länger an seine Beute dachte, sondern daran, wie er wegkäme. Dieser Adler, bemerkt Brehm, wird sicher niemals wieder einen einzelnen Affen in einer Herde angreifen.243
Es ist gewiß, daß in Gesellschaft