Rulantica (Bd. 2). Michaela Hanauer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Rulantica (Bd. 2) - Michaela Hanauer страница 7
»Sn, sn!«
»Ach, Snorri, du bist der Beste. Aber bring die Krone besser Halvor zurück, bevor du Ärger bekommst! Ich habe sie nicht verdient.«
RANGNAKOR
Mats hat keine Lust mehr, sich das verlogene Theater anzusehen. Sollen sie Halvor eben als Sieger feiern. Aber er muss ihm nicht auch noch zujubeln. Er schnieft schnell ein paar Tränen weg, den heutigen Tag hat er sich ganz anders vorgestellt!
Das ist dem Rest der Meute aber reichlich egal, sogar der Wächter am Tor zur Eisstadt, der jetzt wieder seinen Posten bezogen hat, bekommt eine Portion des Festmahls ans Tor gebracht, das nach dem Løp für alle anderen auf dem großen Platz aufgetischt wird: Es gibt Muschelsuppe, Thunfischtartar, Seelachs in Salzkruste, an der Sonne getrocknete, knusprige Sardinen und extra für Finja Meeresspargel mit weißem Kieselcrunch. Sie stürzt sich darauf und kümmert sich nicht darum, dass Mats nur in seinem Essen herumstochert und schließlich Snorri seinen Teller zuschiebt. Der Sixtopus freut sich und greift zu, als hätte er nicht gerade eine eigene Portion Algensalat verschlungen.
Mats hockt sich lieber zu Venn, dem ebenfalls die Lust auf das Gelage vergangen ist und der sich an den Rand des großen Platzes verdrückt hat. Zu dem blöden Festschmaus hätte Mats sich gar nicht erst von Finja überreden lassen sollen.
Die Runde wird fröhlicher und mit jeder Minute ausgelassener. Geschichten von alten Heldentaten werden erzählt und sogar Exena und Usgur vergessen die Disziplin, die sie sonst immer predigen. Sie rügen nicht einmal den Wächter, der irgendwann seinen einsamen Posten am Tor aufgibt und sich zu den Feiernden gesellt.
Einige veranstalten ein völlig sinnloses Spiel, bei dem man versuchen muss, den Gegner am Fischschwanz zu packen und um die eigene Achse zu drehen. Mats flüstert Venn zu: »Warte, bis ihnen so schwindelig ist, dass sie sich von allein weiterdrehen.«
»Statt zu warten, nutze die Gelegenheit.«
Mats mustert Venn. Das war doch schon wieder sein Kelpie, das ihm einen Ratschlag gibt! Und Venn hat recht, die Gelegenheit ist perfekt und kommt so schnell nicht wieder. Also los – alles andere können sie draußen klären.
»Einverstanden!«
Niemand hält sie auf, als sie durch das Tor schlüpfen. Das Wasser auf der anderen Seite kommt Mats weniger trüb und viel freundlicher vor.
»Wie kam mein Vater bloß mit den Quellwächtern klar?«, murmelt Mats. »Und meine Mam? Wir haben immer noch nicht mehr über ihr Leben auf Rulantica herausgefunden, nur weil Finja sich seit Neuestem zur Musterschülerin mausert und sich an die Regeln hält.«
»Ich kenne den Weg!«
Ohne Mats’ Reaktion abzuwarten, zieht Venn ihn mit sich an die Oberfläche. Wie immer, wenn Mats den Kopf aus dem Wasser streckt, atmet er als Erstes tief durch. Seit er seine Wasserangst überwunden und herausgefunden hat, dass er ein Halbmeermensch ist, bekommt er unter Wasser problemlos Luft. Trotzdem ist es anders hier oben. Gewohnter, heller … Ob er doch besser in der Menschenwelt hätte bleiben sollen? Mats schluckt die Frage immer wieder herunter, wenn sie hochploppt. Er war einsam im Kinderheim Drei Birken. Aber ist er hier wirklich weniger einsam? Er gehört nicht dazu, das weiß er nicht erst seit heute. Obwohl er auf Rulantica geboren ist, seine Eltern hier gelebt haben und er seine Schwester bei sich hat. Finja … Venn stupst ihn an.
Mats lächelt. »Ja, und du bist natürlich auch hier!«
Sie schwimmen auf die Insel zu, die sich wie eine Burg vor ihnen auftürmt. Als höchste Zinne der Feuerberg. Gelegentlich macht er seinem Namen alle Ehre und spuckt glühende Lava in die Luft und ins Meer. Das hat Mats vor einiger Zeit selbst erlebt. Aber heute steigt kein einziges Rauchwölkchen in den blauen Himmel.
Je näher sie schwimmen, desto deutlicher ragen direkt hinter dem Felsenstrand die ersten Pfähle empor. Sie gehören zu Rangnakor, der Stadt, in der die Meermenschen lebten, als sie noch Wikinger und Menschen waren. Bis heute beweisen die Stelzenhäuser die Baukunst ihrer früheren Bewohner. Nach Jahrhunderten stehen sie aufrecht und haben Wind, Wetter und den Zorn des Göttervaters überdauert, was an ein Wunder grenzt. Mats muss unweigerlich an Rayk denken. Seinen Zimmernachbarn aus dem Kinderheim, der dem, was man Freund nennt, am ähnlichsten gewesen war. »Imposant«, hätte Rayk dazu gesagt. »Im Po Sand und im Arsch Geröll.«
Mats grinst in sich hinein, was für ein blöder Spruch, trotzdem hat er sich offensichtlich eingebrannt in sein Gedächtnis. Von Carla, der Heimmutter, hätte Rayk dafür einen Rüffel bekommen – einen total harmlosen Rüffel, verglichen mit Usgurs oder, noch schlimmer, Exenas Wutausbruch, wenn Mats wieder einmal den Zweizack nicht richtig hält oder keinen einzigen Eiszauber hinbekommt. Wasser zu Eis erstarren lassen, das kann eben nur Finja. Wenn Mats einen Zauberspruch aufsagt, wird das Wasser um ihn herum nicht einmal ein halbes Grad kühler. Er schüttelt sich, er mag jetzt nicht an seine peinlichen Fehlversuche und Exena denken. Nach diesem furchtbaren Tag hat er sich ein paar Stunden Freiheit verdient und mit etwas Glück findet er endlich eine Spur von seiner Mam. Mats vermutet, dass sie in einem dieser Stelzenhäuser gelebt hat, und heute hat er endlich Zeit, sich hier genauer umzusehen, während die Meermenschen sinnlos feiern!
Am Ufer klettert Mats flink die karstigen Felsenwände nach oben an Land. Das soll ihm Exena nachmachen – da hilft ihr sämtliche Magie nicht: Mit ihrem Fischschwanz muss sie im Wasser bleiben wie alle Meermenschen außer ihm und Finja.
Seine Schadenfreude weicht dem Staunen über das Schauspiel, das Venn bietet, als er anmutig an Land springt. Mats hat die Verwandlung zwar schon öfter gesehen, doch es ist immer wieder atemberaubend, wenn sich Venns Fischschwanz in zwei kräftige Hinterbeine verwandelt und er statt seiner glatten Haut ein Fell bekommt, aus dem das Wasser in silbrigen Fäden rinnt. Das magische Wasserpferd schüttelt sich und lässt um sich herum feinste Silbertropfen regnen, bevor sie sich einen Weg zu den Stelzenhäusern bahnen. Bei genauerem Hinsehen sind sie nicht ganz so unbeschädigt, wie es aus der Ferne wirkt. Die Stützpfosten sind morsch und einige Querbalken sogar durchgebrochen, sodass die Unterböden der Häuser schief auf halber Höhe hängen und jederzeit komplett zu Boden stürzen könnten. Die spitzen Holzdächer wurden mit Drachen- oder Schlangenköpfen an den Giebeln verziert. Seltsam grotesk ragen sie empor, als würden sie heute noch über die Stadt wachen, obwohl so manchem ein Zahn, die Nase oder sogar der halbe Kopf fehlt. Die Farbe der Häuser ist natürlich längst abgeblättert, stattdessen hat überall Moos angesetzt, und auf einigen Dächern liegt so viel Schilf, dass es aussieht, als wären sie damit absichtlich gepolstert worden. Wo früher Verbindungsbrücken zwischen den Häusern waren, klaffen jetzt gefährliche Abgründe.
»Wohnen kann man hier jedenfalls nicht mehr«, stellt Mats fest. »Schade, es würde mir gefallen!«
Venn schnaubt aufmunternd und tappt behutsam voran, aber er ist schwer und bricht bei jedem zweiten Schritt ein. Nur mühsam kann er seinen Huf befreien.
»Pbr-au-uuu«, schimpft er die Holzlatten an, als ein Splitter