Gesammelte Werke von Charles Darwin (Mit Illustrationen). Чарльз Дарвин
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261 Feindschaft oder Haß scheint gleichfalls ein in hohem Maße andauerndes Gefühl zu sein, vielleicht mehr als irgend ein anderes, was etwa angeführt werden könnte. Neid wird definiert als Haß eines Andern wegen irgend eines Vorzugs oder Erfolgs. Bacon betont (Essay IX): »von allen andern Affecten ist Neid der zudringlichste und beständigste«. Bei Hunden kommt es leicht vor, daß sie sowohl fremde Menschen als fremde Hunde hassen, besonders wenn sie in der Nachbarschaft leben, aber nicht zu derselben Familie, zu demselben Stamm oder Gefolge gehören. Hiernach möchte das Gefühl angeboren zu sein scheinen, und es ist sicherlich ein äußerst andauerndes. Es scheint das Complement und der Gegensatz des echten socialen Instincts zu sein. Nach dem, was wir von den Wilden hören, gilt allem Anschein nach etwas dem Ähnliches auch für sie. Wenn dies der Fall ist, so wäre es nur ein kleiner Schritt, um bei Jedem solche Gefühle auf irgend ein Mitglied desselben Stammes zu übertragen, wenn ihm dies einen Schaden zugefügt hätte und sein Feind geworden wäre. Auch ist es nicht wahrscheinlich, daß das primitive Gewissen eines Menschen darüber Vorwürfe machen würde, daß er seinen Feind schädigt; es würde ihm eher vorwerfen, daß er sich nicht gerächt habe. Gutes zu thun in Erwiderung für Böses, den Feind zu lieben, ist eine Höhe der Moralität, von der wohl bezweifelt werden dürfte, ob die socialen Instincte für sich selbst uns dahin gebracht haben würden. Nothwendigerweise mußten diese Instincte, in Verbindung mit Sympathie, hoch cultiviert und mit Hülfe des Verstandes, des Unterrichts, der Liebe oder Furcht Gottes erweitert werden, ehe eine solche goldene Regel je hätte erdacht und befolgt werden können.
262 Insanity in Relation to Law; Ontario, United States, 1871, p. 14.
263 E. B. Tylor, in: Contemporary Review. April, 1873, p. 707.
264 Dr. Prosper Despine bringt in seiner »Psychologie naturelle« 1868 (Tom. I, p. 243; Tom. II, p. 169) viele merkwürdige Fälle von den schlimmsten Verbrechern, welche dem Anscheine nach vollkommen eines Gewissens entbehrten.
Die eigentlichen socialen Tugenden zuerst allein beachtet. – Die oben gegebene Ansicht von dem ersten Ursprung und der Natur des moralischen Gefühls, welches uns sagt, was wir thun sollen, und des Gewissens, welches uns tadelt, wenn wir jenem nicht gehorchen, stimmt ganz gut mit dem überein, was wir von dem früheren unentwickelten Zustand dieser Fähigkeit beim Menschen kennen. Die Tugenden, welche wenigstens im Allgemeinen von rohen Menschen ausgeübt werden müssen, um es zu ermöglichen, daß sie in einer Gemeinsamkeit verbunden leben können, sind diejenigen, welche noch immer als die wichtigsten anerkannt werden. Sie werden aber fast ausschließlich nur in Bezug auf Menschen desselben Stammes ausgeübt; und die ihnen entgegengesetzten Handlungen werden, sobald sie in Bezug auf Menschen anderer Stämme ausgeübt werden, nicht als Verbrechen betrachtet. Kein Stamm würde zusammenhalten können, bei welchem Mord, Räuberei, Verrätherei u. s. w. gewöhnlich wären; in Folge dessen werden solche Verbrechen innerhalb der Grenzen eines und desselben Stammes »mit ewiger Schmach gebrandmarkt«.265 erregen aber jenseits dieser Grenzen keine derartigen Empfindungen. Ein nordamerikanischer Indianer ist mit sich selbst wohl zufrieden und wird von anderen geehrt, wenn er einen Menschen eines anderen Stammes scalpiert, und ein Dyak schneidet einer ganz friedlichen Person den Kopf ab und trocknet ihn als Trophäe. Der Kindesmord hat im größten Maßstabe in der ganzen Welt geherrscht266 und hat keinen Tadel gefunden; es ist im Gegentheil die Ermordung von Kindern, besonders von Mädchen, als etwas Gutes für den Stamm oder wenigstens nicht als schädlich für denselben angesehen worden. In früheren Zeiten wurde der Selbstmord nicht allgemein als Verbrechen betrachtet,267 sondern wegen des dabei bewiesenen Muths eher als ehrenvolle Handlung; und er wird noch immer von einigen halbcivilisierten und wilden Nationen ausgeübt, ohne für tadelnswerth zu gelten, denn er berührt nicht augenfällig Andere desselben Stammes. Man hat berichtet, daß ein indischer Thug es in seinem Gewissen bedauerte, nicht ebensoviele Reisende stranguliert und beraubt zu haben, als sein Vater vor ihm gethan hatte. Auf einem niedrigen Zustand der Civilisation wird allerdings die Beraubung von Fremden meist für ehrenvoll gelten.
Sclaverei ist, wenngleich sie in alten Zeiten in mancher Weise wohlthätig war, ein großes Verbrechen;268 doch wurde sie bis ganz neuerdings selbst von den civilisierten Nationen nicht dafür angesehen. Dies war besonders deshalb der Fall, weil die Sclaven meist einer von der ihrer Herren verschiedenen Rasse angehörten. Da Barbaren auf die Meinung ihrer Frauen gar nichts geben, werden die Weiber gewöhnlich wie Sclaven behandelt. Die meisten Wilden sind für die Leiden Fremder völlig indifferent oder ergötzen sich selbst an ihnen, wenn sie dieselben sehen. Es ist bekannt, daß die Frauen und Kinder der nordamerikanischen Indianer bei dem Martern ihrer Feinde mithelfen. Einige Wilde haben schaudererregende Freude an der Grausamkeit mit Thieren269 und menschliches Rühren mit diesen ist eine bei ihnen unbekannte Tugend. Nichtsdestoweniger finden sich Gefühle des Wohlwollens, besonders während Krankheiten, zwischen den Gliedern eines und desselben Stammes gewöhnlich und erstrecken sich zuweilen auch über die Grenzen des Stammes hinaus. Mungo Park's rührende Erzählung von der Freundlichkeit einer Negerin aus dem Innern Afrika's gegen ihn ist bekannt. Es ließen sich viele Fälle edler Treue von Wilden gegen einander, aber nicht gegen Fremde anführen; die gewöhnliche Erfahrung rechtfertigt den Grundsatz des Spaniers: »Traue niemals, niemals einem Indianer«. Treue kann nicht ohne Wahrheit bestehen, und diese fundamentale Tugend ist nicht selten bei den Gliedern eines Stammes unter einander zu finden: so hörte Mungo Park, daß die Negerin ihre Kinder lehrte, die Wahrheit zu lieben. Dies ist ferner eine von den Tugenden, welche so tief in die Seele sich einwurzeln, daß sie zuweilen von Wilden gegen Fremde, selbst unter großen Gefahren ausgeübt werden; aber den Feind zu belügen ist selten für eine Sünde gehalten worden, wie die Geschichte der modernen Diplomatik nur zu deutlich zeigt. Sobald ein Stamm einen anerkannten Führer hat, wird Ungehorsam zum Verbrechen, und selbst kriechendes Unterordnen wird als geheiligte Tugend angesehen.
Wie in Zeiten der Rohheit kein Mensch ohne Muth seinem Stamme nützlich sein oder treu bleiben kann, so ist auch diese Eigenschaft früher allgemein im höchsten Ansehen gehalten worden; und obgleich in civilisierten Ländern ein guter, aber furchtsamer Mensch der Gesellschaft viel nützlicher sein kann, als ein tapferer, so können wir uns doch des instinctiven Gefühls nicht erwehren, den Letzteren höher als den Feigling zu schätzen, mag Letzterer auch ein noch so wohlwollender Mensch sein. Auf der anderen Seite ist Klugheit, welche die Wohlfahrt Anderer nicht berührt, wenn sie auch an sich eine sehr nützliche Tugend ist, niemals sehr hoch geschätzt worden. Da Niemand die für die Wohlfahrt des Stammes nothwendigen Tugenden ohne Selbstaufopferung, Selbstbeherrschung und die Kraft der Ausdauer üben kann, so sind diese Eigenschaften zu allen Zeiten, und zwar äußerst gerechter Weise, hochgeschätzt worden. Der amerikanische Wilde unterwirft sich freiwillig ohne Murren den schrecklichsten Qualen, um seine Tapferkeit und seinen Muth zu beweisen und zu kräftigen; und wir müssen ihn unwillkürlich bewundern, wie selbst einen indischen Fakir, welcher in Folge eines närrischen religiösen Motivs an einem in sein Fleisch gestoßenen Haken in der Luft hängt.
Die andern auf das Individuum selbst Bezug habenden Tugenden, welche nicht augenfällig die Wohlfahrt des Stammes berühren, wenn sie es in der That auch wohl thun können, sind vom Wilden nie geschätzt worden, trotzdem sie jetzt von civilisierten Nationen hoch anerkannt werden. Die größte Unmäßigkeit ist für Wilde kein Vorwurf, ungeheure Zügellosigkeit und unnatürliche Verbrechen herrschen bei ihnen in