Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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256 Diese Thatsache wurde nach der Angabe L. Jenyns' (s. dessen Ausgabe von White's Natural History of Selborne. 1853, p. 204) zuerst von dem berühmten Jenner berichtet in den Philos. Transact. für 1824, und ist seit jener Zeit von mehreren Beobachtern, besonders von Mr. Blackwall bestätigt worden. Der letztgenannte sorgfältige Beobachter untersuchte zwei Jahre hintereinander spät im Herbst sechsunddreißig Nester. Er fand, daß zwölf davon junge todte Vögel, fünf dem Ausschlüpfen nahe Eier und drei nur eine Zeit lang bebrütete Eier enthielten. Es werden auch viele Vögel, welche zu einem so langen Fluge noch nicht alt genug sind, gleichfalls aufgegeben und zurückgelassen, s. Blackwall, Researches in Zoology. 1834, p. 108, 118. Für weitere Beweise, deren kaum welche nöthig sind, s. Leroy, Lettres philos. 1802. p. 217. In Bezug auf Schwalben s. Gould's Introduction to the Birds of Great Britain, 1873, p. 5. Ähnliche Fälle sind von Mr. Adams auch in Canada beobachtet worden; s. Popular Science Review, July, p. 283.
Der Mensch ein sociales Thier. – Die meisten Leute geben zu, daß der Mensch ein sociales Wesen ist. Wir sehen dies in seiner Abneigung gegen Einsamkeit und in seinem Wunsch nach Gesellschaft noch über die seiner eigenen Familie hinaus. Einzelnhaft ist eine der schärfsten Strafarten, welche über Jemand verhängt werden kann. Einige Schriftsteller vermuthen, daß der Mensch im Urzustände in einzelnen Familien lebte; wenn aber auch heutigen Tages einzelne Familien oder nur zwei oder drei die einsamen Gefilde irgend eines wilden Landes durchziehen, so stehen sie doch immer, soweit ich es nur ermitteln konnte, mit anderen, denselben Bezirk bewohnenden Familien in freundschaftlichem Verkehr. Derartige Familien treffen gelegentlich zu Beratschlagungen zusammen und vereinigen sich zur gemeinsamen Verteidigung. Darin, daß die, benachbarte Bezirke bewohnenden Stämme fast immer mit einander im Kriege sind, liegt kein Grund dagegen, daß der Mensch ein sociales Thier ist; denn sociale Instincte erstrecken sich niemals auf alle Individuen einer und derselben Art. Nach Analogie mit der größten Zahl der Quadrumanen zu schließen, ist es wahrscheinlich, daß die frühen affenähnlichen Urerzeuger des Menschen gleichfalls social waren; dies ist aber für uns von keiner großen Bedeutung. Obschon der Mensch, wie er jetzt existiert, wenig specielle Instincte hat und wohl alle, welche seine frühen Urerzeuger besessen haben mögen, verloren hat, so ist dies doch kein Grund, warum er nicht von einer äußerst entfernten Zeit her einen gewissen Grad instinctiver Liebe und Sympathie für seine Genossen behalten haben sollte. Wir sind uns in der That alle bewußt, daß wir derartige sympathische Gefühle besitzen;257 unser Bewußtsein sagt uns aber nicht, ob dieselben instinctiv und vor langer Zeit in derselben Weise wie bei den niederen Thieren entstanden sind, oder ob sie von jedem Einzelnen von uns während unserer früheren Lebensjahre erlangt worden sind. Da der Mensch ein sociales Thier ist, so wird er auch wahrscheinlich eine Neigung, seinen Kameraden treu und dem Anführer seines Stammes gehorsam zu bleiben, vererben; denn diese Eigenschaft ist den meisten socialen Thieren gemein. Er wird folglich in gleicher Weise eine gewisse Fähigkeit der Selbstbeherrschung besitzen. Er wird auch in Folge einer angeerbten Neigung noch immer geneigt sein, gemeinsam mit Anderen seine Mitmenschen zu vertheidigen, und bereit, ihnen in allen Weisen zu helfen, welche nicht zu stark mit seiner eigenen Wohlfahrt oder seinen eigenen lebhaften Wünschen sich kreuzen.
Diejenigen socialen Thiere, welche am unteren Ende der Stufenleiter stehen, werden fast ausschließlich, und diejenigen, welche höher in der Reihenfolge stehen, in großem Maße bei der Hülfe, welche sie den Gliedern derselben Genossenschaft angedeihen lassen, durch specielle Instincte unterstützt. In gleicher Weise werden sie aber auch zum Theil durch gegenseitige Liebe und Sympathie dazu veranlaßt werden, wobei sie, wie es wohl scheint, der Verstand in einem gewissen Grade unterstützt. Obgleich der Mensch, wie eben bemerkt, keine speciellen Instincte hat, welche ihm sagen, wie er seinem Mitmenschen helfen soll, so fühlt er doch den Antrieb dazu, und bei seinen vervollkommneten intellectuellen Fähigkeiten wird er in dieser Hinsicht natürlich durch Nachdenken und Erfahrung geleitet werden. Auch wird ihn instinctive Sympathie veranlassen, die Billigung seiner Mitmenschen hoch anzuschlagen, denn die Empfänglichkeit für Lob und das starke Gefühl für Ruhm einer-, andererseits der noch stärkere Widerwille gegen Spott und Verachtung sind, wie Mr. Bain klar gezeigt hat,258 Folgen der Sympathie. In Folge hiervon wird der Mensch durch die Wünsche, den Beifall und Tadel seiner Mitmenschen, wie diese durch deren Gesten und Sprache ausgedrückt werden, bedeutend beeinflußt. So geben die socialen Instincte, welche der Mensch in einem sehr rohen Zustand erlangt haben muß, und die vielleicht selbst von seinen früheren affenähnlichen Urerzeugern erlangt worden sind, noch immer den Anstoß zu vielen seiner besten Handlungen; seine Handlungen werden aber in einem höheren Grade durch die ausdrücklichen Wünsche und das Urtheil seiner Mitmenschen und unglücklicherweise sehr oft durch seine eigenen starken selbstischen Begierden bestimmt. In dem Maße aber, wie die Gefühle der Liebe und Sympathie und die Kraft der Selbstbeherrschung und die Gewohnheit verstärkt werden und wie das Vermögen des Nachdenkens klarer wird, so daß der Mensch die Gerechtigkeit der Urtheile seiner Mitmenschen würdigen kann, wird er sich unabhängig von irgend einem Gefühl der Freude oder des Schmerzes, das er in dem Augenblick fühlen könnte, zu einer gewissen Richtung seines Benehmens getrieben fühlen. Dann – und kein Barbar oder uncultivierter Mensch könnte so denken – kann er sagen: ich bin der oberste Richter meines eigenen Betragens; oder mit den Worten Kant's: »ich will in meiner eigenen Person nicht die Würde der Menschheit verletzen«.
Die beständigeren socialen Instincte überwinden die weniger beständigen. – Wir haben indessen bis jetzt den wichtigsten Punkt, um welchen sich die ganze Frage des moralischen Gefühls dreht, noch nicht betrachtet: wie kommt es, daß ein Mensch fühlt, daß er der einen instinctiven Begierde eher gehorchen soll als der andern? Warum bereut er es bitterlich, wenn er dem starken Gefühl der Selbsterhaltung nachgegeben und sein Leben nicht gewagt hat, um das eines Mitgeschöpfes zu retten, oder warum bereut er es, in Folge peinlichen Hungers Nahrung gestohlen zu haben?
An erster Stelle ist es offenbar, daß beim Menschen die instinctiven Impulse verschiedene Grade der Mächtigkeit besitzen. Ein Wilder wird sein Leben wagen, um das eines Mitgliedes seiner Genossenschaft zu retten, wird aber in Bezug auf einen Fremden völlig indifferent bleiben; eine junge furchtsame Mutter wird, vom mütterlichen Instinct getrieben, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, sich der größten Gefahr um ihres Kindes willen aussetzen, aber nicht um eines bloßen Mitgeschöpfes willen. Trotzdem hat schon mancher Mann oder selbst Knabe, welcher noch niemals zuvor sein Leben für ein anderes wagte, in dem aber Muth und Sympathie schön entwickelt waren, mit Hintansetzung des Instincts der Selbsterhaltung sich augenblicklich in den Strom gestürzt, um einen dem Ertrinken nahen Mitmenschen, wenn es auch ein Fremder war, zu retten. In diesem Falle wird der Mensch durch dasselbe instinctive Motiv getrieben, welches den kleinen heroischen amerikanischen Affen, den ich früher erwähnte, veranlaßte, den großen und von ihm gefürchteten Pavian anzugreifen, um seinen Wärter zu retten. Derartige Handlungen, wie die ebengenannten, scheinen das einfache Resultat davon zu sein, daß die socialen oder mütterlichen Instincte stärker sind als irgend welche andere Instincte oder Motive; denn um Folge einer Überlegung oder Folge eines Gefühls von Freude oder Schmerz sein zu können, werden sie zu augenblicklich ausgeübt, wennschon die Nichtausübung ein Unbehagen veranlassen würde. Andererseits kann aber wohl in einem furchtsamen Menschen der Instinct der Selbsterhaltung so stark sein, daß er unfähig wäre, sich dahin zu bringen, irgend eine solche Gefahr zu laufen, vielleicht selbst dann nicht, wenn es das Leben seines eigenen Kindes gilt.
Ich weiß wohl, daß manche Personen behaupten, Handlungen, welche durch einen plötzlichen Antrieb zur Ausführung gelangen, wie in den obenerwähnten Fällen, gehörten nicht in den Bereich des moralischen Gefühls und könnten daher nicht moralisch genannt werden. Dieselben beschränken diesen Ausdruck auf Handlungen, welche mit Überlegung und nach einem siegreichen Wettstreit über entgegenstehende Begierden ausgeführt werden, oder auf Handlungen, welche Folgen irgend eines edlen Motivs sind. Es scheint indessen